Das Tagesmenü, Nudeln oder vielleicht ein Salat? Die Schüler der Team-Schule in Drensteinfurt, Kreis Warendorf, haben die Wahl. Karin Hackenesch, Leiterin der Schulküche, und ihr Team ergänzen das Standard-Menü, das angeliefert wird, durch ein frisches Salatbuffet, eine Nudelbar oder auch Pizzen.
So viel Auswahl und frisch zubereitete Speisen sind an Schulen und Kitas in NRW nicht selbstverständlich. Allzu oft scheitern die Einrichtungen an finanziellen oder organisatorischen Hürden. Manchmal fehlt aber auch jemand, der sich mit Herzblut um eine gute Verpflegung kümmert.
Verbindliche Mindeststandards gibt es nicht
Konkrete Vorgaben für das Kita- und Schulessen gibt es in NRW kaum, sagt Natacha Thomassin von der Vernetzungsstelle Kita- und Schulverpflegung NRW. An Ganztagsschulen muss es zwar ein Essensangebot geben. Wie die Verpflegung gestaltet wird, entscheidet aber jede Einrichtung für sich. Auch bezüglich der Qualität gibt es weder für Kitas noch für Schulen in NRW – im Gegensatz zu einigen anderen Bundesländern – verbindliche Mindeststandards.
So läuft die Verpflegung
Etwa 1,5 Mio. Kinder nehmen in Kitas und Schulen in NRW am Mittagessen teil. Für die Gestaltung und Qualität der Verpflegung sind die Träger der Einrichtungen verantwortlich. Eltern zahlen für das Essen in der Kita rund 2,50 €, in der Schule etwa zwischen 3 € und 3,50 €. Damit ist nur ein Teil der Kosten gedeckt. Die Finanzierung der restlichen Kosten ist unterschiedlich geregelt. Einen Teil davon übernimmt meist der Träger bzw. die Kommune. Unterstützt werden die Kommunen dabei durch verschiedene finanzielle Förderungen des Landes.
Wissenschaftler empfehlen kostenfreies Essen nach DGE-Standards
Wenn es nach dem Wissenschaftlichen Beirat für Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlichen Verbraucherschutz (WBAE) geht, soll sich das ändern. In ihrem Gutachten „Politik für eine nachhaltigere Ernährung“ empfiehlt der WBAE „die Einführung einer qualitativ hochwertigen und beitragsfreien Kita- und Schulverpflegung“. Die Wissenschaftler fordern nicht nur eine für die Eltern kostenlose Verpflegung. Auch das Angebot, die Ernährungsumgebung sowie die Ernährungsbildung sollen verbessert werden.
Über diese Forderungen haben wir mit verschiedenen Akteuren gesprochen. Einig sind sich alle darin, dass die Qualität verbessert werden muss. Vorgaben dazu liefert die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) mit ihren Qualitätsstandards für die Verpflegung in Kitas bzw. für die Schulverpflegung. Der WBAE empfiehlt, diese verpflichtend einzuführen.
Alle Beteiligten ins Boot holen, vor allem die Kinder
Natacha Thomassin begrüßt diese Forderung, gibt jedoch zu bedenken: „Verbindlichkeiten sind nicht alles.“ Die Standards müssten in den Einrichtungen auch gelebt werden. Dabei gelte es, alle Beteiligten mit ins Boot zu holen, also Leitung, Lehrer, Erzieher, Eltern, Caterer, das hauswirtschaftliche Personal und, ganz wichtig, die Kinder.
In den Kitas ist das Mittagessen inzwischen ein fester Bestandteil des Kitaalltags. Im Jahr 2019 nahmen 79 % der drei- bis sechsjährigen Kinder in NRW am Mittagstisch teil. In den meisten Schulen ist der Anteil der Kinder, die dort essen, viel geringer. Kann ein beitragsfreies Mittagessen daran etwas ändern?
Erzieher und Lehrer nicht ausreichend qualifiziert
Natacha Thomassin sieht darin allein keine Lösung. Nicht nur das Angebot müsse stimmen, sondern auch die Ernährungsbildung und eine gelebte Anbindung von Kita- und Schulverpflegung gehörten dazu. Dafür fehle es den Lehrern und Erziehern häufig an Qualifikation. In ihrer Ausbildung kommen die Themen Ernährung und Ernährungsbildung kaum vor.
Karin Hackenesch von der Team-Schule würde es grundsätzlich begrüßen, wenn die Verpflegung kostenlos angeboten werden würde. „Dann gäbe es keine Klassenunterschiede mehr“, sagt sie. Jedes Kind könnte dann am Mittagessen teilnehmen. Über Förderprogramme für einkommensschwache Familien ist das zwar auch schon jetzt möglich. Sie stellt aber fest, dass einige Eltern sich nicht darum kümmern, ob und was ihre Kinder mittags essen.
Wertschätzung für das Essen wäre in Gefahr
Anderer Meinung ist Cornelia Langreck aus Rheda-Wiedenbrück. Die Landfrau engagiert sich seit Jahren für Ernährungsbildung in den Schulen. Bei einem beitragsfreien Essen fürchtet sie um die Wertschätzung. „Was nichts kostet, ist nichts wert“, könnten Eltern und Schüler denken.
Sie fordert, mehr in Ernährungsbildung zu investieren. Dafür stehen beispielsweise Landfrauen, die sich zur Fachfrau für Ernährungs- und Verbraucherbildung qualifiziert haben, bereit. Sie gehen bereits jetzt mit verschiedenen Projekten in die Schulen.
Damit allein ist es aber nicht getan. Cornelia Langreck fordert, dass Ernährungsbildung an den Schulen gelebt wird und Kinder lernen, Lebensmittel wertzuschätzen. Beispielsweise sollten alle Schulen eine Schulküche haben, aber auch dafür sorgen, dass dort Leben einkehrt, zum Beispiel über Arbeitsgemeinschaften oder den offenen Ganztag.
In dem Gutachten des WBAE findet Cornelia Langreck viele Forderungen der Landfrauen wieder, wie die Orientierung an den DGE-Standards. Was ihr jedoch fehlt, ist die ökonomische Sicht. Das Gutachten stellt Berechnungen zur Finanzierung einer beitragsfreien Kita- und Schulverpflegung an. Keine Berücksichtigung findet aber eine faire Entlohnung der Erzeuger. Eines der Ziele des Gutachtens ist schließlich ein Mehr an Tierwohl. Das aber führt zu höheren Kosten, auch für die Schulverpflegung.
Jetzt dran bleiben, damit sich etwas ändert
Wie aber geht es nach dem Gutachten nun weiter? Aus dem NRW-Landwirtschaftsministerium heißt es dazu, dass das Gutachten mit dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft sowie mit den anderen Bundesländern zunächst fachlich diskutiert werde. Ob es – wie es der WBAE von den Bundesländern fordert – Pilotstudien zur staatlich finanzierten Kita- und Schulverpflegung geben wird, könne noch nicht beurteilt werden.
Bleibt also zu hoffen, dass die Empfehlungen der Wissenschaftler nicht im Sande verlaufen. Letztlich hängt das aber auch vom Engagement der Einrichtungen und der Eltern ab.
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