Ich sehe was, was du nicht siehst – dieses Kinderspiel kennen viele. Was der eine wahrnimmt, bleibt dem anderen zunächst verborgen. Ganz anders verhält es sich jedoch bei Menschen, die an einer Psychose erkrankt sind.
Oft erleben sie Sinnestäuschungen und sehen Dinge oder hören Stimmen, die gar nicht da sind. Nicht selten entwickeln sie die Vorstellung, von anderen Menschen verfolgt oder bedroht zu werden oder Dinge allein durch Gedanken beeinflussen zu können.
Derartige Wahnvorstellungen und Halluzinationen sind jedoch nur einige Symptome einer Psychose. Weitere sind etwa Denk- und Konzentrationsstörungen, plötzliche Stimmungsschwankungen und sozialer Rückzug. Typisch ist, dass Betroffene ihre Umgebung sehr verzerrt wahrnehmen und ihnen zunehmend der Bezug zur Realität verloren geht, was ihr alltägliches Leben erheblich beeinträchtigt.
Früherkennung der Psychose ist wichtig
Oftmals beginnt eine psychische Störung schleichend schon in jungen Jahren, ohne erkannt zu werden. Vergehen viele Jahre bis zur Diagnose und nimmt die Erkrankung dann einen chronischen Verlauf, fehlt häufig die Krankheitseinsicht und eine Behandlung wird schwieriger. Dabei können sich eine frühe Diagnose und Vermittlung passender Hilfen günstig auf den Krankheitsverlauf auswirken.
Doch Anlaufstellen zur Früherkennung in jungen Jahren gibt es bundesweit bislang wenige. Zwei davon stehen in Westfalen-Lippe zur Verfügung – und zwar in Bochum und in Hemer. Hier können junge Leute ab 18 Jahren ihre seelische Gesundheit checken lassen.
Was ist eine Psychose?
Psychose ist ein Oberbegriff für verschiedene psychische Störungen, bei denen der Bezug zur Realität und zum eigenen Ich gestört ist. Denken, Wahrnehmung und Motorik sind oftmals beeinträchtigt. Es gibt kein einheitliches Krankheitsbild, doch einige typische Symptome treten bei vielen Erkrankten auf, wie Halluzinationen, Wahnvorstellungen oder schwerwiegende Denkstörungen. Die Ursachen einer Psychose sind vielfältig:
- Bei der primären Psychose ist körperlich keine Ursache feststellbar. Die häufigste Form ist eine Schizophrenie.
- Bei der sekundären Form ist das Gehirn beeinträchtigt, etwa durch organische Erkrankungen wie Epilepsie, Hirntumoren oder Infektionen. Die Psychose kann sich aber auch als Nebenwirkung von Medikamenten entwickeln oder nach dem Konsum von Psychostimulanzien wie Alkohol oder Cannabis und LSD.
Generell haben Angehörige von Psychosepatienten ein erhöhtes Risiko, an einer Psychose zu erkranken. Neben der genetischen Komponente sind belastende Lebensumstände, Stress sowie der Konsum von Drogen oft Auslöser für den Ausbruch der Störung.
Die LWL-Klinik Hemer im Märkischen Kreis hat in 2023 ihre Arbeit aufgenommen. Seit Beginn des Jahres bietet die Hans-Prinzhorn-Klinik eine Psychose-Früherkennungsambulanz speziell für junge Erwachsene ab 18 Jahren an.
„Das klassische Alter für eine primäre Psychose liegt um das 20. Lebensjahr“, erklärt Dr. Naciye Hantelmann-Geyhan, Leiterin der neuen Psychose-Ambulanz der LWL-Klinik Hemer.
Die frühen Warnzeichen einer Psychose kennen
Psychosen können in jedem Lebensalter auftreten. Viele Formen haben jedoch einen frühen Beginn schon in der Pubertät. Doch mögliche Frühwarnanzeichen, wie depressive Verstimmungen, plötzliche Reizbarkeit, Konzentrationsstörungen mit Leistungseinbruch in Schule oder Ausbildung, Schlafstörungen sowie sozialer Rückzug, können durchaus pubertär bedingt sein und müssen keinen krankhaften Charakter haben.
Halten die Beschwerden jedoch an und bemerken Betroffene darüber hinaus Beeinträchtigungen der Denkabläufe, der Sprache und der Wahrnehmung, kann dass auf eine psychische Störung deuten, die es abzuklären gilt.
Symptome in der Frühphase
In der Frühphase der Erkrankung fallen oft schon Psychose-typische Symptome auf. Das können sein:
- Menschen und Dinge kommen einem unwirklich vor,
- eigentümliche Vorstellungen oder magisches Denken,
- Schwierigkeiten, Träume und Realität zu unterschieden,
- die Tendenz, Dinge aus der Umwelt auf sich zu beziehen,
- das Denken, das eigene Handeln werde von außen kontrolliert,
- sich verfolgt, beobachtet oder abgehört zu fühlen,
- große Ängste zu haben,
- das Gefühl zu haben, anderen nicht mehr trauen zu können,
- eigenartige Denk- und Sprechweise,
- Wahrnehmungsstörungen wie optische oder akustische Halluzinationen,
- Denken und Konzentration fallen schwer, weil sich Gedanken aufdrängen,
- die Aufmerksamkeit auf zwei Dinge gleichzeitig zu richten, fällt schwer,
- sozialer Rückzug, Antriebslosigkeit, Interessenverlust oder Verarmung des Gefühlslebens.
„Betroffene berichten dann beispielsweise ‚Ich habe immer häufiger das Gefühl, dass noch jemand im Zimmer ist. Wenn ich aber nachschaue, ist da niemand, obwohl ich immer noch dieses Gefühl habe‘“, erklärt Dr. Vera-Estelle Makulla, Oberärztin im LWL-Universitätsklinikum Bochum.
{{::tip::standard::Kontakt zur Psychose-Früherkennung Hemer unter Tel. (0 23 72) 8 61-42 10,
Kontakt zu BoFit Bochum unter Tel. (02 34) 50 77-11 90,
Weitere Kontakte zu Früherkennungszentren und Behandlungsangeboten unter https://www.psycho-check.com::}}
Hier behandelt die Medizinerin an Psychose erkrankte Menschen und leitet im Rahmen der Bochumer Früherkennungsinitiative und Therapie (BoFit) die Sprechstunde zur Früherkennung psychotischer Erkrankungen für Erwachsene bis 29 Jahren.
Wer sich bei sich eine psychotische Störung vermutet, kann direkt – ohne ärztliche Überweisung – telefonisch oder per E-Mail Kontakt zu einer der beiden Angebote aufnehmen. In einem etwa zweistündigen Erstgespräch mit Testung kann geklärt werden, ob Behandlungsbedarf besteht und wie weiter verfahren werden kann.
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