Mediensucht

Daddeln, bis Mama kommt

Der digitale Fortschritt macht vielen Eltern Angst. Sie sorgen sich um ihr Kind, wenn es stundenlang surft, chattet oder Onlinespiele spielt. Manchmal ist diese Sorge berechtigt. Es lohnt sich genau hinzuschauen.

Eltern und Kinder leben heute in verschiedenen Welten. Was sich in den vergangenen 25 Jahren im Bereich elektronischer Medien getan hat, lässt sich gut und gerne als Revolution bezeichnen. Der Kinder- und Jugendpsychiater Dr. Thomas Bickhoff aus Münster bringt es auf den Punkt: „Wer vor 1990 geboren ist, lebt gedanklich in einer anderen Welt.“ Die Elterngeneration ist noch ohne Smartphone, Onlinespiele und soziale Netzwerke wie Facebook und Twitter aufgewachsen. Für ihre Kinder hingegen ist ein Leben ohne diese Dinge nicht vorstellbar. Weil sich die Zeit nicht zurückdrehen lässt, müssen Eltern lernen, sich in der medialen Welt zu bewegen – nicht zuletzt, um ihre Kinder in dieser Welt begleiten und schützen zu können. Denn das Internet bietet zweifellos viele Vorteile. Es birgt aber auch Risiken.

Belohnung macht süchtig

Viele Eltern sehen in erster Linie die Zeit, die das Kind mit dem Smartphone oder der Spielekonsole verbringt, als Problem. Weniger schauen sie darauf, was ihr Kind dort eigentlich macht. Gerade das ist aber wichtig. Nur so können sie beurteilen, ob zum Beispiel ein bestimmtes Computerspiel für das Kind geeignet ist oder nicht. Wer seinem Kind völlig freien Internetzugang gewährt, nimmt in Kauf, dass es theoretisch Zugang zu allen Spielen hat. Deshalb ist es sinnvoll, an den Geräten eine Kindersicherung einzurichten, um den Zugang zu bestimmten Inhalten zu sperren.

Eine gewisse Orientierungshilfe bieten die Altersempfehlungen, die für die meisten Spiele herausgegeben werden. Eltern sollten sich aber nicht blind darauf verlassen. Problematisch sind viele Spiele allein deshalb, weil sie ein hohes Suchtpotenzial bergen. Denn die meisten dieser Spiele arbeiten mit Belohnungen. Der Spieler erhält zum Beispiel eine Belohnung, wenn er ein nächsthöheres Level erreicht.

Suchtmerkmale erkennen

Wann aber wird das Spielen zum Problem? Eine Studie aus dem vergangenen Jahr zeigt, dass etwa 8 % der 14- bis 18-jährigen Schüler Suchtmerkmale im Umgang mit PC und Onlinenutzung zeigen. Dr. Thomas Bickhoff erklärt, was Suchtmerkmale sein können:

  • Das Kind hat ein starkes Verlangen, am Computer zu spielen.
  • Es hat keine Kontrolle über die Spieldauer und ist unfähig, diese zu reduzieren.
  • Es zeigt Entzugserscheinungen, wenn es nicht spielen kann.
  • Das Kind verbringt schleichend immer mehr Zeit mit dem Spielen.
  • Es vernachlässigt andere Inte­ressen und Freunde.
  • Es spielt, obwohl das Spielen schädliche Folgen hat, zum Beispiel Schlafmangel.

Kritisch wird es, wenn das Kind durch das Spielen bereits massiv in seinem Leben beeinträchtigt wird. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn es sich völlig aus dem realen Leben zurückzieht oder die Schule verweigert.

Hilfe in Anspruch nehmen

In solchen Fällen ist es sinnvoll, wenn Eltern professionelle Hilfe in Anspruch nehmen. Häufig bestehen neben der Internetsucht auch andere Probleme. Viele dieser Kinder oder Jugendlichen leiden zusätzlich unter Depressionen. Dabei ist oft nicht gleich ersichtlich, ob die Internetsucht Auslöser für die Depression ist oder umgekehrt. Denn nicht selten flüchten sich Kinder in die mediale Welt, um den Schwierigkeiten in der realen Welt zu entkommen.

Obwohl eine Internetsucht bei Kindern und Jugendlichen eher die Ausnahme ist, sind Eltern oft verunsichert. Prof. Dr. Rainer Thomasius, Ärztlicher Leiter des Deutschen Zentrums für Suchtfragen des Kindes- und Jugendalters, rät:

  • Entfernen Sie den Computer aus dem Kinderzimmer.
  • Erstellen Sie einen Wochenplan für die geplanten Onlinesitzungen, mit Soll- und Ist-Zeiten sowie Inhalten.
  • Schränken Sie die Onlinezeiten bzw. -inhalte ein, ohne völligen Verzicht zu fordern.
  • Finden Sie gemeinsam mit dem Kind ein neues Hobby oder frischen Sie ein altes wieder auf.
  • Hinterfragen Sie, was das Kind im Internet sucht und warum dies in der Realität nicht umsetzbar ist.

Eltern müssen dranbleiben

Festzuhalten bleibt, dass digitale Medien und damit auch die Computerspiele uns in Zukunft immer weiter beschäftigen werden. Es macht also keinen Sinn, sich davor zu verschließen. Auch wenn es manchen Eltern schwerfällt, sich in der digitalen Welt zurechtzufinden, sollten sie nicht den Kopf in den Sand stecken. Lassen Sie sich von den Kindern zeigen, was sie im Internet machen, was sie daran fasziniert und wie es geht. Nehmen Sie sich aber auch Zeit für andere Aktivitäten mit den Kindern, ganz ohne Smartphone und Konsole.

Den ausführlichen Beitrag mit kurzen Beschreibungen beliebter Spiele und Links für weitere Informationen finden Sie im Wochenblatt Folge 11/2018 auf den Gesundheitsseiten.