Jedes Jahres erhalten deutschlandweit mehr als 68 000 Männer erstmalig die Diagnose Prostatakrebs. Befindet sich das Karzinom innerhalb der Vorsteherdrüse, ist die Prognose gut und der Krebs meist heilbar. In der Regel wird die Prostata dann vollständig entfernt. Es folgt eine medikamentöse Antihormontherapie oder eine Bestrahlung und eventuell eine Chemotherapie.
Schlagen keine Behandlungen (mehr) an oder ist die Erkrankung aufgrund eines fortgeschrittenen Stadiums mit Metastasen nicht mehr heilbar, klingt eine neue Therapie vielversprechend. Sie heißt PSMA-Theranostik und soll die Überlebenszeit betroffener Männer verlängern. Darüber informierte der Berufsverband Deutscher Nuklearmediziner e. V. (BND) anlässlich einer Pressekonferenz.
Bessere Diagnostik möglich
Die PSMA-Theranostik ist eine Methode aus dem Bereich der Nuklearmedizin. Das heißt, es ist radioaktive Strahlung im Spiel. Der Begriff Theranostik setzt sich zusammen aus den Wörtern Diagnostik und Therapie. Zentrale Rolle bei dem Verfahren spielt ein bestimmtes Eiweiß – das „Prostata-spezifische Membranantigen“ PSMA.
Dieses Protein befindet sich vermehrt auf der Oberfläche von Prostatakrebszellen.
Mittels spezieller Technik können Radiologen Regionen im Körper sichtbar machen, deren Stoffwechsel besonders aktiv ist, so wie es etwa für Tumorzellen typisch ist.
Die Experten bezeichnen diese Technik Positronen-Emissions-Tomografie (PET). Die PET funktioniert mit schwach radioaktiv markierten Arzneien, den sogenannten Tracern oder Radionukliden, die dem Patienten in die Vene injiziert werden. Diese binden sich an bzw. markieren das beim Prostatakrebs vermehrt vorkommende Protein PSMA. Bei dem natürlichen Zerfall der gespritzten radioaktiven Substanzen entsteht eine schwache Strahlung, die in der Bildgebung sichtbar wird.
Beim PET/CT erstellt der Radiologe zusätzlich eine Computertomografie (CT). Auffälligkeiten in Weichteilen wie etwa Metastasen in Beckenlymphknoten oder anderen Organen können in den Schichtbildaufnahmen sichtbar gemacht werden. Durch die Kombination der beiden Verfahren lassen sich Auffälligkeiten präziser orten: Bereits wenige Millimeter messende Streuherde etwa in Lymphknoten oder Knochen sind darstellbar, argumentierten die Experten der Pressekonferenz.
Methode nicht für jeden
Hauptsächlich wird das PSMA-PET bei Männern eingesetzt, deren PSA-Wert nach einer Krebsbehandlung wieder ansteigt und die weitere Therapie von einer möglichst genauen Lokalisation der Prostatakrebszellen abhängt, erläuterte Prof. Dr. Tobias Maurer, Urologe und leitender Arzt der Martini-Klinik des Uniklinikums Hamburg-Eppendorf. Eine PSMA-PET kann aber auch in der Erstdiagnose eingesetzt werden, wenn beim Patienten der Verdacht auf ein hohes Risiko besteht. Die Methode ist allerdings nicht an allen Kliniken in Deutschland verfügbar.
Radioliganden-Therapie
Das Prostata-spezifische Membranantigen (PSMA) spielt auch eine zentrale Rolle bei der Radioliganden-Therapie. Diese kann zur Behandlung des metastasierten Prostatakarzinoms eingesetzt werden, wenn Patienten auf eine Hormon- oder Chemotherapie nicht mehr ansprechen und auf den Tumorzellen ausreichend viele PSMA-Bindungsstellen vorhanden sind.
Nuklearmediziner, wie Prof. Dr. Michail Plotkin, Leiter des Instituts für Nuklearmedizin der Vivanteskliniken Berlin, überprüfen zunächst mittels PSMA-PET/CT, ob der Tumor eine hohe Dichte an PSMA-Bindungsstellen aufweist. Sind davon genügend vorhanden, kann die Therapie mit der radioaktiven Substanz Lutetium-177-PSMA erfolgen.
Hierfür wird diese Substanz gezielt an das PSMA gebunden. Nach der Injektion in die Vene wandert das so markierte PSMA-Molekül gezielt zu den Prostatakrebszellen. Es dringt in die Krebszelle ein und tötet sie durch seine Strahlung.
„Die Therapie besteht typischerweise aus sechs Zyklen im Abstand von zwei Monaten“, erklärt Prof. Michail Plotkin. Die Therapie werde meist ohne starke Nebenwirkungen vertragen und zeige gute Wirkung unter Schonung des gesunden Gewebes. Laut Studien erhalte der Patient durchschnittlich vier Monate Lebenszeit durch die Therapie zusätzlich.
Aber: Die neue Leitlinie zur Behandlung des Prostatakrebs empfiehlt einen Behandlungsversuch mit Lu-177-PSMA nur in bestimmten Fällen. Da diese Lu-Behandlung noch nicht zugelassen ist, gilt die Therapie als „individueller Heilversuch“. Fragen Sie bei Ihrer Krankenkasse nach, ob sie die Kosten für die Therapie übernimmt. Die für Ende 2022 erwartete Zulassung der Lu-177-PSMA-Therapie in Europa soll deren breitere Anwendung ermöglichen.
Wer Anspruch auf Diagnostik hat
Die PSMA-PET/CT ist keine normale Kassenleistung. Während das Verfahren bei Privatpatienten als besondere sensitive Diagnostik beim Prostatakarzinom bereits durchgeführt wird, ist der Einsatz der Methode bei gesetzlich versicherten Patienten beschränkt und an bestimmte Voraussetzungen gebunden, informierte Prof. Dr. Detlef Moka vom Berufsverband der Deutschen Nuklearmediziner (BDN).
Der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) lässt die Kostenübernahme für die Diagnostik auch nur zu, wenn die Patienten in einer „Ambulanten spezialärztlichen Versorgung (ASV)“ betreut werden. Dazu ist eine Überweisung von einem Urologen bzw. einer Urologin notwendig, in der die medizinische Notwendigkeit der PSMA-PET/CT kurz begründet ist.
Besprechen Sie mit Ihrem Arzt, inwiefern das neue nuklearmedizinische Verfahren im Rahmen der individualisierten Therapie für Sie infrage kommt. Adressen einer ASV sind zu finden über die Kassenärztlichen Vereinigungen bzw. bei der ASV-Servicestelle unter Tel. (03 41) 42 64 9-87
www.asv-servicestelle.de
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