Aus dem Gleichgewicht

Werden homöopathische Mittel gegen Beschwerden in den Wechseljahren angewendet, müssen sie zu den Symptomen der Frau passen.

Kerstin freut sich auf ein Wiedersehen mit ihren Mitschülerinnen. Nach 30 Jahren treffen sie sich im Dorfkrug.

Nachdem Themen wie Kinder und Karriere „durch“ sind, hat sich die Clique um Kerstin an einen Tisch zurückgezogen. Dort holt sie aus ihrer Handtasche ein Fläschchen und nimmt ein homöopathisches Medikament ein. Dafür interessieren sich auch die anderen.

„Ich habe oft schlimme Hitzewallungen, seit die Wechseljahre angefangen haben“, sagt Kerstin. In diesem warmen Raum gehe es ihr jetzt auch so. Als ob ein Vulkan in ihr aufsteige: Kopf und Hals werden rot und brennen. Manchmal bekomme sie sogar Migräne auf der rechten Seite. Die Kügelchen, die ihr gut dagegen helfen, heißen Sanguinaria.

Anke grinst und sagt: „Schaut mal, ich habe bestimmt wieder hektische Flecken. Die kennt ihr sicher noch von früher, wenn ich Lampenfieber hatte.“ Alle nicken. „Das ist in letzter Zeit auch schlimmer geworden, wenn ich aufgeregt oder in Eile bin. Aber trotzdem bin ich immer noch eine Frostbeule und gehe mit meiner Wärmflasche ins Bett. Keine Spur von Hitzewallungen. Mir hilft Biochemie Nr. 7, das ist Magnesium sulfuricum.“

Was sich in den Wechseljahren ändert
Wechseljahre sind ein natürlicher Prozess im Leben einer Frau. Die Eierstöcke stellen allmählich ihre Hormonproduktion ein, sodass die Fortpflanzungsfähigkeit verloren geht. Am Anfang versucht der Körper das Absinken der Östrogenbildung zu kompensieren. Das führt zu einem sehr unausgeglichenen Hormonhaushalt. Die Folge sind unregelmäßige oder lang anhaltende Monatsblutungen, bis diese schließlich ganz ausbleiben.
Andere Botenstoffe des zentralen Nervensystems wie Noradrenalin und Serotonin geraten auch durcheinander. Dadurch kommen Körpertemperatur und Stimmungslage aus dem Gleichgewicht. Die letzte Regelblutung ist nur rückblickend feststellbar, nachdem zwölf Monate lang die Regel ausgeblieben ist. Die meisten Frauen sind dann 45 bis 55 Jahre alt. Im Zeitraum bis etwa zum 65. Lebensjahr verringert sich die Hormonproduktion immer weiter, bis sie schließlich ganz versiegt. Typische Symptome der Wechseljahre sind Schweißausbrüche, Hitzewallungen, Schlafstörungen, aber auch psychische Beschwerden wie Stimmungsschwankungen, Nervosität und Reizbarkeit. Weiter treten Scheidentrockenheit, Inkontinenz, ständige Blasenentzündungen, Leistungs- und Gedächtnisschwäche, steigendes Körpergewicht, Störungen des Knochen- und Gelenkapparates sowie Haut- und Haarveränderungen auf. Jede Dritte ist jedoch beschwerdefrei, ein Drittel hat leichte Beschwerden und das letzte Drittel leidet unter verschiedenen Beeinträchtigungen.

Beschwerden, die in den Wechseljahren auftreten, können ganz unterschiedlich sein. Aber nicht jede Frau bekommt alle, und nicht jede leidet darunter. Bei der Mittelwahl ist eine gute Kenntnis des Patienten und des homöopathischen Mittels erforderlich. Das Mittel, die Potenz und die Dosierung müssen individuell festgelegt werden. Passt das gefundene Mittel im Allgemeinen, wird eine niedrige Potenz wie D 6 oder D 12 angemessen sein.

