Mehr noch als vor Glyphosat fürchten sich Verbraucher vor Mikroplastik in Lebensmitteln. Die Angst davor rangiert bei der Sorge um gesundheitliche Verbraucherthemen auf Platz eins. Das zeigt der Verbrauchermonitor 2022 des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR). Wie viel Mikroplastik tatsächlich in Lebensmitteln steckt, ist allerdings weitgehend unbekannt, erklärt das BfR. Das liegt vor allem daran, dass Mikroplastik mit herkömmlichen Methoden nur schwer zu analysieren ist.
Es kann über die Luft, Meer-, Süß- und Grundwasser seinen Weg in die Nahrung finden. In Trinkwasser, Bier, Honig, Muscheln, Krebsen oder Salz wurde bereits Mikroplastik nachgewiesen. Auch im Magen-Darm-Trakt von Fischen wurde es gefunden. Dieser wird in der Regel nicht mitgegessen. Unklar ist, ob das Plastik auch in die essbaren Teile der Fische wandert.
Mikroplastik in Trinkwasser
Dass Mineralwasser – aus Glasflaschen ebenso wie aus Kunststoffflaschen – Mikroplastik enthält, hat das Bayrische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit nachgewiesen. Selbst in Leitungswasser ist es enthalten. Kläranlagen können es zu mehr als 95 % aus dem Wasser herausfiltern, schätzen Forscher des Fraunhofer Instituts für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik (Umsicht). In einer Analyse aus dem Jahr 2017 fanden sich durchschnittlich zweieinhalb mikroskopisch kleinste Teilchen in einem Liter Wasser. Eine Gefahr für die Gesundheit gehe von dieser Menge nicht aus, so die Einschätzung des Umweltbundesamtes.
Es schwebt in der Luft
Auch in der Luft findet sich Mikroplastik. Die Teilchen werden eingeatmet, und sie lagern sich ab und können auf diese Weise ins Essen geraten. Wie hoch die Belastung in der Luft genau ist, weiß man nicht. Bekannt ist, dass es Unterschiede gibt zwischen Innen- und Außenluft sowie zwischen Städten und ländlichen Regionen. In der Außenluft ist Reifenabrieb die Hauptquelle für Mikroplastik-Emissionen, schreibt die Verbraucherzentrale NRW. In Innenräumen gelangen vor allem Fasern und Partikel durch Abrieb von Textilien und Möbeln in die Luft.
Welche Bedeutung die Belastung der Luft hat, zeigt ein Vergleich: Forscher schätzen die Aufnahme von Mikroplastik durch den Verzehr von Muscheln je nach Region auf 123 bis 4620 Partikel pro Kopf und Jahr. Durch synthetische Fasern, die auf eine Mahlzeit rieseln, nimmt der Mensch vermutlich 14 000 bis 68 000 Partikel pro Kopf und Jahr auf.
Für Aufsehen sorgte eine Studie der MedUni Wien. Demnach landen im Schnitt pro Kopf und Woche 5 g Plastik im menschlichen Magen-Darm-Trakt. Das entspricht etwa dem Gewicht einer Kreditkarte. In welchem Ausmaß die Partikel in das Gewebe und ins Blut gelangen, ist nicht bekannt. Nach Einschätzung der europäischen Lebensmittelbehörde EFSA ist es sehr wahrscheinlich, dass nur Partikel mit einer Größe unter 1,5 µm im Körper verteilt werden können.
Im Blut nachgewiesen
Im März wiesen Forscher der Vrije Universiteit Amsterdam erstmals Mikroplastik im menschlichen Blut nach. Die Menge entsprach etwa einem Teelöffeln in 1000 l Wasser. Unklar ist, welche Auswirkungen das auf den Organismus hat.
In Zellen von Haut, Lunge und Leber können nur Partikel eindringen, die kleiner als 1 µm sind, hat das Umweltbundesamt herausgefunden. Im Gewebe können die Teilchen Entzündungsreaktionen hervorrufen – allerdings erst bei sehr hohen Konzentrationen. Entzündungen wiederum könnten die Krebsentstehung begünstigen oder Immunreaktionen auslösen. Aber auch dazu gibt es bis heute nur Vermutungen.
Begleitstoffe
Manche Kunststoffteilchen enthalten sogenannte Additive, von denen möglicherweise eine größere Gesundheitsgefahr ausgeht als vom Mikroplastik selbst. Additive sind zum Beispiel Weichmacher oder Farbstoffe, die dem Kunststoff bei der Herstellung beigefügt wurden.
Darüber hinaus ist bekannt, dass sich Umweltschadstoffe an Plastikpartikel anlagern, zum Beispiel polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK). Möglich ist auch, dass Mikroorganismen wie Bakterien oder Viren einen Biofilm um die kleinsten Plastikpartikel bilden. Auch diese können gesundheitsschädlich sein.
Noch viel Forschung nötig
Bisher geht das BfR davon aus, dass von Mikroplastik in Lebensmitteln keine Gesundheitsgefahr ausgeht. Ähnlich sieht es die Weltgesundheitsorganisation (WHO) in Bezug auf Trinkwasser. Das BfR schränkt jedoch ein, dass schon vergleichsweise geringe Konzentrationen – über den Magen-Darm-Trakt aufgenommen oder eingeatmet – für Kleinkinder und empfindliche Personen „relevant“ sein könnten. Um das Risiko abschließend beurteilen zu können, müssen aber noch viel mehr Daten vorliegen.
Mikroplastik in KosmetikaIn einigen Kosmetikprodukten wird Mikroplastik bewusst eingesetzt. In Duschgel oder Peelings soll damit eine schonende Reinigung erreicht werden. Das BfR hält es derzeit für unwahrscheinlich, dass davon ein gesundheitliches Risiko für Verbraucher ausgeht. Bei vorhersehbarem Gebrauch der Produkte sei eine Aufnahme über eine gesunde, intakte Haut nicht zu erwarten.
Wer dennoch kein Mikroplastik in Duschgel und Co möchte, muss genau hinschauen. Sind bei den Inhaltsstoffen „Polyethylen“ (PE), „Polypropylen“ (PP), „Polyamid“ (PA) oder „Polyethylenterephtalat“ (PET) aufgelistet, ist Mikroplastik enthalten. Doch die Liste ist noch länger. Hilfreich sind Apps, die Mikroplastik in Kosmetika aufspüren, wie die App
ToxFox vom Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND).
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