Das SARS-CoV-2-Corona-Virus hält die Welt in Schach – und das schon seit zwei Jahren. Eine ausreichende Impfung gilt nach wie vor als das Mittel der Wahl, um das Risiko einer Ansteckung bzw. für einen schweren oder gar tödlichen Verlauf der Covid-19-Erkrankung zu minimieren.
Doch zunehmend rücken auch Corona-Medikamente ins Blickfeld. Nach Angaben des US-Biotech-Branchenverbandes Bio wird weltweit an mehr als 630 Medikamenten gegen Covid-19 geforscht. Die meisten davon seien ursprünglich schon gegen andere Krankheiten entwickelt worden, schildert der Verband der forschenden Pharma-Unternehmen in Deutschland (vfa).
Elf therapeutische Medikamente sind demnach aktuell zur Zulassung bei der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA) eingereicht bzw. bereits zugelassen worden. Jüngst hat das Medikament Paxlovid seine Zulassung erhalten. Es soll gut gegen schwere Covid-19-Verläufe wirken. Doch auch andere Medikamente lassen hoffen.
Antivirales Corona-Mittel Paxlovid
Eines vorab: Das eine Medikament gegen eine Covid-19-Erkrankung wird es nicht geben. Denn je nach Stadium und Verlauf der Erkrankung sowie möglichen Komplikationen sind Arzneistoffe mit unterschiedlichen Wirkweisen erforderlich (siehe „Wirkstoffgruppen gegen Covid-19“).
Neu entwickelt und erfolgversprechend sind derzeit antivirale Medikamente, zu denen auch „Paxlovid“ zählt. Die EU-Kommission hat im Januar eine bedingte Marktzulassung für das intrazellulär wirksame antivirale Medikament erteilt. Die EMA empfiehlt das Mittel für die Behandlung von Covid-19-Patienten im Erwachsenenalter, die keinen zusätzlichen Sauerstoff benötigen und bei denen ein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf der Erkrankung besteht.
Paxlovid zählt zur Wirkstoffklasse der Protease-Inhibitoren. Diese Wirkstoffe hemmen ganz bestimmte virale Enzyme, die der SARS-CoV-2-Erreger für den Bau seiner Viruspartikel benötigt. Das Besondere an dem Präparat ist, dass es sich als Tablette zu Hause einnehmen lässt.
Wirkstoffe in zwei Tabletten
Allerdings enthält Paxlovid zwei Wirkstoffe, die in zwei verschiedenen Tabletten einzunehmen sind. Der Wirkstoff Nirmatrelvir hemmt die Vermehrung von SARS-CoV-2, indem es ein wichtiges virales eiweißspaltendes Enzym blockiert. Das Corona-Virus benötigt dieses Enzym für die Nachbildung.
Der zweite Wirkstoff Ritonavir verhindert, dass das Medikament im menschlichen Körper zu schnell von der Leber abgebaut wird. Patienten müssen also zweimal täglich jeweils zwei Tabletten von Nirmatrelvir und eine Tablette von Ritonavir einnehmen – und das über fünf Tage hinweg.
Die von der EMA ausgewertete Studie zeigte, dass die rechtzeitige Behandlung mit Paxlovid Einweisungen ins Krankenhaus und Todesfälle bei Patienten mit mindestens einer zugrunde liegenden Erkrankung, die das Risiko für einen schweren Covid-19-Verlauf erhöht, signifikant reduzierte.
Laut Hersteller (Pfizer) senkt Paxlovid das Risiko dafür um 89 %. Wichtig ist, dass die Therapie innerhalb der ersten fünf Tage nach Symptombeginn einsetzt. Die Mehrheit der Patienten in der Studie waren mit der Delta-Variante infiziert. Die Laborergebnisse ließen aber erwarten, dass Paxlovid auch gegen Omikron und andere Varianten hilft.
Mögliche Nebenwirkungen wie ein beeinträchtigter Geschmackssinn, Durchfall, Bluthochdruck oder Muskelschmerzen sind laut EMA milde. Allerdings kann Ritonavir die Wirksamkeit anderer Arzneimittel beeinträchtigen. Erhältlich ist das Arzneimittel derweil noch nicht. Wann es auf Rezept in der Apotheke zu bekommen ist, ist derzeit noch unklar.
Wirkstoff gegen Coronavirus: Molnupiravir
Im Gegensatz dazu können niedergelassene Ärzte das oral anwendbare antivirale Medikament Molnupiravir bereits verordnen. Wie das Deutsche Ärzteblatt berichtet, soll das Arzneimittel nur bei bestimmten Konstellationen eingesetzt werden. Entscheidungskriterien sind demnach vor allem ein hohes Alter und das Vorliegen mehrerer Risikofaktoren wie Adipositas, Diabetes, chronische Niereninsuffizienz, Krebs sowie Herz- und Lungenerkrankungen.
Molnupiravir liegt ein anderer Wirkmechanismus zugrunde als Paxlovid. Der Wirkstoff Molnupiravir sorgt dafür, dass während der Vermehrung des Virus genetische Fehler eingebaut werden. Diese Viren sind dann nicht mehr überlebensfähig und können sich nicht weiter vermehren. Die Covid-19-Erkrankung ebbt somit schneller ab.
Molnupiravir sollte innerhalb von fünf Tagen nach Einsetzen von Covid-19-Symptomen eingenommen werden. Die empfohlene Dosis beträgt 800 mg (vier 200-mg-Kapseln) oral alle zwölf Stunden über fünf Tage. Schwangere und gebärfähige Frauen, die keine zuverlässige Verhütungsmethode anwenden, dürfen den Wirkstoff nicht einnehmen.
