Reizdarm: Mehr als ein Bauchgrummeln

Durchfall, Übelkeit, Verstopfung, Blähungen: das kennt fast jeder. Hin und wieder kommt es eben vor, dass der Darm "rumpelt" oder auch scheinbar gar nichts tut. Doch ein Reizdarm ist das alles nicht.

Ein Reizdarm-Syndrom liegt laut medizinischer Definition vor, wenn die Beschwerden seit mindestens sechs Monaten bestehen, den Patienten an wenigstens drei Tagen pro Monat beeinträchtigen und andere Erkrankungen aus­geschlossen werden. Für Dr. Axel Schweitzer, der eine gastroenterologische Praxis in Münster betreibt, kommt ein entscheidendes Kriterium hinzu: „Die Beschwerden schränken die Lebensqualität des Betroffenen stark ein.

Wie sehr dies der Fall ist, sieht der Gastroenterologe in der Reizdarm-Sprechstunde, die seine Praxis für diese Patienten anbietet. „Das geht bis zur sozialen Isolation. Patienten mit einem ausgeprägten Reizdarm-Syndrom haben eine geringere Lebensqualität als beispielsweise Dialyse-Patienten.“ Dr. Schweitzer erzählt von Fällen, in denen sich Betroffene freiwillig beruflich zurückstufen lassen, weil es für sie zum Beispiel nicht möglich ist, viel unterwegs zu sein oder lange Besprechungen durchzustehen.

Infektion als Auslöser

Über die Entstehung des Reizdarm-Syndroms wird noch gerätselt. In vielen Fällen treten die Beschwerden nach einer Infektion auf, besonders oft nach einer damit verbundenen Antibiotika-Gabe. Aber auch belastende Situationen wie Trauer oder Trennung kommen als Auslöser in Betracht. Zudem scheint es eine genetische Disposition zu geben, erklärt der Mediziner.

Die Zahl der Betroffenen ist groß. Schätzungen zufolge sind es in Deutschland etwa 15 % der Bevölkerung. Allerdings suchen die wenigsten einen Arzt auf. Dabei gibt es vielfältige Möglichkeiten, diesen Menschen zu helfen. Allen, die unter diffusen Darmbeschwerden leiden, rät Dr. Schweitzer dringend, zunächst den Hausarzt und dann möglichst auch einen Gastro­enterologen aufzusuchen.

Therapie je nach Symptom

Zunächst ist zu klären, ob möglicherweise eine andere Erkrankung für die Beschwerden verantwortlich ist. Das kann eine Nahrungsmittelunverträglichkeit sein oder auch eine chronisch entzündliche Darmerkrankung. Ist das nicht der Fall und liegt nach der medizinischen Definition ein Reizdarm-Syndrom vor, richtet sich die Therapie nach dem vorrangigen Symptom. Zum Beispiel haben sich Flohsamenschalen bei Verstopfung bewährt. Bei Durchfall verschafft Loperamid Linderung.

Anstelle einer rein auf die Symptome ausgerichteten Therapie brauchen viele Reizdarm-Patienten aber eigentlich eine Dauertherapie, sagt Dr. Axel Schweitzer. Entsprechende Präparate gebe es bereits, andere befänden sich in der Entwicklung. Aber: Die Krankenkassen zahlen nicht immer dafür.

Die gute Nachricht zum Schluss

Eine große Rolle bei der Therapie spielt die Ernährung. Deshalb arbeitet Dr. Schweitzer eng mit einer Ernährungsfachkraft zusammen. Er hat die Erfahrung gemacht, dass sich bei vielen Reizdarm-Patienten durch eine medikamentöse Therapie und eine Ernährungsumstellung eine Linderung einstellt. Allerdings schränkt er ein, dass nicht alle Patienten darauf ansprechen. Vermutlich spielt dabei auch die Darmflora, die immer mehr in den Fokus der Forschung gerät, eine gewichtige Rolle. Eine Therapie des Reizdarm-Syndroms durch Darmbakterien oder entsprechende Extrakte könnte in Zukunft Abhilfe schaffen.

Eine große Sorge kann Dr. Schweitzer den leidgeplagten Patienten aber nehmen: Reizdarm ist kein Risikofaktor für andere ernsthafte Krankheiten wie Darmkrebs. Reizdarm-Patienten haben auch kein erhöhtes Sterberisiko. Das ist zumindest ein kleiner Trost, wenn’s mal wieder rumort im Bauch. Wul