Neue Techniken für Diabetiker

Insulinpumpen und kontinuierliche Blutzucker-Messsysteme können das Leben mit Diabetes erleichtern. Gleichzeitig verbessern sie die Blutzuckereinstellung und beugen gefährlichen Stoffwechsellagen vor.

Es ist wohl der Traum fast jedes insulinpflichtigen Diabetikers, sich nicht mehr mehrmals täglich stechen zu müssen, um den Blutzucker zu messen oder Insulin zu spritzen. Für beides gibt es inzwischen technische Lösungen.

Schon heute erleichtern sie das Leben mancher Diabetiker. Aber: Diese Hilfsmittel können nicht die Bauchspeicheldrüse ersetzten, die bei gesunden Menschen die bedarfsgerechte Insulinproduktion sicherstellt. Doch sie machen den Umgang mit der Krankheit komfortabler und diskreter und führen gleichzeitig zu besseren Therapieergebnissen. Was genau die neuen Geräte können und wie sie funktionieren, erklärte Diplom-Pädagogin Ute Hanke vom Herz- und Diabetes­zentrum (HDZ) NRW in Bad Oeynhausen im Rahmen einer Informationsveranstaltung.

Wer bekommt eine Pumpe?

Eine große Erleichterung für Diabetiker sind Insulinpumpen, die bereits seit den 80er-Jahren auf dem Markt sind (zur Funktionsweise von Insulinpumpen siehe Kasten). Sie ersparen zwar nicht das Pieksen zum Blutzuckermessen, wohl aber die ständigen Einstiche für die Insulingabe. Doch nicht jeder insulinpflichtige Diabetiker kann eine Insulinpumpe erhalten. Sie sind beispielsweise vorgesehen für Patienten, bei denen der Stoffwechsel auf herkömmlichem Weg schwer in den Griff zu bekommen ist, erklärt Ute Hanke.

Weiter mögliche Indikationen für eine Pumpe sind wiederkehrende, schwere Unter­zucke­rungen – sogenannte Hypo­gly­kä­mien – eine Insulinresistenz oder das Dawn-Phänomen. Davon ist die Rede, wenn früh morgens häufig sehr hohe Blutzuckerwerte gemessen werden. Auch zur Vorbereitung einer Schwangerschaft oder während der Schwangerschaft ist eine Umstellung auf Pumpentherapie denkbar. Manchmal besteht aber auch vonseiten eines Patienten der Wunsch nach einer Pumpe. Dann ist mit dem behandelnden Diabetologen und mit der Krankenkasse zu klären, ob die Umstellung auf eine Insulinpumpe infrage kommt.

Nicht geeignet ist eine Pumpe für Menschen mit schwerwiegenden psychischen Erkrankungen oder bei Drogenabhängigkeit. Es muss sichergestellt werden, dass der Patient körperlich und geistig in der Lage ist, die Pumpe zu bedienen. Denn die Therapie erfordert viel Eigenverantwortung des Patienten. Wer nicht dazu bereit ist, den Blutzuckerspiegel regelmäßig zu messen und zu dokumentieren, wird in der Regel keine Insulinpumpe erhalten.

Intelligente Systeme

Seit der Einführung hat sich die Technik der Pumpen ständig weiterentwickelt. Grundsätzlich unterscheidet sich die Pumpentherapie von der Intensivierten konventionellen Insulintherapie (ICT) dadurch, dass nur noch eine Insulinart verwendet wird. Auch die Basalrate, für die bei der ICT ein langsam wirkendes Insulin zur Anwendung kommt, wird mit einem schnell wirksamen Insulin abgedeckt.

Vorteile der Pumpe sind, neben einer kontinuierlichen Insulinabgabe, die technischen Möglichkeiten, die sie mit sich bringt. Beispielsweise speichert das Gerät die Insulingaben für eine bestimmte Zeit und kann so vor zu häufigen oder zu hohen Insulingaben bewahren. Außerdem verfügen moderne Pumpen über ein umfangreiches Alarmsystem. Es meldet ­beispielsweise, wenn die Insulinampulle leer oder der Schlauch verstopft ist.

