Günter ist beim Arzt. Sein Blick fällt auf ein Kärtchen, das auf dem Schreibtisch steht: „Haben Sie Erektionsprobleme? Sprechen Sie mich an!“ Seit er die neuen Tabletten einnehmen muss, bleibt es tatsächlich abends meist beim Gutenachtkuss. Mehr läuft da nicht mit seiner Frau. Schade. Also fasst er sich ein Herz und spricht seinen Arzt an. Dieser stellt noch einige Fragen, und dann informiert er Günter über Tabletten, die ihm helfen können. Die Darstellung des Arztes hat wenig Ähnlichkeit mit den Viagra-Witzen, die Günter bisher in Männerrunden gehört hat.
Vier Wirkstoffe im Handel
Der offene Umgang mit dem Thema sorgt dafür, dass Potenzmittel nichts Anrüchiges mehr an sich haben. Denn wer versteht, dass die erektile Dysfunktion verbreitete Ursachen wie blutdrucksenkende Tabletten, Antidepressiva, chronische Erkrankungen wie Diabetes, Arteriosklerose oder Multiple Sklerose haben kann, der sieht auch, dass diese Probleme „ganz normale“ Paarbeziehungen bei jungen und alten Menschen betreffen.
Der biochemische Ablauf einer Erektion wird von Botenstoffen gesteuert. Siehe Kasten. Potenzmittel, die Einfluss auf diese Botenstoffe nehmen, stammen aus der Wirkstoffklasse der Phosphodiesterase-5-Hemmer (PDE-5-Hemmer). Sie umfasst Wirkstoffe wie Sildenafil (Viagra), Tadalafil (Cialis), Vardenafil (Levitra) und Avanafil (Spedra). Verschreibungspflichtig sind alle genannten Mittel. Die Kosten werden jedoch nicht von den Krankenkassen übernommen, da es sich um so genannte Lifestyle-Medikamente handelt. Seit 2013 der Patentschutz von Sildenafil und seit Ende 2107 auch der von Tadalafil abgelaufen ist, gibt es zahlreiche preiswertere Generika.
Es gibt Unterschiede
Alle PDE-5-Hemmer haben denselben Wirkungsmechanismus. Aber sie unterscheiden sich im zeitlichen Ablauf der Wirkung und den Nebenwirkungen. Avanafil beginnt bereits eine Viertelstunde nach Einnahme zu wirken, bei Sildenafil und Vardenafil dauert es etwa eine Stunde. Mit zwei Stunden benötigt Tadalafil am längsten. Dessen Wirkung hält aufgrund der langen Halbwertszeit von 17,5 Stunden bei den meisten Patienten ein bis zwei Tage an, was ihm den Spitznamen „Wochenend-Pille“ einbrachte. Eine ausgiebige Mahlzeit vor der Einnahme von Sildenafil kann den Wirkungseintritts um eine Stunde und länger verzögern, sodass es besser auf leeren Magen genommen wird. Gleichzeitiger Alkoholgenuss kann für einen gewaltigen Kater am nächsten Morgen sorgen.
Tadalafil weist weitere Besonderheiten auf. Im Bedarfsfall wird es in einer einmaligen Dosis von 10 bis 20 mg genommen, die ein Zeitfenster von etwa 36 Stunden öffnet. Im Handel sind aber auch Tabletten zu 5 mg erhältlich. Sie werden zur Konstanztherapie täglich genommen und haben die Wirkung einer einmaligen Dosis von 20mg. Diese Strategie scheint vor allem für Männer mit Durchblutungsstörungen als Ursache hilfreich zu sein. Außerdem ermöglicht sie mehr Flexibilität und Spontanität, weil die Einnahme der Tabletten nicht an den zeitnahen Geschlechtsverkehr gekoppelt sein muss. Des Weiteren sind die 5mg-Tabletten zur Therapie der gutartigen Prostatavergrößerung zugelassen, wenn alle anderen Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft sind.
Nichts ohne Nebenwirkung
Als häufigste Nebenwirkungen der Substanzklasse werden Kopfschmerzen, Sodbrennen, Gesichtsröte und eine verstopfte Nase genannt. Bei Tadalafil können zusätzlich noch häufiger Rücken- und Muskelschmerzen auftreten.
Aber Achtung: Alle vier Wirkstoffe dürfen keinesfalls von Patienten genommen werden, die wegen einer Herzerkrankung Wirkstoffe einnehmen müssen, die die Menge an Stickstoffmonoxid im Körper erhöhen wie zum Beispiel Molsidomin, ISDN oder „Nitrospray“. Wegen der ungehemmten Gefäßerweiterung kommt es bei gleichzeitiger Einnahme zu einem lebensbedrohlichen Kreislaufabfall.
Vorsicht vor Fälschungen
Jeder weiß, dass Viagra & Co. einfach über das Internet bestellt werden können. Auch wenn es illegal ist, geht das ohne Rückfragen, Beratung und Rezept. Männer sollen allerdings bedenken, dass Impotenz oft das erste Anzeichen einer ernsten Erkrankung ist. Durchblutungsstörungen zeigen sich in dieser Körperregion bereits, wenn noch kein Arzt beispielswiese das Schlaganfallrisiko erkannt hat. Außerdem ist Viagra das am häufigsten gefälschte Medikament weltweit. Von Rattenkot bis hin zu Pfefferminzpastillen, die mit Straßenlackierfarbe überzogen wurden, findet sich alles Mögliche in den gefälschten Mitteln, die über das Internet vertrieben werden. Hinter dubiosen Internetportalen steht das global vernetzte organisierte Verbrechen, das mit gefälschten Medikamenten weltweit Umsatz in Millionenhöhe macht.
Fazit: Also erst zum Arzt, dann in die Apotheke. Oder doch nicht? Alle Menschen bleiben ihr Leben lang sexuelle Wesen. Doch wie dieses Verlangen ausgelebt wird, hängt von individuellen und gesellschaftlichen Faktoren ab. Auch durch die Entdeckung der PDE-5-Hemmer soll sich niemand unter Erfolgsdruck gesetzt fühlen. Wie jeder seine Sexualität lebt, muss im Rahmen der Partnerschaft oder des Single-Daseins jeder für sich selber entscheiden.
Potenzmittel und wie sie wirken
Der biochemische Ablauf einer Erektion wird von Botenstoffen gesteuert. Das Enzym cGMP wird im Penis gebildet und stellt Stickstoffmonoxid (NO) bereit. NO sorgt im Körper für die Erweiterung von Blutgefäßen. Das spielt beispielsweise auch bei der Behandlung von Erkrankungen der Herzkranzgefäße eine Rolle. Um eine Erektion auszulösen, erweitern sich durch das NO die Blutgefäße im Penis. cGMP wird durch das Enzym Phosphodiesterase-5 wieder abgebaut. Potenzmittel aus der Wirkstoffgruppe der Phosphodiesterase-5-Hemmer drosseln diesen Abbau, sodass mehr cGMP und folglich mehr NO zur Verfügung steht. Gefäße erweitern sich verstärkt und effektiver. So kann eine Erektion trotz bestehender Störung eintreten und aufrechterhalten werden. Die Mittel wirken jedoch nicht von allein. Eine sexuelle Stimulation ist nötig.