Biologie der Nutzpflanzen

Oldenburg: Wo der Grünkohl erforscht wird

Im Versuchsgarten der Uni Oldenburg wächst Grün- und Blattkohl aus vielen Ländern. Der Biologe Christoph Hahn fahndet nach Unterschieden und will eine eigene Sorte züchten.

Wochenblatt: Herr Hahn, Sie beschäftigen sich seit Jahren wissenschaftlich mit Grünkohl. Was fasziniert Sie?

Christoph Hahn: Die Vielfalt, die die Pflanze bietet und ihre Nutzungsmöglichkeiten. Zur Stadt Oldenburg, die sich auch Kohltourhauptstadt nennt, passt der Grünkohl perfekt.

Ist der Grünkohl also etwas typisch Norddeutsches?

Nein. Grünkohl stammt ursprünglich aus dem Mittelmeergebiet. Für meine Forschungsarbeit habe ich gut 100 Sorten zusammengetragen, darunter welche aus den USA, Skandinavien, Japan und Italien. Typisch für Nordwestdeutschland sind aber die Traditionen rund um den Grünkohl und die Art der Zubereitung als gekochtes Wintergemüse mit deftiger Wurst dazu.

Kann man die verschiedenen Grünkohlsorten in Oldenburg sehen?

Ja, im Botanischen Garten der Stadt gibt es ein Schaubeet mit verschiedenen Grünkohlpflanzen. Dort bieten wir für Gruppen auch Führungen zum Grünkohl an.

Sie erforschen die Unterschiede alter und neuer Grünkohlsorten. Was ist besonders an den alten Sorten?

Manche alten Sorten haben Eigenschaften, die den Sorten im professionellen Anbau fehlen. Sie sind beispielsweise besonders hochwachsend. Alte Sorten sind aber nicht grundsätzlich besser als moderne. Meine Forschungen zeigen, dass die alten nordwestdeutschen Sorten zwar perfekt für nasskalte Witterung sind, aber schlecht mit Trockenheit zurechtkommen. Einige alte Sorten weisen besonders hohe Mengen gesunder Inhaltsstoffe wie verschiedene Senföle, Carotinoide und Vitamin C auf. Grünkohl enthält bis zu zehnmal mehr Vitamin C als Zitrusfrüchte. Die enthaltenen Senföle haben vielfältige Wirkungen, sie können beispielsweise das Wachstum von Krebszellen hemmen.

Wie steht es mit dem Geschmack? Gibt es einen Zusammenhang zwischen Temperatur und Aroma?

Ja, die Grünkohlpflanzen frieren ab Temperaturen unter 10 °C. Sie bilden mehr Zucker, um ihren Photosyntheseapparat zu schützen. Je länger sie der Kälte ausgesetzt sind, desto milder werden die Blätter. Frost ist dafür nicht nötig.

Ihre Doktorarbeit über Grünkohl soll 2022 fertig werden. Werden Sie dann auch eine selbst gezüchtete Sorte präsentieren?

Schon möglich, wobei das nicht zentraler Bestandteil meiner wissenschaftlichen Arbeit ist. Eher eine Neben­beschäftigung, die Freude macht. Es gibt mehrere Prototypen für eine Oldenburger Palme. Bisher ist unter diesem Namen noch keine Grünkohlsorte geschützt.

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