In manchen ländlichen Regionen ist die medizinische Versorgung angespannt. Viele Allgemeinmediziner gehen in den Ruhestand, ohne dass ausreichend viele nachrutschen. Immer mehr Hausarztpraxen auf dem Land bleiben daher unbesetzt. Auch fehlt es an qualifizierten Pflegekräften. Zur Verbesserung der Situation hat das nordrhein-westfälische Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales (MAGS) einiges auf den Weg gebracht.
Teilzeitarbeit erhöht Bedarf an Ärzten
„In NRW werden jährlich 2000 Ärzte ausgebildet“, erklärt Karl-Heinz Laumann. Dennoch fehlt es an Ärzten, die sich als Facharzt im Bereich der Allgemeinmedizin ausbilden lassen und später als Hausarzt im ländlichen Raum tätig werden. Gründe dafür gibt es einige, wie der Gesundheitsminister im Rahmen eines Abendgespräches an der Landvolkshochschule in Freckenhorst erklärt.
Einen Mangel an Studienbewerber gebe es jedenfalls nicht. Allerdings sei der Bedarf an Ärzten höher, weil etwa 130 bis 135 Ärzte benötigt werden, um auf die gleiche Arbeitszeit von 100 ausscheidenden Ärzte zu kommen. Ein Grund: Etwa 40 % der im Krankenhaus tätigen Mediziner und vor allem Medizinerinnen arbeiten in Teilzeit.
Ungerechte Verteilung der Hausarztsitze in NRW
Viele Hausarztpraxen lassen sich nicht neu besetzen. In NRW sind die Regionen unterschiedlich stark betroffen. „In Bonn haben wir auf 1542 Einwohner einen Hausarzt“, erklärt Laumann. Im Kreis Herford mit den wenigsten Ärzten betreue ein Hausarzt dagegen 2392 Einwohner. Vor allem Hausärzte sind im Land (NRW) nicht gerecht verteilt sind.
Verantwortlich dafür macht der Gesundheitsminister die Kassenärztlichen Vereinigungen (KV), die durch den gesetzlichen Sicherstellungsauftrag für die Zulassung von Praxen verantwortlich ist. „Ich verstehe nicht, warum Arztpraxen in überversorgten Gebieten nicht von der KV übernommen oder gestrichen werden, wenn der Hausarzt wegen Alter ausscheidet“, sagt Laumann. Ob man die KV gesetzlich dazu verpflichten könne, dafür gebe es bislang keine politischen Mehrheiten.
Knackpunkt: Ausbildung zum Allgemeinmediziner
Ungeachtet dessen gibt es aber auch zu wenig Medizinstudierende, die ihren Facharzt im Bereich Allgemeinmedizin absolvieren. Viele Jahre hat es in NRW nur an der Medizinischen Fakultät Düsseldorf eine Professur für Allgemeinmedizin gegeben. „… weil man das nicht für nötig gehalten hat“, sagt der Minister. Problematisch sei daher auch der Stellenwert der Allgemeinmedizin in den medizinischen Fakultäten gewesen. „Es wurden nicht einmal mehr 10 % der Leute, die in NRW Medizin studierten, am Ende Facharzt für Allgemeinmedizin“, informiert Laumann.
Heute haben alle sechs medizinischen Fakultäten in NRW eine W 3-Professur für den Facharzt der Allgemeinmedizin. Nachdenklich stimmt den Gesundheitsminister jedoch die Verteilung der medizinischen Fakultäten. Mit den Standorten in Aachen, Bonn, Düsseldorf, Essen, Köln und Münster gibt es nur eine staatliche Medizinerausbildung in Westfalen-Lippe. Weil Medizinstudierende später häufig an ihrem Studienort tätig werden, habe man im Rheinland weniger Probleme mit der ärztlichen Versorgung als in Westfalen-Lippe.
Neue Fakultät für Allgemeinmedizin in Bielefeld
Mit der Medizinausbildung für zusätzlich 300 Studierende an der neuen medizinischen Fakultät in Bielefeld will der Gesundheitsminister daher langfristig die ärztliche Versorgung auf dem Land verbessern. Erstmalig startet die Fakultät zum Wintersemester 2021/22 mit 60 Studienplätzen.
Außerdem werden etwa 150 Studienplätze im Land NRW mittels eines eigenen Zulassungsverfahrens vergeben. Studierende verpflichten sich dabei, nach dem Studium für zehn Jahre in einem unterversorgten Gebiet hausärztlich tätig zu werden. Dies helfe zwar nicht sofort, bringe aber in etwa zehn Jahren mehr Ärzte für den ländlichen Raum.
Zu einer guten medizinischen Versorgung auf dem Land gehören aber auch Krankenhäuser. „Tendenziell sind ländliche Gebiete eher unter- und Städte überversorgt“, erklärt Karl-Josef Laumann. Krankenhäuser mit Notfallversorgung dürften nicht zu weit auseinanderliegen und müssten im Schnitt von jedem Bürger innerhalb von 20 Minuten zu erreichen sein.
Krankenhausversorgung auf dem Land
„Wichtig ist aber auch, dass man ins richtige Krankenhaus kommt“, sagt Laumann. Es gebe viele medizinische Leistungen, die einige Krankenhäuser weniger als einmal in der Woche durchführen. „Das hat am Ende auch etwas mit der Qualität zu tun“, erklärt Laumann. Für einen Krebspatienten beispielsweise sei es wichtig, in einem onkologischen Schwerpunktkrankenhaus behandelt zu werden. „Nicht jedes Krankenhaus muss alles machen“, sagt Laumann. Es gebe aber auch medizinische Bereiche, in denen Krankenhäuser aufgrund der demografischen Entwicklung größer werden müssten. Das betreffe insbesondere die Geriatrie und Neurologie, beispielsweise für die Behandlung von Schlaganfallpatienten.
Mit einer neuen Krankenhausplanung will Gesundheitsminister Laumann zukünftig Einfluss auf die Krankenhauslandschaft in NRW und die Qualität in der Krankenhausversorgung nehmen. Einen ersten Gesetzentwurf dazu hat das Ministerium bereits im Oktober 2020 verfasst. Demnach soll die Planung künftig nicht mehr auf Basis der Bettenanzahl in den Krankenhäusern vorgenommen werden. Planungsgrundlage sollen stattdessen medizinische Leistungen sein. Für bestimmte medizinische Bereiche werde man Fallzahlen vorschreiben.
Zahlen Fakten für NRW
- In NRW praktizieren etwa 11 400 Hausärzte. Davon sind rund 6400 älter als 55 Jahre; ca. 1300 zwischen 65 und 69 Jahre alt und ca. 800 älter als 70 Jahre.
- Laut Landesbetrieb IT.NRW standen den 341 Krankenhäusern in NRW im Jahr 2019 insgesamt 117 869 Betten zur Verfügung. 45 167 Ärzte und 107 220 Pflegekräfte waren in den Krankenhäusern tätig; Tendenz steigend. 4,7 Mio. Patienten wurden 2019 in den Krankenhäusern vollstationär versorgt; 0,2 % mehr als im Vorjahr. Die durchschnittliche Verweildauer lag bei 7,1 Tagen.