Pflanzenschutz im Hobbygarten

Grundstoff Essig als Mittel aus dem Gartenmarkt

Die meisten Pflanzenschutzmittel sind für den Hausgarten verboten. Doch die EU hat eine Tür für unbedenkliche Substanzen geöffnet. Sie nennen sich Grundstoffe. Auch Lebensmittel zählen dazu.

Kaum sprießen im Frühjahr die Wildkräuter, suchen ordnungsliebende Gartenbesitzer nach einer Möglichkeit, das störende Grün loszuwerden. Pflanzenschutzmittel gibt es dafür aufgrund von Verboten nicht. Statt dessen wirbt beispielsweise das Unternehmen Neudorff mit einem Produkt namens Biokraft Grundstoff Essig, genehmigt zur Anwendung gegen Unkräuter auf Wegen, Bordsteinen, Gehwegen und Terrassen, heißt es in der Pressemeldung des Herstellers. Das anwendungsfertige Mittel in der 1- l-Flasche reicht laut Neudorff bei einer Einzelpflanzenbehandlung (!) für 100 m2 Fläche. Im Handel wird die Sprühflasche zu Preisen zwischen rund 10 und 13 € angeboten.

10%ige Essigsäure aus dem Gartenmarkt

Wer auf dem Flaschenetikett nachschaut, woraus das Produkt besteht, findet folgenden Hinweis: „Zusammensetzung: Grundstoff Essig (Vinegar ext.)“. Es folgt eine Nummer der Europäischen Chemikalienagentur für Essig und Essig-Extract, wobei Extract in der Chemie eine allgemeine Bezeichnung für einen Lösungsmittel-Auszug ist, zum Beispiel mit Wasser. Aus dem Sicherheitsdatenblatt des Produktes geht hervor, dass das Mittel 10%ige Essigsäure enthält. Das entspricht der Konzentration von Tafelessig. Drei Fragen stellen sich zu diesem Produkt:

  • Für den Kaufpreis einer Flasche des Grundstoffs Essig kann man gut und gerne 10 l Tafelessig kaufen. Was macht den Mehrwert des teuren Grundstoffes aus?
  • Jahrelang wiesen Pflanzenschutzämter darauf hin, dass Substanzen wie Essig nicht zur Unkrautbekämpfung auf befestigten Flächen geeignet sind. Wieso wird dann ein essighaltiges Produkt zu genau diesem Zweck zugelassen?
  • Wie wirksam ist der Grundstoff Essig?

Erste Antworten liefert das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittel (BVL). Es erklärt: „Als Grundstoffe werden Stoffe verstanden, die nicht in erster Linie für den Pflanzenschutz verwendet werden, aber dennoch für den Pflanzenschutz von Nutzen sind.“ Klingt kompliziert? Ist es nicht. Der Kniff: Da die Stoffe als unbedenklich für Menschen, Tiere und Umwelt eingestuft werden und sie nicht als Pflanzenschutzmittel vermarktet werden dürfen, werden sie anhand eines EU-Beurteilungsberichts unbefristet genehmigt. Der Bericht beschreibt die zulässigen Anwendungen und Anwendungsbedingungen. Ein aufwendiges und teures Zulassungsverfahren wie für Pflanzenschutzmittel entfällt.

Die Herstellerangabe zur Zusammensetzung sind für Hobbygärtner verrät dem Hobbygärtner wenig über das Produkt. (Bildquelle: Laarmann)

Wirksamkeit von Grundstoffen muss nicht nachgewiesen werden

Für Essig finden sich in einer deutschsprachigen Grundstoff-Datenbank, die das Berliner Pflanzenschutzamt erstellt hat (siehe Kasten) mehrere Anwendungsbereiche. Darunter auch die Unkrautbehandlung von Wegen, Rändern und Terrassen. Sie muss als punktuelle Sprühbehandlung der Pflanzen erfolgen. Zu diesem Zweck muss Essig mit 10% Essigsäure auf eine Konzentration von 60% Essig in Wasser aufgelöst werden. Das entspricht einem Gemisch im Verhältnis von drei Teilen Essig zu zwei Teilen Wasser. Bezogen auf den anwendungsfertigen Grundstoff von Hersteller Neudorff bedeutet das: Das Produkt enthält Essig, der mit Wasser verdünnt wurde. Es stellt sich die Frage nach der Wirksamkeit von so einem Mittel. Dazu sagen Experten des Julius-Kühn-Instituts (JKI) als Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen: Eine Genehmigung von Grundstoffen ist auch ohne verlässliche Wirksamkeitsdaten erlaubt. Es müssen lediglich im Pflanzenschutz nutzbare Wirkungen belegt werden.

