Reiz elektronischer Medien

Internet, Handy, Computerspiele – ihr Konsum ist aus unserer Lebenswelt nicht mehr wegzudenken. Doch mancher Jugendliche wird süchtig danach.

Auf dem Wunschzettel vieler Kinder und Jugendlicher stand zu Weihnachten ein neues Handy, ein neues Computerspiel oder dergleichen. Das Internet gewinnt besonders für diese Altersgruppe immer mehr an Bedeutung.

Trotz vieler positiver Aspekte bestehen jedoch auch Risiken durch exzessiven Medienkonsum und Sucht. 2,4 % der Jugendlichen und jungen Erwachsenen zwischen 14 und 24 Jahren sind deutschlandweit von­ Online-Sucht betroffen. 4,6 % aller Menschen in Deutschland zeigen eine „problematische Internetnutzung“.

Das heißt, sie sind täglich mehr als vier Stunden in ihrer Freizeit online unterwegs. Onlinesüchtige Jugendliche verlieren die Kontrolle über ihre Zeit und vernachlässigen Freundschaften, Hob­bys und nicht zuletzt die Schule. Für Eltern ist es wichtig, Anzeichen von Suchtverhalten frühzeitig zu erkennen und Beratung und Hilfe zu suchen. Kinder und Jugendliche, die eine Sucht entwickeln, bringen immer eine Veranlagung oder entsprechende Persönlichkeitsstruktur dafür mit.

Wer gefährdet ist

Kinder beispielsweise mit einem Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom (ADS) reagieren deutlich impulsiver auf Reize und greifen sofort zu, sobald eine Belohnung in Aussicht steht. Diesen Kindern kommt
der Belohnungsmechanismus der PC-Spiele leider sehr entgegen. Forschungen zeigen, dass Kinder mit ADS, die regelmäßig Computerspiele benutzen, zwar gute Fertigkeiten im Erkennen von Nebensächlichkeiten entwickeln. Da sie aber das Problem haben, sich im wirklichen Leben auf das Wesentliche zu konzentrieren und Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden, trainieren sie beim Computerspiel eher ihre Zerstreuung.

Suchtforscher der Berliner Charité fanden heraus, dass sich Suchtverhalten sehr schnell entwickelt, wenn das Gehirn immer wieder Belohnungsreizen und Belohnungen ausgesetzt wird, wie das zum Beispiel bei Computerspielen der Fall ist. Diese Reize führen durch Ausschüttung von Dopamin und anderen Glückshormonen im Vorderhirn ähnlich wie bei Drogenkonsum zu einem entsprechenden Glücksgefühl. Ständig wiederholte Belohnungsreize führen zu einem Suchtgedächtnis.

Ist Mediensucht für mich oder meine Familie ein Thema? Diese Frage müssen Eltern für sich selbst und ihre Kinder beantworten. Nebenstehender Fragetest kann Hinweise für das Vorliegen einer Mediensucht geben.
Ein weiterer, sehr praktischer Test ist eine Verzichtsübung auf sämtliche Medien einschließlich Fernsehen für drei Tage oder besser eine Woche. Treten bei fehlendem Zugang zu den elektronischen Medien Entzugssymptome wie Misslaunigkeit, Unlust oder Aggressivität auf, besteht ein starker Verdacht auf Suchtverhalten.

Möglichkeiten der Therapie

Haben Sie den Verdacht, dass Ihr Kind mediensüchtig ist, sollte kinderärztlicher Rat eingeholt werden. Die Zeitdauer, die ein Kind vor dem Computer bzw. mit dem Smart­phone verbringt, ist nicht der alleinige ausschlaggebende Faktor. Wie schon Paracelsus sagte: „Die Dosis entscheidet darüber, ob etwas ein Gift ist oder nicht.“

Allerdings wird eine Nutzung von über vier Stunden täglich als problematisch angesehen.
In der Regel ist eine kinder- und jugendpsychiatrische Mituntersuchung notwendig, um zusätzlich bestehende Probleme wie zum Beispiel emotionale Auffälligkeiten, Konzentrations- oder Verhaltensstörungen aufzudecken und zu behandeln.

Obwohl die Krankenkassen bisher die Mediensucht nicht als eigenständige Diagnose akzeptieren, werden onlinesüchtige Kinder und Jugendliche wie andere Süchtige in entsprechenden Einrichtungen der Kinder- und Jugendpsychiatrie je nach Bedarf stationär, teilstationär oder ambulant behandelt.

Das Besondere bei der Therapie der Internetsucht ist, dass im Gegensatz zur Drogensucht keine vollständige Abstinenz angestrebt wird, die ja auch faktisch nicht möglich ist. Im Rahmen der Therapie erlernen die Betroffenen unter anderem einen bewussteren, gesellschaftlich tolerierten Umgang mit den elektronischen Medien. Dr. med. Schulze Everding