Bauchspeicheldrüse

Etwas an der Bauchspeicheldrüse

Alfons Peters hat noch einmal Glück im Unglück. Ein Zufallsbefund bewahrt ihn vor einer bösartigen Tumorerkrankung der Bauchspeicheldrüse. Jetzt lebt er ohne Pankreas, allerdings mit Einschränkungen.

Es ist der 23. März – ein besonderes Datum für Alfons Peters und seine Frau Maria. An diesem Tag hat das Ehepaar goldene Hochzeit. Doch eine Feier findet nicht statt. Stattdessen unterzieht sich Alfons Peters einer sechsstündigen komplexen Operation im Herz-Jesu-Krankenhaus Münster-Hiltrup. Hier entfernen ihm Prof. Dr. Daniel Palmes und sein Team die Bauchspeicheldrüse.

Alfons Peters hat eine Form von schleimbildenden zystischen Tumoren in der Bauchspeicheldrüse, die im weiteren Verlauf der Erkrankung bösartig entarten können. „Wir haben den Eingriff als Geschenk angesehen“, sagt Alfons Peters. Und das obwohl er lange Zeit brauchte, um sich von dem Eingriff zu erholen und er seitdem noch körperlich eingeschränkt ist. Doch der radikale Eingriff bewahrte ihn vor Schlimmerem.

Keine Beschwerden trotz kranker Bauchspeicheldrüse

„Zystische Veränderungen in der Bauchspeicheldrüse sind vergleichsweise selten, werden aber immer häufiger entdeckt“, erklärt Viszeralchirurg Palmes. Es wird davon ausgegangen, dass etwa 2,5 % in der Bevölkerung betroffen sind. Dabei gibt es über 15 unterschiedliche Arten von Zysten im Pankreas, wie die Bauchspeicheldrüse im Fachjargon heißt. Einige entwickeln sich als Folge einer Entzündung des Organs. Sie werden dann als Pseudozysten bezeichnet und sind meist harmlos.

Anders sieht das bei schleimbildenden, also muzinösen Formen zystischer Tumoren der Bauchspeicheldrüse aus, wie Alfons Peters sie hat. Entdeckt werden derartige Ver-änderungen oft zufällig bei Un-tersuchungen, die aufgrund einer anderen Fragestellung oder alsCheck-up gemacht werden, da sie meistens keine Beschwerden verursachen. So war es auch bei dem passionierten Hobbyjäger.

„Ende 2018 hat man bei mir Prostatakrebs festgestellt. Ich erhielt eine umfangreiche Strahlentherapie und ließ dann im St. Franziskushospital Münster eine Knochenzintigrafie erstellen“, berichtet der 73-Jährige. Knochenmetastasen finden die Radiologen Gott sei Dank nicht, dafür aber etwas Auffälliges im Bereich der Bauchspeicheldrüse. Gutartige, zystische Tumore. Zur weiteren Diagnostik wird Alfons Peters von Prof. Dr. Bernhard Glasbrenner von der Inneren Medizin des Krankenhauses untersucht.

Und tatsächlich: Im Rahmen einer speziellen endoskopischen Ultraschalluntersuchung während einer Magenspiegelung, der Endosonografie, sowie Schichtbildaufnahmen im Computertomografen (CT) und Magnetresonanztomografen (MRT) erhärtet sich der Verdacht. Eine Punktion des Pankreasgewebes mit anschließender Untersuchung der gewonnenen Flüssigkeit und Zellen bestätigt die Diagnose des Gastroenterologen. Alfons Peters hat eine Intradukale papillär muzinöse Neoplasie, kurz IPMN. Vereinfacht ausgedrückt heißt das so viel wie innerhalb eines Drüsenganges gelegenes warzenförmiges, schleimbildendes neu gebildetes Körpergewebe.

Zystische Veränderungen in der Bauchspeicheldrüse

Die meisten Menschen erkranken an einer IPMN im Alter zwischen 60 und 80 Jahren. Dabei finden die zystischen Veränderungen ihren Ursprung in den Gängen des Pankreas, sodass zwischen Seitgang-, Hauptgang-IPMN und einem gemischten Typ unterschieden wird. Verursacht der zähflüssige Schleim einen Sekretstau, kann das zu gürtelförmig ausstrahlenden Schmerzen und einer akuten Bauchspeicheldrüsenentzündung führen.

Nicht selten sind auch ein Gallenstau, der sich durch Gelbsucht, Stuhlentfärbung und dunklen Urin bemerkbar macht. Erkrankte haben wenig Appetit, verlieren an Gewicht und fühlen sich müde. „Wird durch die Zyste der Hauptgang im Pankreas erweitert, ist das in der Regel ein besorgniserregender Befund“, erklärt Prof. Dr. Palmes. Patienten mit dieser Diagnose, so wie Alfons Peters, müssen engmaschig kontrolliert werden.

