Blutzellen außer Kontrolle

Leukämie ist die häufigste Krebsart bei Kindern. Therapien gegen den Blutkrebs sind immer erfolgreicher und nebenwirkungsärmer.

Fenja ist zwei Jahre alt als sie dem Kinderarzt vorgestellt wird. Das Kind ist sehr blass und seit einigen Tagen weinerlich, auffallend ruhig und will nicht mehr laufen.

Mittags legt sich Fenja freiwillig zum Schlafen hin. Fieber hat sie nicht. Bei der körperlichen Untersuchung sind bis auf blasse Haut und Schleimhäute keine Besonderheiten festzustellen. Es sind weder vergrößerte Lymphknoten noch eine vergrößerte Leber oder Milz zu tasten. Allerdings ist das Blutbild auffällig: Die weißen Blutkörperchen (Leukozyten) sind auf 2000/μl gesunken. Normal wäre ein Wert zwischen 4000 bis 10.000/μl.

Auf eine Blutarmut weist der niedrige Bestand des roten Blutfarbstoffs (Hämoglobin) von nur 6 g/dl hin. Der Normbereich liegt zwischen 11 bis 12 g/dl. Und auch die Blutplättchen (Thrombozyten), die normalerweise bei 150.000 bis 400.000 liegen, haben sich auf 70.000 dezimiert. Fenja wird in die Universitätskinderklinik eingewiesen. Dort diagnostiziert man eine akute lymphatischen Leukämie und beginnt mit der Therapie.

Was Leukämien sind

Fenja ist eines von etwa 600 Kindern, die jedes Jahr in Deutschland neu an Blutkrebs erkranken. Leukämien sind bösartige Erkrankungen des blutbildenden Systems. Sie entstehen im Knochenmark, dem Ort der Blutbildung. Typisch ist eine unkontrollierte Vermehrung entarteter weißer Blutzellen (Leukozyten). Sie verdrängen gesunde Leukozyten und rote Blutkörperchen und behindern Blutplättchen in ihrer Entwicklung im Knochenmark.

Blutarmut, Infektionen und eine vermehrte Blutungsneigung sind die Folge und können zugleich erste Anzeichen einer Leukämie sein. Beschwerden wie Fieber, allgemeines Krankheitsgefühl, Gewichtsverlust, Müdigkeit, Kopfschmerzen, Bauchschmerzen, Leistungsknick oder Knochenschmerzen sind häufig, aber nicht unbedingt gleichbedeutend mit einer Krebserkrankung. Bessern sich die Symptome aber nicht oder verschlechtert sich der Zustand des Kindes gar, sollte es unbedingt kinderärztlich untersucht werden.

Wie sie sich entwickeln

Die Ursachen einer Leukämie bei Kindern sind vielfältig. So kann eine Veränderung des Erbgutes bereits im Neugeborenenalter vorhanden sein. Bei einem großen Teil dieser Kinder entwickelt sich daraus Jahre später eine akute Leukämie.

Doch nicht jedes Kind mit dieser genetischen Veränderung erkrankt im späteren Leben an Blutkrebs. Das deutet auf den zusätzlichen Einfluss von Umweltfaktoren hin. Radioaktive Strahlung, Röntgenstrahlung, bestimmte chemische Stoffe, Medikamente sowie Viren können bei der Entstehung der Leukämie eine Rolle spielen.

Bekannt ist auch, dass Kinder mit bestimmten Immundefekten oder Chromosomenveränderungen wie zum Beispiel mit Down-Syndrom ein deutlich erhöhtes Risiko haben, einen Blutkrebs zu entwickeln. Entscheidend ist, die Erkrankung möglichst rasch zu erkennen und umgehend mit der Therapie zu beginnen. Denn ohne eine entsprechende Behandlung tritt innerhalb weniger Monate der Tod ein.

Wo diagnostiziert wird

Im Kindesalter sind über 95% der Leukämien akute, also rasch fortschreitende Erkrankungen. Es gibt verschiedene Formen der akuten Leukämie, je nachdem, welche der zahlreichen weißen Vorläuferzellen der weißen Blutkörperchen entartet ist. Besonders oft sind Kleinkinder betroffen.

Die genauere Diagnostik und Therapie sollte an einem pädiatrisch-onkologischen Zentrum erfolgen. Hier hat man große Erfahrungen mit diesen Erkrankungen. Untersuchungen des Blutes und Knochenmarks erlauben eine genaue Aussage darüber ob und welche Leukämieform vorliegt, sodass gezielt therapiert werden kann.
In weiteren Untersuchungen lässt sich beispielsweise herausfinden, wie stark sich die Erkrankung im Körper ausgebreitet hat.

Um zu beurteilen, ob auch im Gehirn Leukämiezellen vorhanden sind, wird eine sogenannte Lumbalpunktion durchgeführt. Hierbei wird in einer Kurznarkose Hirnwasser aus dem Nervenwasserkanal am Rücken entnommen.

Wie sie behandelt werden

In der Regel erhalten Kinder mit akuter Leukämie eine Chemotherapie. Dabei werden sie mit Medikamenten behandelt, die das Zellwachstum hemmen – Zytostatika genannt. Da ein einzelnes Medikament nicht in der Lage ist, alle Krebszellen zu vernichten, wird immer eine Kombination aus mehreren Wirkstoffen verabreicht.

Wie intensiv und wie lange die Chemotherapie erfolgen muss, ob eine Bestrahlung des Gehirns oder eine Stammzelltransplantation notwendig ist und wie die Heilungschancen sind, ist von verschiedenen Faktoren abhängig. Diese richten sich unter anderem danach, an welcher Unterform der akuten Leukämie das Kind erkrankt ist, wie stark sich die Leukämiezellen im Körper ausgebreitet haben und wie die Krebszellen auf die Therapie ansprechen. Dr. Schulze Everding