Plötzlich benötige ich Hilfe

Unfall, Krankheit, Alter – pflegebedürftig kann jeder in jedem Alter werden. Die Kreislandfrauen aus Steinfurt widmeten dem Thema Pflege ein Tagesseminar. Ein Schwerpunkt galt der persönlichen Vorsorge.

"Wir haben derzeit rund 2,2 Mio. Pflegebedürftige in Deutschland“, erklärte Karl-Josef Laumann vergangene Woche anlässlich des Pflegeforums des Kreislandfrauenverbandes Steinfurt.

Zukünftig sei jährlich mit einem Anstieg der Pflegebedürftigen von 2 bis 3 % zu rechnen, prognostizierte der Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung.

Zum größten Teil finde Pflege ambulant statt – in den eigenen vier Wänden oder in der Familie. Gleichzeitig hätten sich aber Familienstrukturen geändert. Immer mehr Frauen sind berufstätig. Kinder werden zunehmend ganztags betreut. Sie alle kommen meist erst abends nach Hause. „Viele alte und pflegebedürftige Angehörige sind daher tagsüber allein“, informierte Karl-Josef Laumann. Diese Situation habe man bei der Gestaltung des neues Pflegestärkungsgesetzes berücksichtigt, indem beispielsweise die Finanzierung einer Tagespflege erleichtert wurde.

Welche weiteren Neuerungen das zweite Pflegestärkungsgesetz bringt und wie diese in Betreuungseinrichtungen umgesetzt werden können, erläuterten auf dem Pflegeforum unter anderem Pfle­gedienstleiterin Elke Spiegelberg von der BHD-Sozialstation Steinfurt. Einen Einblick in die Be­treuungsarbeit vom Demenzkranken gab Theaterpädagogin Rahel Kurpat aus Münster. Und welche persönliche Vorsorge jeder Einzelne für den Fall einer Hilfs- oder Pflegebedürfigkeit treffen kann, zeigte Ute Middendorp den rund 30 Teilnehmerinnen der Veranstaltung auf.

Persönliche Vorsorge treffen

„Wer erledigt Ihre Bankgeschäfte, stimmt operativen Eingriffen zu, beantragt einen Pflegegrad und organisiert eine ambulante oder stationäre Hilfe, wenn Sie dazu nicht mehr in der Lage sind?“, fragte Ute Middendorp vom Sozialdienst katholischer Frauen (skf) Ibbenbüren in die Runde. Was viele nicht wissen: Kinder, Ehepartner, Eltern oder Geschwister sind nicht automatisch bevollmächtigt, diese Angelegenheiten rechtswirksam für ihren handlungsunfähigen Angehörigen zu erledigen. „Das ist nur mit einer entsprechenden Vollmacht oder einer rechtlichen Betreuungsverfügung möglich“, erklärte die Dipl.-Sozialarbeiterin.

Werde eine Person aufgrund einer psychischen Erkrankung, einer geistigen oder seelischen Behinderung handlungsunfähig, und habe diese keine persönliche Vorsorge getroffen, bestellt das zuständige Betreuungsgericht einen rechtlichen Betreuer. Der kann aus dem familiären Umkreis stammen, muss es aber nicht. Das Gericht legt fest, wer die Betreuung übernimmt und in welchen Aufgabenbereichen eine rechtliche Vertretung benötigt wird. „Die Betreuung wird in der Regel für maximal sieben Jahre erteilt, kann aber auch kürzer befristet oder geändert werden“, erklärte die Betreuungsexpertin.

So weit wie möglich soll der rechtliche Betreuer alle Angelegenheiten mit dem zu Betreuenden besprechen und zu seinem Wohl entscheiden. Seine Arbeit wird regelmäßig überprüft. Auch darf er nicht alles allein entscheiden. „Es gibt genehmigungspflichtige Rechtsgeschäfte, die der Betreuer nicht ohne Zustimmung des Betreuungsgerichts tätigen darf“, informierte Ute Middendorp.

Vorsorgevollmacht erteilen

Wer das Prozedere eines rechtlichen Betreuers umgehen oder einen Menschen seines Vertrauens mit der Betreuung beauftragen möchte, der sollte rechtzeitig eine Vorsorgevollmacht erteilen, machte die Sozialarbeiterin deutlich. Bei Handlungsbedarf sei der gewünschte Bevollmächtigte im Notfall sofort handlungsfähig.

Wichtig sei aber, eine Vereinbarung darüber zu treffen, ab wann die Vorsorgevollmacht in Kraft treten soll und wer bei mehreren Bevollmächtigten welche Entscheidungsbefugnisse in welcher Situation erhalten soll. Werden mehrere Personen bevollmächtigt, erhält jede dieser Personen eine eingeschränkte Vollmacht.

Damit im Bedarfsfall die Vorsorgevollmacht auch gefunden wird, sollte ein Aufbewahrungsort des Schriftstückes vereinbart werden, riet Ute Middendorp. Das könne auch bei einer dritten Person sein, die die Erklärung herausgibt, wenn alle Beteiligten sich einig sind. Man könne auch auf einer Notfallkarte in der Brieftasche einen Hinweis hinterlassen oder die Vollmacht beispielsweise im Zentralen Vorsorgeregister der Bundesnotarkammer hinterlegen. Eine notarielle Beurkundung sei immer dann empfehlenswert, wenn ein Betrieb, Grundstücke oder Immobilien veräußert werden können. Da nicht alle Banken und Sparkassen jede Vorsorgevollmacht akzeptieren, ist es sinnvoll, diese bei der Bank vorzulegen und abzuklären, ob diese später auch im Bedarfsfall anerkannt wird.

Eine Betreuung verfügen

Als Alternative zur Vorsorgevollmacht kann auch eine Betreuungsverfügung erstellt werden, erklärte die Referentin. „Darin schlagen Sie eine Person vor, die das Betreuungsgericht als rechtlichen Betreuer ernennen soll bzw. wer nicht, wenn Sie handlungsunfähig geworden sind.“ Diese Betreuungsperson unterliegt dann der Kontrolle des Betreuungsgerichts. In der Verfügung können auch Wünsche und Weisungen festgelegt werden, an die sich der Betreuer verbindlich halten muss.
Wie Vollmachten oder Betreuungsverfügungen verfasst werden sollten, darüber informierten Juristen sowie Betreuungs- und Hospiz­vereine. LHo