Herzkrank auf Flugreisen

Sommerzeit ist Reisezeit. Ferne Ziele sind mit dem Flugzeug schnell zu erreichen. Doch nicht jeder Herzpatient ist flugtauglich.

Zur Goldhochzeit im August haben Hans und Hilde von ihrem Sohn Thomas eine Reise nach Kanada geschenkt bekommen.

Thomas und seine kanadische Frau Catherine haben dort eine Rinderfarm und sind seit 20 Jahren erfolgreiche Ackerbauern. Den knapp neunstündigen Flug von Frankfurt nach Toronto haben die Eltern in den letzten Jahren schon mehrfach unternommen und trotz ihrer mehr als 75 Jahren keine Bedenken gehabt.

Jetzt aber ist alles anders gekommen. Hilde musste nach einem Sturz kurz vor Ostern für einige Wochen einen Fußgips tragen. Hinzu kam eine tiefe Beinvenenthrombose. Seither wird sie mit einem gerinnungshemmenden Medikament behandelt. Hans erlitt im Mai einen Herzinfarkt, nachdem er schon mehrere Tage an- und abschwellende Brustschmerzen verspürt hatte. In der Klinik konnte das verschlossene Kranzgefäß rasch wiedereröffnet werden; aber eine Pumpfunktionsstörung der Hinterwand ist auch am Ende der Zeit in der Rehabilitationsklinik noch nachweisbar.

Flugmedizinisch beraten

Auf die Kanadareise angesprochen äußern die behandelnden Ärzte von Hans und Hilde eher Bedenken. Auch ihr langjähriger Hausarzt ist unsicher und empfiehlt schließlich eine Beratung in einem Herzzentrum mit flugmedizinischer Sprechstunde. Dort werden sie beraten und erfahren unter anderem folgendes:
Reiseflugzeuge bewegen sich in einer Höhe von ca. 12.000 m bei Außentemperaturen von etwa -55°C – ohne Druckkabinen eine tödliche Umgebung.

Die Druckkabinen von Flugzeugen erzeugen Bedingungen, wie sie auf 1800 bis 2400 m hohen Bergen bestehen. Der Gehalt an Sauerstoff (O2) in 2400 m Höhe beträgt nur noch 80% des Sauerstoffgehalts auf Meereshöhe. Für Menschen mit gesundem Herz und gesunder Lunge stellt dies kein ernsthaftes Problem dar.

Um den Mangel an Sauerstoff auszugleichen, steigen Atem- und Pulsfrequenz an. Das Herz arbeitet mehr und der Herzmuskel verbraucht zusätzlich Sauerstoff. Die Folge ist ein vermehrter Blutdurchfluss durch die Herzkranzgefäße. Diese Blutgefäße umgeben das Herz kranzförmig und werden auch Koronargefäße genannt.

Verengte Herzkranzgefäße

Bei Patienten mit stark verengten Koronargefäßen lässt sich der Blutfluss jedoch häufig nicht ausreichend steigern. Es kann zu kritischen Durchblutungsstörungen im Herzen kommen mit den typischen Beschwerden einer Angina-pectoris. Die Sauertoffmangelversorgung äußert sich unter anderem durch Druck- und Engegefühl sowie Schmerzen hinter dem Brustbein, die in andere Körperregionen ausstrahlen können. Auch Schwere- und Taubheitsgefühle, plötzliche Atemnot, Übelkeit, Erbrechen, Schweißausbrüche und Angstzustände können auftreten.

Zusätzlich ist in der Höhe die Muskulatur des rechten Herzens belastet, da der Druck in der Lunge ansteigt und das rechte Herz vermehrt Druckarbeit leisten muss. Patienten mit einem Lungenhochdruck oder einer Pumpschwäche der rechten Herzkammer sollten sich deshalb vor Flügen immer fachärztlich beraten lassen. Insbesondere bei langen Flugreisen besteht ein gewisses Risiko der Blutgerinnselbildung in den Bein und Beckengefäßen.

Ursache ist langes Sitzen mit Abknicken von Venen der Beine und Abnahme des Blutrückflusses zum Herzen. Hinzu kommt ein „Eindicken“ des Blutes aufgrund der sehr geringen Luftfeuchtigkeit in der Passagierkabine von Flugzeugen. Über die Atemluft verliert der Körper dann zusätzlich Wasser. Besonders gefährdet sind Patienten, die bereits Embolien oder Thrombosen durchgemacht haben. Betroffen sind aber auch Patienten mit Tumorerkrankungen sowie angeborenen oder erworbenen Gerinnungsstörungen.

Für Hans und Hilde hat sich der Gang in die Sprechstunde gelohnt. Die Ärztin sichtet die Vorbefunde der beiden und sieht keine Bedenken bezüglich des Fluges nach Kanada. Bei Hans sind nach der Aufweitung des Infarktgefäßes keine weiteren Einengungen verblieben und der Infarkt liegt ausreichend lang zurück. Hilde soll beim Flug Stützstrümpfe tragen und Muskelübungen mit den Beinen und Armen machen oder ein wenig umher gehen. Beiden gibt sie den Tipp, während des Fluges viel zu trinken – aber keinen Alkohol. Prof. Dr. Horstkotte