Relativ neu auf dem Markt sind so genannte Patch Pumpen. Hier wird die Pumpe, in der sich auch das Insulin befindet, inklusive einer kleinen Kanüle, die in das Unterhautfettgewebe reicht, direkt auf die Haut geklebt. Die Pumpe lässt sich über ein Bediengerät steuern. Dieses System hat den Vorteil, dass es sehr klein ist, ohne einen Schlauch auskommt und deshalb sehr diskret zu tragen ist. Es handelt sich allerdings um eine Einwegpumpe, die alle drei Tage gewechselt werden muss, gibt Ute Hanke zu bedenken.

Glucose per Sensor messen

Eine weitere Erleichterung für Diabetiker stellen kontinuierliche Blutzucker-Messsysteme (kurz CGM für „Continuous Glucose Monitoring“) dar. Dabei sticht der Patient mit einer Setzhilfe einen Glucosesensor durch die Haut, zum Beispiel am Oberarm oder am Bauch. Darauf wird ein kleiner Sender fixiert. Dieser sendet die in der Haut gemessenen Zuckerwerte an den Empfänger, ein separates Anzeige- und Speichergerät.

Das System bietet den Vorteil, dass der Glucosewert nicht nur punktuell zu bestimmten Zeiten, sondern kontinuierlich gemessen werden kann. So lässt sich der Blutzuckerverlauf zum Beispiel auch in der Nacht gut kontrollieren, und Unterzuckerungen werden vermieden oder schnell erkannt. Dieses System ist auch in der Lage, bei zu niedrigen oder zu hohen Werten eine Warnung, akustisch oder per Vibration, zu geben.

Anwender müssen jedoch bedenken, dass hier der Gewebezucker und nicht der Blutzucker gemessen wird. Der Glucosespiegel im Gewebe steigt etwas verzögert an, also etwa 5 bis 25 Minuten später als der Blutzuckerspiegel.

Die verschiedenen CGM-Systeme unterscheiden sich zum Beispiel darin, wie lange der Sensor in der Haut getragen werden kann und wie häufig das System kalibriert, also mit konventionell gemessenen Blutzuckerwerten verglichen werden muss.

Ganz neu ist das Dexcom G5. Es kann die Daten der Glucosemessung direkt an ein IPhone senden. Sinnvoll ist das zum Beispiel bei Kindern, denn so können die Eltern die Werte gut überwachen, erklärt Ute Hanke.
Inzwischen gibt es auch einige Systeme, bei denen das CGM die Daten direkt an eine Insulinpumpe sendet. Möglich ist das zum Beispiel mit den Pumpenmodellen Animas Vibe und MiniMed 640G. Die Pumpen lassen sich aber jeweils nur mit bestimmten CGM-Systemen kombinieren.

Bevor ein Diabetiker jedoch ein CGM erhält, müssen zuvor alle anderen diabetologischen Therapieoptionen ausgereizt sein. Wenn auf diesem Weg keine zufriedenstellende Blutzuckereinstellung zu erreichen ist, kann der Arzt unter bestimmten Umständen ein CGM-System verschreiben. Der Patient muss dann die Kostenübernahme bei seiner Krankenkasse beantragen.

Blutzuckerwerte scannen

Etwas anders als die anderen Systeme arbeitet das FreeStyle libre von der Firma Abbott, das seit November 2014 auf dem Markt ist. Hier wird mit einer Stechhilfe ein Sensor am Oberarm angebracht, der dort etwa 14 Tage verbleiben kann. Mit einem Scanner, der über den Sensor gehalten wird, kann der Diabetiker seinen aktuellen Glucosewert scannen.

Verglichen mit anderen CGM-Systemen ist dieses Modell recht günstig. Das Empfangsgerät inklusive zwei Sensoren kostet 180 €. Ein Nachteil ist allerdings, dass es nicht vor einer drohenden Unterzuckerung warnen kann. Außerdem ist die Nachfrage so groß, dass es derzeit nur sehr schwer zu bekommen ist.

All diesen Neuerungen gemeinsam ist, dass sie einer intensiven Schulung bedürfen. Und sie setzen viel Eigenverantwortung des Patienten voraus. Die Geräte können zwar die Lebensqualität verbessern. Sie verringern jedoch nicht den Aufwand, den der Diabetiker für das Management seiner Krankheit in Kauf nehmen muss. Wul


Mehr zu dem Thema