Luise ist verwundert. Eigentlich ist ihr Mann Heiner um diese Zeit noch im Stall und füttert die Tiere. Doch an diesem Morgen kommt er fast schlurfend in die Küche hinein und klagt über Schwindel, Unwohlsein und Schwäche. Luise ist beunruhigt und hat sogleich einen Verdacht. Sie bittet ihren Mann zu lächeln. Dabei fällt ihr sogleich auf, dass sein rechter Mundwinkel nicht mitzieht, sondern leicht hängt. Als dann auch noch der rechte Händedruck ihres Mann nur schwach ausfällt, ist Luise alarmiert und verständiget sofort den Notruf unter 112. Heiner wird mit Verdacht auf einen Schlaganfall ins Krankenhaus gefahren.
Der Schlaganfall ist stets ein Notfall
Ein Schlaganfall ist immer ein Notfall. Patienten mit typischen Beschwerden gehören schnellstmöglich in ein Krankenhaus. Die medizinische Versorgung in den ersten Stunden nach einem Schlaganfall entscheidet maßgeblich über das Überleben und die spätere Lebensqualität.
Beim Schlaganfall ist die Blutzufuhr in bestimmten Regionen des Gehirns unterbrochen. Hält der Zustand an, wird das Hirn nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt. Gehirnzellen sterben ab. Betroffene entwickeln meist schlagartig einseitige Veränderungen.
Typische Anzeichen für einen Schlaganfall
Ein Schlaganfall kann unterschiedliche Symptome auslösen, die verschieden stark ausgeprägt sein können. Die Beschwerden treten dabei schlagartig auf. Besonders häufige Anzeichen sind:
- Einseitige Lähmungen von Arm oder Hand: Die Hand ist kraftlos, der Arm hängt schlaff herunter. Manchmal fühlen sie sich wie eingeschlafen, taub oder pelzig an.
- Einseitige Lähmung von Bein oder Fuß: Das betroffene Bein lässt sich nicht mehr anheben. Es kommt zum Stolpern, schlurfenden und unsicheren Gang.
- Einseitige Lähmung des Gesichts: Auffällig werden ein hängender Mundwinkel oder ungleiche Gesichtszüge beim Sprechen. Auch lässt sich das Auge auf der gelähmten Seite nicht zukneifen.
- Unverständliche Sprache: Betroffene nuscheln und sprechen verwaschen oder ihnen fehlen die richtigen Worte bzw. sie verwenden ersatzweise falsche Begriffe.
- Beeinträchtigt können auch das Sprachverständnis, das Schreiben oder Lesen sein. Ebenfalls kann das Schlucken schwierig sein.
- Sehstörungen: Plötzlich sind Betroffene oft nur kurzzeitig einseitig blind oder sie sehen doppelt bzw. verschwommen.
- Gleichgewichtsstörungen: Schwindel kann plötzlich auftreten, ebenso wie Orientierungslosigkeit.
- Extremste Kopfschmerzen: Diese weisen – außer bei Hirnblutungen – weniger häufig auf einen Schlaganfall hin.
Selten ist das Platzen einer Hirnschlagader, also eine Hirnblutung, Ursache für einen Apoplex, wie der Schlaganfall medizinisch heißt.
In 85 % der Fälle ist eine hirnversorgende Arterie durch ein Blutgerinnsel hochgradig verengt oder verschlossen. Im Fachjargon wird dieser Hirninfarkt als ischämischer Schlaganfall bezeichnet. Er ist der häufigste Grund einer im Erwachsenenalter erworbenen Behinderung.
Um einen solchen akuten Hirninfarkt bestmöglich zu versorgen, erarbeiten Experten und Wissenschaftler von Fachgesellschaften spezielle Leitlinien. Diese geben Medizinern bundesweit Entscheidungshilfen an die Hand. Jüngst wurde die Leitlinie zur Akuttherapie des ischämischen Schlaganfalls bei Erwachsenen aktualisiert. Einige wichtige Änderungen wurden auf einer Pressekonferenz der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft vorgestellt.
Schlaganfall in Stroke Unit versorgen lassen
Die wichtigste Empfehlung lautet: Alle Patienten mit einem akuten Schlaganfall sollen – unabhängig von Alter, Geschlecht sowie Schlaganfalltyp und der -schwere – auf einer Stroke Unit behandelt werden. Die Stroke Unit ist eine auf die optimale Behandlung von Patienten mit akutem Schlaganfall spezialisierte Abteilung. Hier arbeitet ein Team aus entsprechend geschulten Ärzten verschiedener Fachrichtungen und Pflegepersonal zusammen mit Physio-, Ergo- und Sprachtherapeuten sowie Sozialarbeitern.
{{::tip::standard::Über die Internetseite der Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe ist eine Auflistung der Stroke Units in Ihrer Nähe abrufbar: www.wochenblatt.com/stroke-units::}}
Bei allen Patienten mit Verdacht auf einen Schlaganfall, die sich für eine Therapie zur Wiederherstellung der Gefäßdurchblutung eignen, soll nun eine sofortige Bildgebung des Gehirns mit Computertomografen (CT) oder Magnetresonanztomografen (MRT) erfolgen. Diese Untersuchung ist wichtig, um unter anderem zwischen einer Hirnblutung und einem ischämischen Schlaganfall zu unterschieden. Das Ergebnis entscheidet über den weiteren Therapieverlauf.
