Herzkrank – erblich bedingt

Genetische Veränderungen können zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen führen. Sie betreffen oft Fettstoffwechsel, Herzmuskel und Herzrhythmus. Folgende Krankheiten können über Generationen weiter gegeben werden.

Lange bevor der elterliche Hof oder das Ersparte der Tante geerbt werden, hat jeder Mensch bereits ein ganz persönliches Erbe angetreten.

Schon vor seiner Geburt hat er die Hälfte der Gen-Kopien seiner Mutter und die Hälfte der Gen-Kopien seines Vaters geerbt. Varianten in diesen Gen-Kopien führen dann dazu, dass bestimmte Merkmale wie zum Beispiel die Haarfarbe oder Statur oftmals erkennen lassen, von welchem Elternteil die entsprechende Eigenschaft geerbt wurde. Dieses ist beim Menschen prinzipiell nicht anders als bei der Nutzpflanze.

Mendel’sche Regeln

So hatte der österreichische Augustinermönch und Naturforscher Gregor Mendel schon Mitte des 19. Jahrhunderts die wesentlichen Erbgänge aufklären können. Dieses gelang ihm im klösterlichen Garten anhand tausender Kreuzungsversuche mit rot- und weißblühenden Erbsenpflanzen, und führte zur Formulierung der allgemein bekannten Mendel’schen Regeln.

Eine davon besagt, dass die von der einen Elternpflanze geerbte genetische Information „rotblühend“ sich gegenüber der von der anderen Elternpflanze geerbte „weißblühend“ durchsetzen kann, sie also dominiert. Daher blüht diese Erbsenpflanze rot, obwohl sie beide Erbinformationen besitzt und jede gleichermaßen an ihre Nachkommen weiter geben kann. Dieser Mendel’sche Erbgang spielt auch im medizinischen Bereich eine wichtige Rolle.

Denn ein Großteil der genetisch bedingten Herzerkrankungen wird „autosomal dominant“ vererbt. Hierbei genügt es also, wenn die mütterlich oder die väterlich geerbte Gen-Kopie einen Fehler – eine so genannte Mutation– aufweist. Wann und wie schwer die damit verbundene Erkrankung dann auftritt, hängt oftmals von weiteren Faktoren wie dem Lebensstil oder zufälligen Krankheitsauslösern ab.

Folgenschwere Genfehler

  • Zu den häufigsten genetisch bedingten Erkrankungen des Menschen zählen Störungen des Fettstoffwechsels, insbesondere stark erhöhte Cholesterinwerte. Liegen diese im Bereich von 270 mg/dl oder höher, so muss von einer genetisch bedingten Hypercholesterinämie ausgegangen werden. Hierbei führt eine Mutation dazu, dass das Cholesterin aus dem Blut nicht mehr ausreichend in die Zellen aufgenommen werden kann. Infolge dessen sind die Blutfettwerte viel zu hoch und stellen ein wesentliches Risiko für den Verschluss von Schlagadern, insbesondere Herzkranzgefääen und somit letztlich den Herzinfarkt dar.
  • Andere genetisch bedingte Herzerkrankungen betreffen den Herzmuskel unmittelbar, wie die hypertrophe Kardiomyopathie. Dabei kann es in verschiedenen Bereichen des Herzmuskels zu einer Verdickung kommen. In der Echokardiografie, der Ultraschalluntersuchung des Herzens, ist meistens eine Verdickung der Herzwand der linken Kammer von über 12 Millimetern zu erkennen. Sofern dieses nicht durch intensives sportliches Training oder einen langjährigen Bluthochdruck bedingt ist, lässt sich eine genetische Ursache annehmen. Je nach Lage und Ausmaß der Verdickung kann der Blutfluss im Herzen behindert werden, eine zunehmende Herzmuskelschwäche entstehen, oder ein plötzlicher Herztod drohen.
  • Auch „Einlagerungen“ von Eiweißsubstanzen in den Herzmuskel können einen Gendefekt als Ursache haben. Manchmal sind sie dem Krankheitsbild einer hypertrophen Kardiomyopathie täuschend ähnlich. Teilweise sind diese Gendefekte heute heilbar, wie beispielsweise der Morbus Fabry. Dabei handelt es sich um einen erblich bedingten Enzymmangel, bei dem der Abbau bestimmter Fette gestört ist oder gar nicht stattfindet. Die Fette lagern sich dann auch in Muskelzellen der Blutgefäße an. Heute lässt sich durch eine medikamentöse Behandlung der Enzymmangel ausgleichen.
  • Die dilatative Kardiomyopathie, die häufigste Form der Herzmuskelerkrankung, kann ebenfalls genetisch bedingt sein. In dem Fall sind die Herzkammern erweitert (dilatiert) und das Herz insgesamt vergrößert, was sich echokardiografisch nachweisen lässt. Unbehandelt führt dies zu fortschreitender Herzmuskelschwäche. Sie ist die häufigste genetisch Ursache für Herztransplantationen.
  • Auch Herzrhythmusstörungen können genetisch bedingt sein. Dazu zählen beispielsweise jene Störungen, bei denen Herzmuskelzellen fortschreitend durch Fett- und Bindegewebszellen ersetzt werden wie bei der arrhythmogenen rechtsventrikulären Kardiomyopathie (ARVC/D).

Ähnlich wie beim Brugada Syndrom liegt beim Long-QT-Syndrom eine Mutation in denjenigen Genen vor, die den korrekten Bauplan für das elektrische Reizleitungssystem des Herzens bereitstellen. Hinweise auf genetisch bedingte Rhythmusstörungen können Schwindelanfälle, Bewusstlosigkeit oder ein überlebter ‚plötzlicher Herztod‘ geben. Neben diesen Symptomen tragen oftmals typische Veränderungen im Elektrokardiogramm (EKG) zur Diagnosestellung bei.

Gendiagnostik

Heutzutage gehört es zur Routinediagnostik, die genetische Ursache für erblich bedingte Herzerkrankungen aufzuklären. Hierzu genügt eine kleine Blutprobe. Gelingt es im genetischen Labor die krankheitsverursachende Mutation zu finden, kann dies dabei helfen, das weitere Risiko abzuschätzen, ein geeignetes Medikament auszuwählen oder beispielsweise die Implantation eines automatischen Defibrillators in Erwägung zu ziehen. Nicht zuletzt können daraus Empfehlungen zum Lebensstil resultieren oder der Rat an Verwandte, sich ebenfalls kardiologisch-genetisch untersuchen zu lassen. Dr. Horstkotte