Patienten, die ins Kompetenzzentrum Adipositas Hochstift in Bad Driburg kommen, bringen bis zu 100 kg zu viel auf die Waage. Sie haben einen langen Leidensweg hinter sich. Mit herkömmlichen Diäten ist diesen Menschen nicht geholfen, sagt Dr. Florian Dietl, Leiter des Zentrums. Sie brauchen ein Konzept, das sowohl eine Ernährungstherapie als auch ein Bewegungskonzept, psychologische Beratung und ärztliche Begleitung beinhaltet. Und unter Umständen auch eine bariatrische Operation (OP).
Voraussetzungen für die Adipositas-OP
Bevor ein Adipositas-chirurgischer Eingriff möglich ist, sind einige Voraussetzungen zu erfüllen. Die Krankenkassen kommen nur dann für die Kosten auf, wenn der BMI des Patienten über 40 kg/m2 liegt. Bei Menschen mit Begleiterkrankungen, wie Diabetes oder Bluthochdruck, ist der Eingriff schon ab einem BMI von 35 möglich.
Außerdem ist nachzuweisen, dass konservative Methoden zur Gewichtsreduktion nicht zum Erfolg geführt haben.
Vorbereitungskurs ist verpflichtend
Schließlich muss sich aber auch der Patient gut überlegen, ob er tatsächlich zu diesem Schritt bereit ist. Nach dem Eingriff wird er nur in sehr kleinen Portionen essen können. Und er wird sich an ein neues Körpergefühl gewöhnen müssen.
Ist der Entschluss gefasst, hat der Patient zunächst einen sechsmonatigen Vorbereitungskurs zu absolvieren. In diesem Kurs lernen die Teilnehmer zum Beispiel, ihr Essverhalten zu hinterfragen. Sie bekommen aber auch das Rüstzeug für die Zeit nach der OP. Als letzte Vorbereitung müssen sich die Patienten drei bis vier Wochen lang eiweißreich und kalorienarm ernähren. Dadurch soll die Leber leichter und kleiner werden, was wichtig für die OP ist.
Bei der bariatrischen Operation gibt es verschiedene Verfahren. Die Entscheidung, welche Methode angewandt wird, trifft der Chirurg gemeinsam mit dem Patienten.
Adipositas-chirurgische Methoden im Überblick
Bei einer bariatrischen Operation wird der Magen verkleinert und der Dünndarm verkürzt. Dafür gibt es verschiedene Operationsmethoden. Die häufigsten stellen wir kurz vor:
Schlauchmagen (Sleeve): Aus dem sackartigen Magen wird ein schlauchförmiger Restmagen gebildet. Dadurch tritt früh ein Sättigungsgefühl ein. Außerdem wird nur noch eine geringe Menge des Hormons Ghrelin ausgeschüttet, wodurch sich das Hungergefühl verringert. Dr. Dietl wendet diese Methode häufig bei jungen Patienten und bei einem sehr hohen BMI an. Sie bietet den Vorteil, dass nach der OP noch eine Magenspiegelung möglich ist.
Magen-Bypass: Der Magen wird geteilt. Ein kleinerer Teil, die Magentasche, bleibt mit der Speiseröhre verbunden. Der Dünndarm wird durchtrennt und mit der Magentasche verbunden. Die Nahrung gelangt also durch die Magentasche direkt in den Dünndarm, und nicht erst durch den Zwölffingerdarm. Der restliche Magen wird mit einem weiter unten liegenden Darmabschnitt verbunden. So werden die Verdauungssäfte aus Bauchspeicheldrüse und Galle erst später in den Dünndarm geleitet. Dadurch können Kohlenhydrate, Fette und Nährstoffe nur noch in geringen Mengen aufgenommen werden. Dr. Dietl wendet die Methode selten an, zum Beispiel bei Patienten mit ausgeprägtem Sodbrennen. Ein Nachteil ist, dass eine Spiegelung von Restmagen, Zwölffingerdarm und Galle nicht mehr möglich ist.
Omega-Loop-Bypass: Das ist eine Kombination aus Magen-Bypass und Schlauchmagen. Der Magen wird zu einem verkürzten Schlauchmagen verkleinert und mit einer weiter unten liegenden Darmschlinge verbunden. Im Vergleich zum Magen-Bypass wird die Nahrungspassage durch den Dünndarm noch weiter verkürzt und die Aufnahme von Nährstoffen stärker reduziert. Die Enzyme aus Bauchspeicheldrüse und Galle kommen erst nach etwa 2 m Dünndarm zum Speisebrei. Nach dieser OP muss der Patient in der Regel Vitamin- und Mineralstoff-Präparate zu sich nehmen. Wie beim Bypass ist eine Spiegelung von Restmagen, Zwölffingerdarm und Galle nicht mehr möglich.
Essen und Trinken strikt trennen
In den ersten vier Wochen nach der OP soll die Kost aus flüssigen und breiigen Speisen bestehen. Schritt für Schritt wird der Speiseplan erweitert, bis die Patienten wieder normal essen. Wobei mit „normal“ gemeint ist, dass sie alles essen dürfen. Nur die Mengen sind stark reduziert. Wenn der Patient zu viel auf einmal isst, können Magenkrämpfe die Folge sein. Ungewohnt dürfte für die meisten auch sein, dass sie jetzt Essen und Trinken strikt trennen müssen.
Nährstoffe lebenslang ergänzen
Um die Versorgung mit allen nötigen Nährstoffen sicherzustellen, müssen viele Patienten nach einer bariatrischen OP ein Leben lang Nahrungsergänzungsmittel zu sich nehmen, beispielsweise Vitamin D, Vitamin B12, Calcium und eventuell ein Eiweiß-Präparat. Die Kosten dafür tragen sie selbst.
Nach dem Eingriff erfolgt eine engmaschige Nachsorge durch den Chirurgen und eine Ernährungsfachkraft. Zusätzlich empfiehlt Dr. Dietl seinen Patienten, sich einer Selbsthilfegruppe anzuschließen, am besten schon vor dem Eingriff. Das kann dabei helfen, nicht in alte Gewohnheiten zurückzufallen. Denn der Magen ist ein Muskel, der sich bei entsprechender Beanspruchung wieder dehnen kann. In etwa 10 % der Fälle kommt es zu einem solchen Rückfall.
Gesundheitliche Vorteile
Der größte Gewichtsverlust ist im ersten halben Jahr nach dem Eingriff zu verzeichnen. In den dann folgenden sechs bis zwölf Monaten purzeln die Pfunde langsamer, bis sich das Gewicht einpendelt.
Neben dem Gewichtsverlust zeigen sich häufig weitere positive Begleiterscheinungen. Etwa bei 60 bis 80 % der Patienten, die vorher unter Typ-2-Diabetes litten, normalisieren sich die Blutzuckerwerte. Einige können nach der OP auf ihre Diabetes-Medikamente ganz verzichten. Häufig sinkt auch der Blutdruck und Gelenkbeschwerden lassen nach.
Gründe gegen eine OP
Es gibt einige Kontraindikationen, die eine bariatrische OP ausschließen. Dazu gehört eine bösartige Tumorerkrankung oder eine Schwangerschaft. Für minderjährige Patienten kommt der Eingriff nur dann in Betracht, wenn sie körperlich ausgereift sind. Entscheidend ist, dass die Person die Tragweite der Maßnahme versteht und psychisch und kognitiv in der Lage ist, sich auf die Änderungen einzustellen. Ist das der Fall, dann kann eine solche Operation der Weg in ein neues, leichteres und gesünderes Leben sein.
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