Kinder, die ihre Haltung verlieren

Infektionen, Krankheiten und Fehlstellungen an den Knochen: Ein Kinderarzt hat immer auch die Körperhaltung seiner jungen Patienten im Blick.

Niklas ist vier Jahre alt und geht in die Kindertagesstätte. Bei den feuchtkalten Temperaturen reißt die Erkältungswelle bei den Kinder nicht ab.

Niklas hat fast ständig Schnupfen, hustet öfter und hat gelegentlich auch Fieber. Nach einer normalen Nacht weckt die Mutter ihn und möchte mit ihm ins Badezimmer gehen. Doch Niklas beginnt sofort zu weinen, als er sein rechtes Bein belastet. Er humpelt erbärmlich und will dann gar nicht mehr laufen. Er klagt über starke Schmerzen im Bereich der Leiste, des Oberschenkels und des Knies. Die Untersuchung beim Kinderarzt ergibt Schmerzen bei Bewegung des rechten Hüftgelenks.

Hüftschnupfen heilt aus

Der Arzt veranlasst eine Ultraschalluntersuchung des Hüftgelenks. Diese zeigt einen Gelenkerguss und bestätigt den Anfangsverdacht: Hüftschnupfen (Coxitis fugax). Dahinter steckt eine Entzündung des Hüftgelenks, die typischerweise kurz nach einem viralen Infekt auftritt, harmlos verläuft und spontan ausheilt. Besonders häufig sind Jungen im Alter zwischen vier und sieben Jahren betroffen. Niklas erhält Ibuprofen als schmerzstillendes und entzündungshemmendes Medikament. Und nach ein paar Tagen ist er wieder beschwerdefrei.

Hinter den beschriebenen Beschwerden kann sich aber auch eine bakterielle eitrige Arthritis verbergen. Bei dieser schwerwiegenden Erkrankung des Hüftgelenks wird das Gelenk sofort punktiert und eine Antibiotikatherapie eingeleitet.

Meist erfolgt neben einer Ultraschalluntersuchung auch eine Röntgenaufnahme des Hüftgelenks. Außerdem werden die Entzündungswerte im Blut bestimmt. Kinder mit einer bakteriellen Infektion im Hüftgelenk haben nicht nur stark erhöhte Entzündungswerte und einen Erguss im Gelenk. Sie fiebern auch und haben geschwollene Lymphknoten. Ihr Allgemeinzustand ist stark beeinträchtigt.

Hüftkopf droht sich zu lösen

Einen Hüftkopfabrutsch erleiden überwiegend männliche, übergewichtige Jugendliche im Alter ab neun Jahren. Eine akut auftretende Hüftkopfablösung (Epiphysiolysis capitis femoris) schmerzt stark und muss sofort operativ behandelt werden. Die Diagnose wird durch eine Röntgenuntersuchung des Hüftgelenks gestellt.

Auch der Morbus Perthes ist eine orthopädische Kinderkrankheit, die bevorzugt Jungen betrifft. Meist sind diese zwischen fünf und acht Jahre alt. Bei der Erkrankung ist die Durchblutung des Hüftkopfes gestört. Dies führt dazu, dass Knochengewebe ein- oder beidseitig abstirbt. Das Kind hat Schmerzen beim Gehen oder hinkt. Im Rahmen sportlicher Aktivitäten kann der Hüftkopf sogar abbrechen, was einen operativen Eingriff notwendig macht.

In vielen Fällen aber kann die Erkrankung über Jahre ausheilen, wenn das Hüftgelenk entlastet wird. Das Kind muss dann bei längeren Wegstrecken einen Rollstuhl und bei kurzen Wegen eine Gehstütze benutzen. Notwendig ist auch Physiotherapie. Wichtig ist, dass Hüftkopf und Hüftpfanne trotz der Erkrankung erhalten bleiben und dauerhaft gut ineinandergreifen.

Probleme mit dem Rücken

Wachstumsbedingte Veränderungen der Wirbelsäule werden oft im Rahmen der Jugenduntersuchung J1 gefunden. Ein ungleichmäßiges Wachstums der Wirbelkörper zu Keilwirbeln führt meistens im Brustbereich zum Rundrücken und ist typisch für die Scheuermann’sche Krankheit. Die Ursache dafür ist unklar, eine familiäre Veranlagung spielt jedoch eine Rolle.

Diagnostiziert wird die Erkrankung durch eine Röntgenuntersuchung der Wirbelsäule. In den meisten Fällen reicht eine physiotherapeutische Behandlung aus, um Schmerzen zu beseitigen und weitere Deformierungen der Wirbelsäule zu verhindern. Eine aufrechte Haltung im Alltag sollte im Rahmen einer Rückenschule gezielt geübt werden. Sportarten, die einen Rundrücken begünstigen, wie beispielsweise Radsport, sind nicht empfehlenswert.

Skoliose macht krumm

Häufig macht sich erst in der Pubertät eine Seitverbiegung und Drehung der Wirbelsäule um die eigene Achse bemerkbar. Eine solche Skoliose entsteht vor allem während eines ungleichmäßigen Wachstumsschubes in der Pubertät und tritt häufiger bei Mädchen auf. Es kann sein, dass die Rückenmuskulatur und auch die knöchernen Strukturen etwas asymmetrisch wachsen und dadurch Zugkräfte auf die Wirbelsäule wirken. Bei etwa 90 % der Skoliosen bleibt die Ursache unbekannt.

Beim Blick auf den Rücken zeigen sich typischerweise ein Schulterhochstand mit Rippenbuckel auf der einen und Rippental auf der anderen Seite. Eine Skoliose kann sich im Rahmen des Wachstums wieder ausgleichen. Ab einem gemessenen Winkel von mehr als 10 Grad wird Physiotherapie empfohlen, um die Rückenmuskulatur zu stärken. Ist die Wirbelsäule mehr als 20 Grad verbogen, kann es notwendig sein, ein Korsett anzupassen, damit die Wirbelsäule „entkrümmt“ und „entdreht“ werden kann. Solch eine Therapie ist sehr eingreifend und über mehrere Jahre durchzuführen. Bei schweren Skolioseformen mit Krümmungswinkeln von mehr als 40 Grad wird operiert, damit nicht innere Organe wie Herz und Lunge in Mitleidenschaft gezogen werden. Dr.med. Schulze Everding