Anfang März steht für Alfons Peters wieder ein solcher Kontrolltermin an. Doch diesmal schlagen die Ärzte Alarm. In der Tumorkonferenz, in der seit Anfang des Jahres die Experten der gastroenterologischen und chirurgischen Kliniken des St. Franziskus-Hospitals Münster und des Herz-Jesu-Krankenhauses Hiltrup zusammenarbeiten, sind sich die Ärzte einig: Es besteht sofortiger Handlungsbedarf.

Der Eingriff an der Bauchspeicheldrüse ist komplex

Den Eingriff an der Bauchspeicheldrüse übernimmt Prof. Dr. Daniel Palmes. „Bis zur nächsten Kon­trolluntersuchung in einem halben Jahr hätten wir nicht warten können. Die Ampel stand sozusagen auf gelb“, sagt der erfahrene Bauchchirurg mit Schwerpunkt Leber, Galle, Pankreas. „Die Operation wurde notwendig, weil sich das zystisch veränderte Gewebe auf die gesamte Bauchspeicheldrüse ausgedehnt hatte“, begründet Viszeralchirurg Palmes die vollständige Entfernung des Pankreas.

Operationen wie diese zählen zu den größten und komplexesten Eingriffen im Bauchraum. In der Regel dauert solch ein Eingriff fünf bis sechs Stunden und sollte von erfahrenen Spezialisten durchgeführt werden. Normalerweise verbleiben die Patienten zwei Wochen im Krankenhaus. Weil sich durch die Entnahme des Pankreas die Anatomie im Bauchraum ändert, muss sich die Verdauung anschließend erst wieder einspielen.

„Meist dauert es einige Tage, bis die Darmperistaltik wieder einsetzt und durch die Bewegungen des Darmes der Speisebrei durchmischt und weiterbefördert werden kann“, erklärt Prof. Dr. Palmes. Patienten fehlt es oft an Appetit, sie verlieren an Gewicht. Manche müssen zeitweise über die Vene ernährt werden.

Ernährungsberatung nach Bauchspeicheldrüsen-OP nötig

„Bringen Patienten bereits Vorerkrankungen oder Risikofaktoren mit, ist die Gefahr von Komplikationen größer“, erläutert der Bauchchirurg. So ist es auch bei Alfons Peters. „Bei mir wurden im Nachgang des Eingriffs auch noch Herzrhythmusstörungen mit Vorhofflimmern festgestellt“, erzählt der Rentner. Die Genesungsphase dauert länger.

„Die ersten Wochen nach der OP konnte ich nur im Rollstuhl gefahren werden. Ich fühlte mich lange schlapp und ­kaputt“, erzählt er. Inzwischen ist er zwar noch in seiner Mobilität eingeschränkt, geht am Rollator, hat den Pflegegrad II, kehrt jedoch Schritt für Schritt ins Leben zurück.

Im Juli bekommt Alfons Peters die Möglichkeit, einen stationären Aufenthalt in einer Rehaklinik anzutreten. Diesen lehnt er jedoch aufgrund einer schweren Krebserkrankung seiner Frau ab. In jedem Fall aber ist eine regelmäßige Nachsorge notwendig. Die beginnt schon im Krankenhaus direkt nach der Operation mit einer intensiven Patientenschulung und Ernährungsberatung.

Diese Unterstützung ist auch unverzichtbar, denn die Entfernung der gesamten Bauchspeicheldrüse nimmt starken Einfluss auf die Verdauung und Lebensqualität. Regelmäßig muss Alfons Peters zu den Mahlzeiten nun Enzymkapseln einnehmen, die für die Verdauung von Fetten, Kohlenhydraten und Eiweiß erforderlich sind (siehe Kasten „Pankreas“). Außerdem ist er jetzt Diabetiker und muss mehrmals täglich Insulin spritzen. „Sicher ist das lästig“, sagt Alfons Peters dazu, „aber Krebs zu haben wäre schlimmer gewesen.“

Die Bauchspeicheldrüse, auch als Pankreas bezeichnet, befindet sich im oberen Bauchraum querliegend zwischen Magen und Wirbelsäule. Sie produziert ­jeden Tag etwa 1 bis 1,5 l Bauchspeichel. Dieser enthält lebenswichtige Enzyme, die für die Verdauung von Fett, Eiweißkörpern und Kohlenhydraten notwendig sind. Werden diese Enzyme nicht in ausreichender Menge produziert, lassen sich die Nahrungsbestandteile nicht mehr richtig verdauen. Erkrankte nehmen an Gewicht ab und werden langfristig nicht ausreichend mit den fettlös­lichen Vitaminen A, D, E und K ­versorgt. Außerdem werden im Pankreas die Hormone Insulin und Glukagon gebildet, die den Blut­zucker­spiegel regulieren. Ist diese Funktion gestört, so kann das zu Diabetes führen.

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