Das bedeutet nicht, dass die Grundstoffe wirkungslos sind, stellt Dr. Falko Feldmann vom Institut für Pflanzenschutz in Gartenbau und urbanem Grün beim JKI klar. Viele der genehmigten Mittel werden von erfahrenen Hobbygärtnern seit langem erfolgreich angewendet. Aber bei der Genehmigung gelten eben andere Maßstäbe als bei Pflanzenschutzmittelzulassungen. Versuche zu Wirksamkeitsnachweisen bestimmter Grundstoffen laufen in Deutschland aktuell erst richtig an, also im Nachgang zu den Genehmigungen. Denn es ist klar, dass Grundstoffe künftig eine größere Rolle im Pflanzenschutz einnehmen werden, so Feldmanns Einschätzung.

Purer Essig und Essigessenz bleiben verboten

Die Pflanzenschutzämter mussten aufgrund der EU-Grundstoff-Verordnung von ihren bisherigen, generellen Verbotshinweisen zu Essigprodukten abrücken. Jahrelang hatten die Experten eindringlich gegen Hausmittel wie Essig und Salz zur Unkrautbekämpfung auf befestigten Flächen gewarnt, weil sie Pflanzen, Tiere, Boden und Trinkwasser schädigen. Durch die EU-Zulassung von verdünntem Essig zur Unkrautbekämpfung hat auch der Pflanzenschutzdienst der Landwirtschaftskammer NRW seine Kommunikation zu diesem Thema verändert. Einfacher werden die Botschaften an Verbraucher dadurch allerdings nicht. So trägt das Infoblatt des Pflanzenschutzdienstes die Überschrift „Keine Unkrautbekämpfung mit Salz oder Hausmitteln“. Eine Textpassage ist mit der Überschrift versehen: „Ausnahme, Unkrautbekämpfung mit verdünntem Essig“. Dort ist unter anderem folgender Anwendungshinweis nachzulesen: Eine haushaltsübliche Flasche von 750 ml Essig mit 10 % Säure muss mit 500 ml Wasser verdünnt werden, bevor das Gemisch eingesetzt werden darf. Alles was stärker konzentriert ist, darf nicht angewendet werden, stellen die Fachleute klar: „Die Verwendung von reinem, unverdünntem Essig ist weiterhin verboten, ebenso wie der Einsatz von Essigessenz und Essigreiniger.“

Produkte für Hobbygärtner kritisch hinterfragen

Verbraucher sollten im Handel angebotene Grundstoffe mit Menschenverstand prüfen. Zwar sind das Substanzen, die eine Tradition als Mittel gegen Schädlinge oder Pflanzenkrankheiten haben. Ob sie aber so wirken, wie leidgeplagte Kunden sich das vorstellen, und ob der vergleichsweise hohe Preis gerechtfertig ist, bleibt offen. Am Beispiel des Grundstoffes Essig ist das kritisch zu hinterfragen. Zum einen, weil der Essig in dem Mittel stark verdünnt ist und keine Wirksamkeitsprüfung vorliegt. Zum anderen, weil jedes einzelne unerwünschte Kraut mit dem Grundstoff besprüht werden soll.

Jedes störende Wildkraut soll laut Anwendungs-Hinweis einzeln mit dem verdünnten Essig besprüht werden. Für große Flächen scheint das kaum machbar. (Bildquelle: Laarmann)

Auch Bier dient als EU-Grundstoff

Etliche Lebensmittel zählen zu den von der EU genehmigten Grundstoffen und werden als nützlich für den Pflanzenschutz angesehen: Bier, Kuhmilch, Molke, Sonnenblumenöl, Fruchtzucker und Zwiebelextrakte. Es gibt auch Grundstoffe auf der Basis von Wildpflanzen. Produkte mit Brennnessel und Ackerschachtelhalm sind bereits auf dem Markt. Mehr Infos dazu bietet das Pflanzenschutzamt Berlin in Form einer deutschsprachigen Grundstoff-Datenbank. Dort ist beispielsweise nachzulesen, dass der Grundstoff Bier als „Moluskizid“ unverdünnt im Freiland Anwendung finden darf. Im Klartext ist das die Schneckenfalle, in der die Tiere vom Geruch des Bieres angelockt in einen Behälter mit dem Gebräu plumpsen und ertrinken.

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