Nachhaltig gärtnern

Torffreie Pflanzerde auf Holzbasis

Das Erdenwerk Kleeschulte in Rüthen, Kreis Soest, nutzt Abfälle der umliegenden Sägewerke zur Herstellung von Pflanzsubstraten.

Es riecht nach feuchtem Waldboden. Wer der Duftquelle auf die Spur kommen will, geht im Erdenwerk Kleeschulte an den sauber gestapelten Säcken der Drive-in-Station vorbei. Dahinter beginnt der Betriebshof. Eine riesige Hammermühle röhrt vor sich hin. Daneben: Dampfende Gebirge aus Holzrinde – und ein Aroma, das sehr ans Sauerland erinnert. Firmenchefin Mariel Kleeschulte-Vrochte geht voran und postiert sich neben einem Haufen fein zerkleinerter Rinde. „Dieses Material verarbeiten wir unter anderem zu Rindenhumus. Dazu setzen wir Wasser und organischen Dünger zu.“ Den Rest erledigen Kleinstlebewesen.

Mariel Kleeschulte-Vrochte ist Agrar­in­ge­nieu­rin. Sie treibt die strategische Entwicklung des Erdenwerks voran. (Bildquelle: Laarmann)

Holzreste aufbereiten

Die Mikroben verwandeln das Holz in Humus. Ein Radlader schichtet den großen Haufen immer wieder um, damit die Masse belüftet wird. Neun Monate dauert der Prozess. Dann ist aus den ­braunen Rindenstückchen ein dunkler, feinkrümeliger Humus entstanden. Klingt simpel. Viel komplizierter scheint es, andere Bestandteile von Pflanzerden herzustellen. Mariel Kleeschulte-Vrochte spricht vom „Betriebsgeheimnis“ – und schon sind alle Landfrauen, die den Betrieb im Rahmen einer WiN-Exkursion* der Landwirtschaftskammer NRW besichtigen, höchst interessiert.

Die 53-jährige Agraringenieurin führt das Erdenwerk in Rüthen, Kreis Soest, zusammen mit ihrem Ehemann Dr. Wilfred Vrochte. Mit einem breit gefächerten Sortiment an Erden und Rindenprodukten für Hobby- und Profigärtner schaffte sich das Familienunternehmen aus kleinen Anfängen 1986 eine Nische. Von der Rohstoffbeschaffung und -aufbereitung über das Mischen bis zum Abfüllen und Vermarkten liegt alles in den Händen des Unternehmer-Ehepaares und der rund 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Auf dem Kleeschulte-Betriebsgelände gibt es einen Erden-Drive-in für Privatkunden. Diesen Direktverkauf an Hobbygärtner nutzt die Firmenchefin, um bei Endverbrauchern nachzufragen, wie die Produkte ankommen. (Bildquelle: Laarmann)

Weitgehend torffrei

Seit Jahrzehnten tüfteln die Kleeschultes an Rezepturen und Verfahren, um auf Torf als Haupt­bestandteil von Pflanzerde zu ­verzichten. „Auch den Anteil an Ersatzprodukten aus Fernost, etwa Kokos, wollen wir möglichst gering halten“, so Mariel Kleeschulte. Als Grundstoff dienen stattdessen Rinde und Holzabschnitte aus den umliegenden Sägewerken. „Die Einkäufer von Gartencentern und Baumärkten fanden unseren Ansatz gut, die Produkte anfangs aber zu teuer“, berichtet die Unternehmerin.

Und das Betriebsgeheimnis? „Wir haben eine Substratfaser auf Holzbasis entwickelt“, berichtet Mariel Kleeschulte-Vrochte. Zerkleinerte Hackschnitzel werden unter Dampf zu lockeren Fasern. Sie haben ähnliche Eigenschaften wie Torf, lockern und durchlüften die Pflanzerde. „Außerdem nehmen die Holzfasern Wasser sehr gut auf und leiten es an die Pflanzen weiter“, beschreibt Mariel Kleeschulte-Vrochte die Eigenschaften des selbst entwickelten Produkts mit dem Markennamen Topora.

Lockere Holzfasern übernehmen in Kleeschultes Erde die Funktionen des Torfes. (Bildquelle: Laarmann)

CO2-Fußabdruck von Erden

Rund 80 % der Erdenproduktion bei Kleeschulte ist inzwischen torffrei; Mitbewerber kommen auf rund 20 % torffreie Erden in ihren Produktpaletten, sagt die Firmenchefin. Der wachsende gesellschaftliche und politische Druck, auf Torf in Pflanzsubstraten zu verzichten, bestätigt das Familien­unternehmen in seiner Ausrichtung. „Als die Klimaschutzdebatte Fahrt aufnahm, wurde uns klar, dass wir durch den Torfersatz dazu beitragen, sehr viel CO2 einzusparen“, berichtet die Unternehmerin.

Mit Unterstützung der Effizienz Agentur NRW ließ das Unternehmen als erster Erdenhersteller bundesweit die Rohstoffe für seine Erden- und Substratherstellung nach dem CO2-Fußabdruck bewerten und die Einsparungen im Vergleich zu herkömmlichen Produkten berechnen. Damit hatte das Unternehmen ein weiteres, messbares Argument für seine Produkte in der Hand. „Die Nachfrage nach unseren Substraten ist aktuell sehr groß. Manche Produkte wie die torffreie Blumenerde im Papiersack werden vom Handel sogar als politisches Statement erkannt und eingekauft“, freut sich Mariel Kleeschulte-Vrochte.

Dennoch hat sie keinen Grund, die Hände in den Schoß zu legen. Zum einen geht es beim Handel mit ­Erden und Rinden weiterhin um jeden Cent. Zum anderen denkt die Unternehmerin darüber nach, wie sie die Produktion umstellen kann, wenn heimisches Nadelholz knapp wird. „In einem Forschungsprojekt mit der Uni Göttingen suchen wir nach Alternativen“, so die Geschäftsfrau.

Fünf Fakten über Pflanzerde

  • Hauptbestandteile von Pflanzerde sind Torf oder Torfersatzstoffe, Kompost und Humus. Hinzu kommen Tonmineralien, Quarzsand und Dünger, eventuell Hilfsstoffe wie Perlite.
  • Pflanzerde kommt ohne Angabe einer Mindesthaltbarkeit in den Handel. Mariel Kleeschulte rät, das Material möglichst innerhalb einer Saison aufzubrauchen. Reste lagert man kühl und dunkel.
  • Zutaten wie Rinde und Holzfasern sorgen für holzzersetzende Pilze in den Substraten. Diese zeigen sich als weiße Myzel, als Schlauch- oder Hutpilze. Sie mindern die Qualität der Produkte nicht. Große Exemplare einfach entfernen.

    Pilze oder weiße Pilzmyzel in der Blumenerde sind ungefährlich und schmälern die Qualität nicht. (Bildquelle: VHE)

  • Nur wenn sie den Anforderungen der Düngemittelverordnung entsprechen und entsprechend gekennzeichnet sind, dürfen Pflanz­erden verkauft werden.
  • Im Hobbygartenbau ist das Ende der Torferde in Sicht. Nach dem Klimaschutzplan der Bundesregierung soll sie bis spätestens 2027 vom Markt verschwinden.