Remdesivir
Bereits seit Juli 2020 in der EU zugelassen ist Remdesivir, ursprünglich gegen das Ebolavirus entwickelt. Das ebenfalls intrazellulär wirkende antivirale Medikament wird als Infusionslösung verabreicht. Studien zeigen, dass der Wirkstoff die Genesungszeit verkürzen, ein Fortschreiten der Erkrankung verlangsamen sowie vor schweren Covid-19-Verläufen schützen kann. Auch gegen die Virusvariante Omikron soll es wirken.
Antivirale Antikörper gegen Coronavirus
Neben diesen antiviralen Medikamenten, die die Vermehrung des Virus in der menschlichen Zelle unterbinden können, stehen im frühen Stadium der Infektion antivirale Antikörper zur Verfügung. Sie wirken, indem sie die SARS-CoV-2-Viren abfangen, ehe diese in die menschliche Zelle eindringen können.
Normalerweise bildet unser Körper Antikörper nach einer Impfung oder Infektion. Antikörper lassen sich aber auch biotechnologisch herstellen. In der Therapie gegen das SARS-CoV-2-Virus können sie an bestimmte Oberflächenstrukturen des Corona-Virus – den Spike-Proteinen – andocken. Auf diese Weise verringert sich die Fähigkeit des Virus, in menschliche Zellen einzudringen. Damit soll dessen Ausbreitung verhindert und die Viruslast möglichst niedrig gehalten werden.
Drei solcher künstlich erzeugter Antikörper-Medikamente sind in der EU durch eine Notfallzulassung bereits zugelassen. Dabei handelt es sich um das Kombinationspräparat mit den Wirkstoffen Casirivimab und Imdevimab (Handelsname Renopreve) sowie um Regdanvimab (Regkirona) und den monoklonalen Antikörper Sotrovimab.
Gemeinsam ist allen drei Präparaten, dass sie nur bei Patienten mit leichten bis mittleren Covid-19-Symptomen zum Einsatz kommen. Voraussetzung ist allerdings, dass die Patienten noch keine externe Sauerstoffzufuhr benötigen, aber ein erhöhtes Risiko für einen schweren Covid-19-Verlauf haben, wie etwa Diabetiker und stark Übergewichtige.
Sofern diese Antikörper-Therapien bereits in einer sehr frühen Erkrankungsphase eingesetzt werden, könnten sie einem schweren Verlauf von Covid-19 entgegenwirken. Doch das Omikron-Virus ist gegenüber früheren Varianten deutlich verändert. Somit können Antikörper – körpereigene oder als Medikament verabreichte – die Infektion nicht mehr so gut bekämpfen. Gegen die derzeit vorherrschende Virusvariante Omikron hat das Kombinationspräparat mit den Wirkstoffen Casirivimab und Imdevimab an Wirkung verloren, wie es etwa im Deutschen Ärzteblatt steht.
Was gegen Omikron hilft
Studien zufolge wirke aber der in der EU bereits zugelassene Antikörper Sotrovimab gegen die derzeit vorherrschende Virusvariante. Sotrovimab empfiehlt auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und zwar bedingt bei mildem oder moderatem Covid-19-Verlauf und einem sehr hohen Risiko für eine Krankenhauseinweisung.
Der monoklonale Antikörper kann ebenfalls an bestimmten Oberflächenstrukturen des Corona-Virus andocken. Er hat eine Langzeitwirkung und wird nur einmal gespritzt. Allerdings muss Sotrovimab möglichst früh verabreicht werden, bis fünf Tage nach Auftreten der ersten Symptome einer Corona-Infektion.
Der Antikörper ist für die frühzeitige Behandlung von Covid-19 bei Erwachsenen und Jugendlichen ab zwölf Jahren mit mindestens 40 kg Körpergewicht zugelassen, wenn sie keine externe Sauerstoffzufuhr benötigen, jedoch ein erhöhtes Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf haben. So profitieren insbesondere Personen mit Adipositas, Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder immunsupprimierte Patienten von dem Antikörper.
Nach ärztlicher Beratung kann das Medikament laut Robert-Koch-Institut (RKI) auch Schwangeren verabreicht werden. Sotrovimab soll sich ebenfalls für Nicht-Geimpfte eignen und Menschen, die trotz Impfung keine Antikörper aufbauen können.
Immundämpfende Medikamente
Eine Covid-19-Erkrankung kann dazu führen, dass das Immunsystem überreagiert. In der Folge kann es zu schweren Entzündungsreaktionen in der Lunge und anderen Organen kommen. Nimmt eine Covid-19-Infektion einen solch schweren Verlauf, werden immundämpfende Medikamente verabreicht.
- Bereits seit 2020 zugelassen ist der Entzündungshemmer Dexamethason, ein Cortison-Derivat. Laut Studie senkt das Mittel das Sterberisiko für Patienten mit Sauerstoffbedarf oder künstlicher Beatmung um ein Fünftel bzw. ein Drittel.
- Weitere Wirkstoffe wie Tocilizumab oder Anakinras sind im Dezember in der EU zugelassen worden.
- Für den Wirkstoff Baricitinib, das noch im Zulassungsverfahren steckt, hat die WHO eine starke Empfehlung für Covid-19-Patienten mit schwerem und kritischen Verlauf ausgesprochen. Es soll mit Kortikosteroiden kombiniert werden.
Fazit
Derzeit wird viel zu Medikamenten gegen eine Covid-19-Erkrankung geforscht. Die Produktion bereits zugelassener Covid-19-Medikamente läuft teilweise erst an. Je nach Wirkstoff ist auch mit Neben- und Wechselwirkungen oder Anwendungseinschränkungen zu rechnen. Die Datenlage dazu ist bislang noch jung. Vor einer Infektion mit schwerem Verlauf dürften daher in der Regel Impfungen besser schützen als derzeit jedes Medikament.
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