Sex ist die schönste Nebensache der Welt, heißt es. Wenn es im Bett aber nicht mehr klappt, kann diese Nebensache zu einem Problem werden, das die Lebensqualität stark einschränkt. Viele Diabetiker leiden still und heimlich unter einem unerfüllten Liebesleben. Denn sexuelle Funktionsstörungen treten bei Diabetikern viel häufiger auf als bei der gesunden Bevölkerung. Aus Scham vertrauen sie sich aber niemandem an. Dabei gibt es gute Möglichkeiten, Betroffenen wieder zu einem erfüllenden Sexualleben zu verhelfen.
Jeder zweite Diabetiker ist betroffen
Als sexuelle Funktionsstörung (SFS) bezeichnen Mediziner die Unfähigkeit auf sexuelle Stimulation eine entsprechende Reaktion zu erzielen und aufrechtzuerhalten, um einen erfüllten Orgasmus zu erleben. Während etwa 32 % der gesunden Männer an SFS leiden, sind es bei Männern mit Typ-2-Diabetes 46 %. Von den gesunden Frauen sind etwa 25 bis 63 % betroffen. Bei Frauen mit Typ-1-Diabetes sind es 71 %, bei Typ-2-Diabetikerinnen 42 %.
Vermutet wird eine hohe Dunkelziffer. Prof. Dr. Thomas Haak, Chefarzt am Diabetes Zentrum Mergentheim, schätzt, dass etwa jeder zweite Diabetiker betroffen ist. Die Gefahr steigt mit zunehmender Diabetesdauer und bei schlechter Blutzuckereinstellung.
Gleitgel hilft vielen Frauen
Häufige Probleme bei Frauen sind:
- Libidostörung: Störung des sexuellen Verlangens,
- Vulvodynie: Brennen, Schmerzen und Juckreiz im Bereich der äußeren Geschlechtsorgane,
- Lubrikationsstörungen: Störung der sexuellen Erregung und Scheidentrockenheit,
- Dyspareunie: Schmerzen beim Geschlechtsverkehr,
- Infektionen, zum Beispiel Pilzinfektionen der Scheide.
Bei der Behandlung geht es zunächst darum, Infektionen auszuschließen oder zu behandeln. Ursache für die Beschwerden kann auch ein hormonelles Ungleichgewicht sein, das mit hormonhaltigen Gels oder Cremes behandelt werden kann. Ansonsten sind Gleitmittel eine gute Hilfe für Frauen, die unter SFS leiden, sagt Prof. Haak. In seltenen Fällen kann auch eine Elektrostimulationshilfe zum Einsatz kommen. Sie verbessert die Sensibilität und stärkt den Beckenboden.
Medikamente für den Mann
Beim Mann spielt neben möglichen Infektionen im Genitalbereich vor allem die erektile Dysfunktion eine große Rolle. Auch in diesem Fall ist zunächst zu klären, ob es neben dem Diabetes andere Ursachen gibt. Prof. Haak empfiehlt, den Testosteronspiegel bestimmen zu lassen, denn nicht selten ist ein Testosteronmangel ursächlich für die Störung. Dieser lässt sich gut behandeln.
Häufig ist jedoch die Diabeteserkrankung verantwortlich für die Probleme. Hohe Blutzuckerwerte führen zu Schäden an Nerven und Blutgefäßen. Das kann beispielsweise zur Folge haben, dass beim Geschlechtsverkehr der Bluteinstrom in den Penis gestört ist.
Erektionsstörungen lassen sich gut medikamentös mit sogenannten PDE-5-Hemmern behandeln. Sie sind in Deutschland nur auf Rezept zu bekommen. Zugelassen sind die Wirkstoffe Sildenafil, Tadalafil, Vardenafil und Avanafil. Die Mittel sind auch über das Internet erhältlich. Eine Rücksprache mit dem Arzt ist aber auf jeden Fall zu empfehlen. Bei der Wahl des Medikaments sollten Männer auf die Wirkdauer achten, die je nach Medikament zwischen vier und 24 Stunden liegt. Denn auch die möglichen Nebenwirkungen, wie Kopfschmerzen, verstopfte Nase, Hautrötungen oder Sodbrennen, halten für die gesamte Wirkdauer an.
Mechanische Erektionshilfen
Daneben gibt es mechanische Erektionshilfen, wie die Vakuumpumpe. Damit lässt sich vor dem Geschlechtsverkehr durch Unterdruck eine Erektion aufbauen. Bei der sogenannten Penis-Prothese wird in einem operativen Eingriff ein Flüssigkeitsreservoir am Schambein angelegt. Daraus kann vor dem Geschlechtsverkehr Flüssigkeit in den Bereich der Schwellkörper gepumpt werden. Dieser Eingriff ist aufwendig und selten nötig. Die meisten Männer, die unter Erektionsproblemen leiden, kommen mit PDE-5-Hemmern gut zurecht, erklärt Prof. Haak.
Neben diesen Maßnahmen kann eine Änderung des Lebensstils helfen, SFS in den Griff zu bekommen. Das bedeutet: Übergewicht abbauen und Bewegung in den Alltag bringen. Nicht weniger wichtig ist eine intakte Partnerschaft. Unter Umständen kann es sinnvoll sein, psychologische Hilfe oder eine Paartherapie in Anspruch zu nehmen.
Die Scham überwinden
Die größte Hemmschwelle bei der Behandlung ist allerdings die Scham. Vielen Betroffenen ist es unangenehm, mit ihrem Arzt darüber zu sprechen. Am Ende einer Sprechstunde fehlt häufig die Zeit, auf dieses sensible Thema einzugehen. Deshalb empfiehlt Prof. Haak, den Arzt gleich zu Beginn darauf anzusprechen. Dann kann dieses Problem entweder zum Schwerpunkt der Sprechstunde gemacht werden oder es wird dafür ein neuer Termin vereinbart. Sinnvoll ist zudem, neben dem Diabetologen auch einen Gynäkologen bzw. Urologen hinzuzuziehen.
Die schlechteste Alternative ist jedoch, sich stillschweigend mit den Beschwerden abzufinden. Das schränkt nicht nur die eigene Lebensqualität ein, sondern auch die des Partners.
Den Beschwerden vorbeugen
Die beste Möglichkeit, diabetesbedingten sexuellen Funktionsstörungen vorzubeugen, ist eine gute Blutzuckereinstellung. Damit lassen sich Schäden an Gefäßen und Nervensystem reduzieren. Genauso wichtig ist jedoch die körperliche Fitness. Durch sportliche Aktivität kann Kraft und Koordinationsfähigkeit möglichst lange erhalten werden, sagt Prof. Dr. Thomas Haak.
Infektionen im Genitalbereich lassen sich am besten durch eine sorgfältige Hygiene vermeiden. Dazu zählen regelmäßiges Händewaschen und Duschen sowie die Verwendung von hautschonenden, rückfettenden Badezusätzen. Zur Reinigung des weiblichen Genitalbereichs eignen sich Babyöltücher. Auf antiseptische Substanzen sollte verzichtet werden.
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