Betreffen die Beschwerden und die Therapie den ganzen Menschen, seine Persönlichkeit eingeschlossen, sind höhere Potenzen angezeigt. Treten ausgeprägte Beschwerden auf, wird der Arzt entscheiden, ob auch gynäkologische, urologische oder psychologische fachärztliche Hilfe benötigt wird.
Nicht jede Frau hat alle Symptome und vielleicht auch nicht so ausgeprägt. Die Damenrunde beim Klassentreffen stellt im Folgenden einige Typen exemplarisch dar.

Achterbahn der Gefühle

Petra berichtet davon, dass sie keine Nacht mehr schlafen kann und auch tagsüber ganz unruhig ist. Kopfschmerzen, die sie damals schon hatte, treten immer häufiger auf. Folglich habe ihr der Arzt Cimicifuga empfohlen. „Das gibt es homöopathisch und pflanzlich, also im Milligramm-Bereich dosiert“, berichtet sie. Damit gehe es ihr ganz gut. Auch der Zyklus sei nicht mehr so durcheinander.

An dieser Stelle bricht Susanne in Tränen aus. Alle sind erschrocken und wollen sie trösten. Sie versucht zu erklären: „ Eigentlich geht es mir gut und ich habe keinen Grund zu klagen. Aber meine Gefühle fahren Achterbahn. Ich wache ganz ausgeglichen auf und später bei der Arbeit könnte ich losheulen.“ Erzähle in der Kantine jemand Storys vom Wochenende, lache sie sich schlapp. Dann aber gehe dieses Gefühlschaos von vorne los.

Den Mann ihres Lebens suche sie immer noch. Dem letzten habe sie vor Eifersucht solch eine Szene gemacht, dass er nicht mal seine Sachen abgeholt hat. „Nach dieser Trennung konnte ich drei Wochen lang nicht arbeiten“, berichtet sie. In einem Homöopathie-Ratgeber habe sie gelesen, dass ihr Ignatia helfen könnte.

Unzufrieden oder schwitzig

Beate, die bisher ruhig zugehört hat, macht ein verächtliches Gesicht. „Deine Sorgen möchte ich haben. Mit meinem Stefan bin ich jetzt 20 Jahre verheiratet. Doch glaube nicht, dass bei uns noch was läuft. Aber das ist mir ziemlich egal. Ich bin froh, dass der Große aus dem Haus ist, so habe ich weniger Arbeit. Es reicht, dass die Zwillinge voll in der Pubertät sind und mich mit ihrem Schlendrian zur Weißglut bringen. Manchmal ertrage ich ihre Unordnung. Und dann wieder explodiere ich bei diesem Anblick. Ich rackere mich für meine Familie ab, und was macht die?“, klagt Beate. Zum Muttertag habe sie nur ein Alpenveilchen geschenkt bekommen. Lange mache sie das nicht mehr mit. Auf der Arbeit laufe es auch nicht mehr rund. Der Arzt habe ihr jetzt Sepia empfohlen.

Eine Frau in wallendem Kleid nähert sich der Gruppe. „Hallo, ich bin die Silvia. Kennt ihr mich noch?“ Dann erzählt sie lebhaft ohne Punkt und Komma von ihrem Leben. Zweimal geschieden ist sie, weil die Männer ihre Eifersucht nicht ertrugen. Mit ihren Geschwistern hat sie sich im Streit um das gemeinsame Elternhaus überworfen. Aber mit ihrem Busreisedienst hat sie im Leben eine Menge auf die Beine gestellt.

Zwischendurch fächelt sie sich immer wieder Luft zu und knöpft ihren Ausschnitt weiter auf. „Ach ja, die Wechseljahre. Ich schwitze furchtbar.“ Die ganze Runde lacht, und Susanne fragt: „Wir hatten gerade das Thema. Was nimmst du denn dagegen?“ „Lachesis“, lautet die Antwort, und schon ist Silvia an den nächsten Tisch verschwunden, um dort ihre Geschichte von vorn zu erzählen. Kookemoor