Passt sich das Herz an...

… werden angeborene Herzfehler oft erst im Erwachsenenalter entdeckt. Diese Fehlbildungen treten bei etwa 1 % der Neugeborenen auf.

Malte hatte schon als Kind oft ein hochrotes Gesicht und beim Herumtoben häufig Nasenbluten. Seit dem zwölften Lebensjahr spielt er Fußball in der Kreisliga. Er ist robust und fühlt sich auf der Stürmerposition am wohlsten. In der zweiten Halbzeit geht ihm aber immer wieder die Luft aus und er muss häufig ausgewechselt werden.

Als seine Mannschaft eine sportmedizinische Untersuchung absolviert – Malte ist zu diesem Zeitpunkt 20 Jahre alt –, werden erstmals ein Strömungsgeräusch und ein Bluthochdruck von 200/100 mmHg festgestellt. Die anschließende kardiologische Untersuchung bestätigt hohe Blutdruckwerte an beiden Armen, aber einen normalen Blutdruck an den Beinarterien.

Daraufhin wird eine Kernspintomografie des Herzens und der Körperschlagader durchgeführt. Die Ergebnisse bestätigen den naheliegenden Verdacht: Maltes Brustschlagader ist nach dem Abgang der Arm- und Halsgefäße hochgradig verengt. Mediziner nennen diese angeborene Gefäßfehlbildung Aortenisthmus-­Stenose.

Aortenisthmus-Stenose

Die Aorta ist die Hauptschlagader, die das sauerstoffreiche Blut vom Herzen in den Körper leitet. Bei einer Aortenisthmusstenose ist die Hauptschlagader an einer oder mehreren Stellen nach der Abzweigung der Arterien, die die obere Körperhälfte mit Blut versorgen, verengt. Die linke Herzkammer muss nun mit deutlich höherem Druck pumpen, um das Blut durch die Engstelle zu treiben. Das hat zur Folge, dass der Blutdruck im Abschnitt vor der Engstelle, also in der oberen Körperhälfte, erhöht ist. Gleichzeitig wird aufgrund der Engstelle die untere Körperhälfte oft minderdurchblutet.

Herzfehler oft spät erkannt

Malte stellt sich in einer Schwerpunkt-Klinik für angeborene Herzfehler vor. Dort wird die Diagnose bestätigt. In einem 45-minütigen Kathetereingriff wird ein Stent in die Engstelle gesetzt und die Engstelle beseitigt. Drei Monate nach dem Eingriff kann Malte die Anzahl seiner Blutdruckmedikamente von drei verschiedenen Substanzen auf eine reduzieren. Sein Blutdruck ist deutlich besser eingestellt. Seit dem Eingriff ist er wieder besser belastbar, insbesondere bei stärkerer körperlicher Anstrengung und beim Fußballspiel.

Angeborene Herzfehler umfassen neben einfachen Herzfehlern, wie zum Beispiel „Löchern“ in der Vorkammer- und Hauptkammerscheidewand, angeborene Verengungen von Herzklappen. Aber auch sehr komplexe Herzfehler wie komplett fehlende Herzklappen kommen vor. Manchmal hat sich auch nur eine Herzkammer statt der erforderlichen zwei Kammern gebildet. Fortschritte in der Therapie haben dazu geführt, dass viele dieser Patienten auch mit komplexen Herzfehlern das Erwachsenenalter erreichen.

Man schätzt, dass etwa 95 % der angeborenen Herzfehler heute so behandelt werden können, dass sich für viele dieser Patienten eine gute Lebensqualität und deutlich verlängerte Lebenszeiten im Vergleich zu früher erreichen lassen. Daneben gibt es aber auch Herzfehler, die, wie bei Malte, erst im Erwachsenenalter diagnostiziert werden, da sie in den ersten Lebensjahrzehnten keine Beschwerden verursachen und damit unentdeckt bleiben.

Ein Grundproblem bei angeborenen Herzfehlern ist, dass der Körper sich an diese ja seit der Geburt bestehenden Herzfehler anpassen kann. Die Patienten wachsen mit den durch die Herzfehler verursachten Veränderungen auf. Viele Patienten empfinden subjektiv keine körperliche Einschränkung und fühlen sich „gesund“. Erst bei Eintreten von Folgeschäden durch die jahrelange Mehrbelastung des Herzens, beispielsweise durch Herzrhythmusstörungen oder bei zufälligen Arztbesuchen, werden diese Herzfehler dann entdeckt.

Herzscheidewand hat Loch

Der häufigste angeborene Herzfehler ist ein Loch in der Vorhofscheidewand (Septum). Die wenige Millimeter dicke Wand trennt die Herzhöhlen des rechten Herzens von denen des linken entweder im Bereich der Vorhöfe (Atrium) oder auf Ebene der Herzkammern (Ventrikel). Ein Loch in diesen Scheidewänden kann die Herz-Kreislauf-Funktion schwerwiegend beeinträchtigen.

Dazu muss man Folgendes wissen: Das sauerstoffarme Blut aus den Körpervenen passiert den rechten Vorhof bzw. die rechte Herzkammer und wird in die Lunge gepumpt. Dort wird es mit Sauerstoff angereichert und gelangt in den linken Vorhof und in die linke Herzkammer, von wo es schließlich über die Aorta in den Körperkreislauf gepumpt wird.

Im Herzen funktionieren damit zwei Pumpsysteme, die parallel geschaltet sind. Besteht nun zwischen diesen beiden – an sich strikt getrennten Kreisläufen – eine Verbindung, vermischt sich sauerstoffreiches mit sauerstoffarmem Blut. Das kann je nach Lage der Verbindung zu einer dauernden Mehrbelastung einer Herzkammer und zur Herzschwäche führen. Prof. Dr. Horstkotte