Das Alter ist relativ

Dem Leben sind biologische Grenzen gesetzt. Doch ab wann gilt ein Mensch als alt? Und was beeinflusst den Alterungsprozess?

Fragt man kleine Kinder für wie alt sie eine Person halten, wird aus einem Erwachsenen mittleren Alters schnell eine Oma oder ein Opa. Das Lebensalter einer fremden Person richtig einzuschätzen, fällt auch Erwachsenen oft schwer.

Sind es die grauen Haare, die Falten im Gesicht, die Altersflecken auf der Haut, die Haltung oder der Gang, die auf das Alter hinweisen? Haarfärbemittel und Kosmetika lassen heutzutage Haare und Haut um Jahre jünger erscheinen. Auch der Lebensstil hat Einfluss auf Altersprozesse und kann Alterserscheinungen beschleunigen bzw. verlangsamen. Wann aber gilt ein Mensch als alt?

Mit 65 Jahren ist man alt

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) definiert das Alter mit einem Stichtag. Ein Mensch gilt als alt, wenn er das 65. Lebensjahr vollendet hat. Für diese Definition wird das kalendarische bzw. chronologische Alter, das die Lebensdauer eines Menschen zu einem bestimmten Zeitpunkt seines Lebens kennzeichnet, herangezogen.

Im Gegensatz dazu gibt es auch eine andere Interpretation. „Man ist so alt, wie man sich fühlt“ – ist häufig zu hören. Damit ist das biologische Alter gemeint. Es informiert über bestimmte äußere Merkmale bzw. funktionelle Eigenschaften und sagt etwas über den aktuellen Gesundheitszustand und die Belastbarkeit eines Menschen aus.

Im Internet sind auf verschiedenen Portalen Tests zu finden, mit deren Hilfe sich das Alter ermitteln lassen soll. Tatsächlich aber stellen die Ergebnisse der Fragen nur dar, wie vital sich ein Mensch im Vergleich zu einer als normal definierten Testgruppe einschätzt. Somit können die Ergebnisse nur Anhaltspunkte geben.

Altern ist ein individueller Prozess. Jeder Mensch altert anders, wobei neben seinem Erbgut und Geschlecht auch äußere Einflüsse der Lebensführung das Alter beeinflussen. Die meisten Menschen erreichen ein Maximum ihrer geistigen und körperlichen Leistungsfähigkeit individuell unterschiedlich zwischen dem 15. und 30. Lebensjahr. Nach diesem Maximum lassen diese Fähigkeiten allmählich nach. Allerdings ist gerade im Bereich der geistigen Funktionen ein Wissens- oder gar Weisheitszuwachs bis in das hochbetagte Alter möglich.

Wann und warum wir altern

Es gibt eine Vielzahl unterschiedlicher Theorien über den Alterungsprozess. Die Zusammenhänge sind kompliziert, indes lassen sich keine einfachen Antworten auf die Frage „Warum wir altern“ geben. Grundsätzlich wird zwischen inneren Ursachen der Alterung (primäres Altern) und äußeren Ursachen (sekundäres Altern) unterschieden.

Die Theorie des inneren Alterns geht davon aus, dass der Alterungsprozess primär genetisch bestimmt ist und unbeirrbar wie ein Uhrwerk abläuft. Telomertheorie führt die inneren Ursachen des primären Alterns auf eine endliche Zahl von Zellteilungen zurück, die schließlich über Funktionsstörungen von Gewebe und Organen das Ende der körperlichen Existenz bedingt.

Die äußeren Ursachen der Alterung zielen auf unterschiedlich begründete „Abnutzungstheorien“, wie Abnutzungs- und Verschleißprozesse des menschlichen Körpers. Es wird behauptet, dass eine gesunde Lebensweise positive und eine ungesunde Lebensweise negative Auswirkungen auf das biologische und letztendlich kalendarische Alter hat. Wie schnell ein Mensch altert, hängt demnach auch von seiner Lebensweise ab.

So beeinflussen etwa Faktoren wie Rauchen, übermäßiger Alkoholkonsum oder häufige Sonnenbäder das menschliche Alter eher negativ. Gesundes Essen, Sport und Bewegung wirken sich demnach eher positiv auf den Alterungsprozess aus. Was aber ist normales Altern und was ist Krankheit?

Die Antwort hierauf fällt nicht leicht. Alter bedeutet nicht zwangsläufig Krankheit. Aber die Wahrscheinlichkeit krank zu werden, wird mit zunehmendem Alter und gelebten Jahren größer. Das Risiko für typische Alterserkrankungen wie beispielsweise Gelenkverschleiß, Knochenbrüche bei Osteoporose sowie Einschränkungen der Herz- oder Nierenfunktion steigt.

Noch lange aktiv sein

Altern ist ebenfalls von psychosozialen Aspekten abhängig. Von Bedeutung ist auch, ob ältere Menschen ein sozial aktives Leben führen und in diesem Rahmen eine entsprechend aktive Teilhabe an familiären oder gesellschaftlichen Prozessen haben oder nicht. In früheren Jahren war es gesellschaftlich oft akzeptiert, wenn sich ältere Menschen ins Privatleben zurückzogen. Heute und auch künftig sind immer mehr ältere Menschen glücklich und zufrieden, wenn sie aktiv sein können und das berechtigte Gefühl verspüren, noch gebraucht zu werden. Dr. med. Norbert Bradtke