Wurde der Schlaganfall durch ein Blutgerinnsel ausgelöst, das ein Gefäß verstopft, kann der Arzt mittels einer Reperfusionstherapie versuchen, das betroffene Gefäß wieder zu eröffnen. Eine solche Therapie kann medikamentös per Thrombolyse-Verfahren erfolgen oder per Kathetereingriff, Thrombektomie genannt.
Schlaganfallbehandlung in der Klinik
Bei der Thrombektomie, einem relativ neuen Verfahren, führen Ärzte über die Leiste einen Katheter an die verschlossene Stelle im Gefäß und entfernen das Gerinnsel.
Beim Thrombolyse-Verfahren erhält der Patient über eine Vene ein Medikament. Das Lyseverfahren muss allerdings schnell geschehen. Voraussetzung für den Erfolg der Therapie ist, dass sie innerhalb von viereinhalb Stunden nach Auftreten der ersten Symptome beginnt.
Neu ist nun, dass Patienten, die bei Ankunft in der Klinik das kritische Zeitintervall von 4,5 Stunden nach Symptombeginn überschritten haben, eine erweitere multimodale Bildgebung erhalten sollen. Denn je nach Befund kann noch eine spezifische Schlaganfalltherapie möglich sein, um die Durchlässigkeit der Gefäße zu erhöhen.
Was nach einem Schlaganfall gilt
Nach einem Schlaganfall können akut Störungen der Hirnfunktion auftreten, die nicht allein durch den Schlaganfall erklärt werden können. Kennzeichnend ist, dass sich über einen kurzen Zeitraum Störungen der Aufmerksamkeit und des Bewusstseins entwickeln. Diese Beeinträchtigungen sind schwankend und verändern die Wahrnehmung.
{{::tip::standard::Eine für Patienten verständliche Version der Schlaganfall-Leitlinie finden Sie unter: www.wochenblatt.com/leitlinie-schlaganfall::}}
Mediziner wie Prof. Dr. Peter A. Ringleb von der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft (DSG) sprechen dann vom Post-Stroke-Delir. Dieses betrifft im Mittel jeden vierten Schlaganfallpatienten und führt zu einer fast fünffach erhöhten Sterblichkeit, längeren Klinikaufenthalten und häufigeren Entlassungen in Pflegeeinrichtungen.
In der neuen Schlaganfall-Leitlinie wird erstmals genauer über das Post-Stroke-Delir informiert. Die Leitlinie empfiehlt dazu ein regelmäßiges Screening mit etablierten Messwerten (Scores), um frühzeitig behandeln zu können. Neben einer möglichen medikamentösen Behandlung des Delirs sieht die Leitlinie frühzeitige Maßnahmen vor, die den Patienten helfen, sich wieder zu orientieren, etwa durch Mobilisation, Kommunikation oder mittels Seh- und Hörhilfen oder schlaffördernder Maßnahmen.
{{::tip::standard::Die Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe hat das Modellprojekt „STROKE OWL – Schlaganfall-Lotsen für Ostwestfalen-Lippe“ ins Leben gerufen. Geschulte Lotsen informieren und beraten Schlaganfallpatienten und deren Angehörige, dokumentieren Behandlungen, unterstützen bei der Beantragung von Hilfsmitteln oder bei notwendigen Umbaumaßnahmen zu Hause usw. Weitere Infos dazu unter: www.wochenblatt.com/lotse-schlaganfall::}}
Änderungen sind auch in der medikamentösen Therapie zur Vorbeugung eines zweiten Schlaganfalls beschrieben. Die Leitlinie empfiehlt keine routinemäßige Kombinationsbehandlung mit Wirkstoffen zur Hemmung der Blutplättchen, wie mit Acetylsalicylsäure (ASS) plus Clopidogrel oder Ticagrelor, weil dabei das Risiko für eine schwerwiegende Blutung erhöht ist. Nur bei Patienten mit leichtem Schlaganfall oder ausgewählten Patienten nach einer TIA (siehe Warnzeichen einer TIA) kann eine Kombinationsbehandlung für einen kurzen Zeitraum von 21 bis 30 Tagen erfolgen. Patienten mit erhöhtem Blutungsrisiko sollten dagegen eine solche Kombinationstherapie nicht erhalten.
Warnzeichen eines Mini-Schlaganfalls (TIA) ernst nehmen
Einem Schlaganfall gehen nicht selten Symptome einer Durchblutungsstörung des Gehirns voraus. Dazu zählen Seh-, Hör-, Sprach- und Gleichgewichtsstörungen sowie einseitige Lähmungen im Gesicht, Arm oder Bein. Halten diese nur kurz an – in der Regel wenige Minuten, manchmal auch mehrere Stunden – sprechen Mediziner von einer Transitorischen Ischämischen Attacke, kurz TIA genannt.
Eine derartige Attacke ist ernst zu nehmen, denn nach einer solchen Episode ist die Gefahr deutlich erhöht, dass Patienten innerhalb der nächsten Tage einen Schlaganfall mit dauerhafter Behinderung erleiden. Außerdem kommt es beim Schlaganfall auf jede Sekunde an.
Daher sollte man nicht abwarten, ob die Beschwerden wieder verschwinden, sondern gleich unter dem Notruf 112 den Notarzt anrufen. Laut neuer Leitlinien sollen Patienten, die innerhalb der vergangenen 48 Stunden eine solche transitorische Attacke hatten, ebenfalls im Krankenhaus mit einer Stroke Unit behandelt werden.
Lesen Sie mehr: