Beim Gang durch die Supermarktregale wird deutlich: An Lebensmitteln mangelt es nicht. Selbst während des Corona-Shutdowns musste niemand in Deutschland Hunger leiden. Lebensmittel sind mehr als genug da, so viel, dass vieles schließlich im Abfall landet.
In anderen Teilen der Welt sieht das anders aus. Die Welthungerhilfe schätzt, dass weltweit rund 822 Mio. Menschen hungern, 2 Mrd. leiden an Mangelernährung. Es gelingt also schon heute nicht, die aktuell rund 7,8 Mrd. Menschen auf der Erde satt zu bekommen. Wie soll das möglich sein, wenn bis zum Jahr 2050 voraussichtlich knapp 10 Mrd. Menschen den Globus bevölkern? Durch die Erderwärmung infolge des Klimawandels geht Jahr für Jahr wertvolle Anbaufläche verloren.
Einfluss des Essens auf das Kima
In Zukunft kommt es deshalb darauf an, den Klimawandel zu stoppen und die vorhandenen Ressourcen besser, effektiver, aber auch schonender zu nutzen. Dafür muss sich nicht nur die Produktionsweise von Lebensmitteln ändern. Wir werden auch nicht umhin kommen, unser Ernährungsverhalten umzustellen.
Genaue Zahlen, wie hoch der Einfluss der Ernährung auf das Klima ist, sind schwer zu ermitteln. Schätzungen zufolge ist das Essen in Deutschland für etwa 15 % der Treibhausgasemissionen verantwortlich, sagt Tobias Engelmann vom isun, Institut für Nachhaltige Ernährung an der Fachhochschule Münster. Nach Berechnungen des Mathematikers Manuel Klarmann, Gründer eines Start-ups in der Schweiz, das CO2-Bilanzen von Essen berechnet, ist der Einfluss noch größer. Demnach geht ein Drittel aller Treibhausgase und 70 % des Trinkwasserverbrauchs auf das Konto der Lebensmittelproduktion, erklärt er in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung. Um die Erderwärmung auf 2 °C zu beschränken, müssten sich diese Werte in Deutschland bis 2030 halbieren, sagt Klarmann.
Vom Anbau bis zur Verschwendung von Lebensmitteln
Nach Angaben des Bundeszentrums für Ernährung (BZfE) verursacht jeder in Deutschland lebende Mensch durch sein Essen jährlich Treibhausgase, die der Emission von gut 2 t CO2 entsprechen. Etwa 45 % davon entstehen bei der Erzeugung und Produktion der Lebensmittel. Nur die Lebensmittelproduktion in den Blick zu nehmen, greift also zu kurz. Wie klimaschädlich unsere Ernährung ist, hängt von vielen weiteren Faktoren ab, wie Transport, Lagerung, Verpackung, Zubereitung und nicht zuletzt von der Menge an Lebensmitteln, die im Müll landet statt auf dem Teller.
Was bedeutet das jetzt für den Einkauf von Lebensmitteln? Welche sind besonders klimaschädlich, welche nicht? Diese Frage ist nicht einfach zu beantworten. Es kommt eben nicht nur auf das Produkt selbst an. Die Sache ist komplexer. Außerdem gibt es – zumindest bisher – kaum verlässliche Siegel oder Label, die ein Lebensmittel als besonders klimafreundlich kennzeichnen. Dennoch können Verbraucher ihren Beitrag leisten. Anregungen dazu finden Sie hier.
An einer Forderung scheint aber kein Weg vorbeizugehen: Essen Sie weniger Fleisch! „Tatsächlich tragen tierische Lebensmittel am meisten zur CO2-Bilanz unserer Ernährung bei“, sagt Prof. Carola Strassner von der Fachhochschule Münster, Expertin für nachhaltige Ernährung und Ernährungsökologie. Tatsache ist, dass die Deutschen zu viel Fleisch essen. Sowohl die Deutsche Gesellschaft für Ernährung als auch die Planetary Health Diet empfehlen eine Menge von rund 300 bis 600 g Fleisch pro Woche. „Das halte ich für vernünftig“, sagt Prof. Strassner.
Lebensmitteltransport wird bei der Klimabilanz überschätzt
Doch ein Schnitzel ist nicht per se schlecht und ein Apfel nicht per se gut. Entscheidend ist, wie etwas produziert wird und auf welchem Weg es auf den Teller gelangt. Das klimaschädlichste Transportmittel ist mit großem Abstand das Flugzeug. Pro Kilogramm transportiertem Lebensmittel entstehen bei einem Flugtransport bis zu 170-mal mehr klimawirksame Treibhausgase als bei einem Schiffstransport. „Ein voll beladenes Schiff oder ein voll beladener Lkw kann dagegen, bezogen auf das einzelne Produkt, eine verhältnismäßig gute Klimabilanz aufweisen“, erklärt Prof. Carola Strassner. Auch Tobias Engelmann ist überzeugt: „Der Anteil des Lebensmitteltransports an den Treibhausgasen wird tendenziell eher überschätzt.
Dennoch empfiehlt er, auf Flugware nach Möglichkeit zu verzichten. Für den Verbraucher ist in der Regel zwar nicht ersichtlich, auf welchem Weg ein Lebensmittel vom Ursprungsort in den Handel gelangt ist. Es gibt aber Produkte, die mit hoher Wahrscheinlichkeit per Flugzeug transportiert wurden. Dazu gehören zum Beispiel:
- frischer Fisch aus afrikanischen Ländern,
- frisches Gemüse aus Ost- und Westafrika,
- frische Erdbeeren aus Ägypten,
- frisches Obst aus Uganda,
- frische Ananas aus afrikanischen Ländern.
Eine Lösung, um weite Transportwege zu vermeiden, können saisonale, regionale Produkte sein. Allein damit lässt sich die Ernährung in der Praxis aber nur mit viel Umstellung und Aufwand realisieren. „Das ist möglich, aber ich glaube, so weit sind wir als Gesellschaft noch nicht“, meint Prof. Strassner.
Für die Klimabilanz am wichtigsten ist jedoch unter Umständen die sogenannte „last mile“ (letze Meile), also der Weg vom Laden bis in den Haushalt. „Solange wir regelmäßig mit dem Auto einkaufen, machen wir die Klimabilanz eines jeden Lebensmittels zunichte“, sagt Prof. Strassner.
Fleischverzicht fällt vielen Menschen schwer
Grundsätzlich sind zumindest die Europäer dazu bereit, ihre Ernährung nachhaltiger zu gestalten. Das ergab eine Umfrage des Europäischen Verbraucherverbands BEUC, bei der im Herbst vergangenen Jahres über 11 000 Konsumenten aus elf europäischen Ländern, darunter auch Deutschland, online zu ihrer Einstellung zu nachhaltigen Lebensmitteln befragt wurden.
Zwei Drittel der Befragten wären demnach offen dafür, ihre Ernährungsgewohnheiten zum Schutz von Umwelt und Klima zu ändern. Sie würden mehr saisonales Obst und Gemüse kaufen (60 %), weniger Lebensmittel verschwenden (66 %) und mehr pflanzliche Produkte essen (45 %).
Der Fleischverzicht hingegen würde vielen schwerfallen. Nur jeder Dritte wäre bereit, den Konsum von rotem Fleisch, wie Rind und Schwein, einzuschränken. Auf Milchprodukte würde nur jeder Fünfte häufiger zugunsten des Klimas verzichten.
App zum Klimacheck wäre wünchenswert
Selbst wenn das zunächst nur Lippenbekenntnisse sind, zeigt es doch, dass Menschen offen für das Thema sind. Jetzt sind die Akteure auf allen Ebenen der Lebensmittelkette gefragt, dem Verbrauchern leicht verständliche Informationen zu liefern und ihn durch mehr Transparenz in seiner Bereitschaft zum Klimaschutz zu unterstützen. Hilfreich dafür wären zum Beispiel zuverlässige Label oder Apps, mit denen sich der CO2-Fußabdruck eines Lebensmittels schnell überprüfen ließe.