Sortenvielfalt selbst gemacht

Frische Reiser auf ältere Obstbäume veredeln

Mit Messer und Verbandszeug ist Johannes Holtkötter in der Obstwiese unterwegs. Das Werkzeug braucht der Nebenerwerbslandwirt zum Veredeln der Bäume. Auch Laien können das erlernen.

Im Familiengarten Oelde tragen einige Obstbäume einen Verband. Darüber wird so mancher Besucher bei einem Spaziergang über das ehemalige Landesgartenschaugelände rätseln. An dicken Ästen leuchten weiße Stoffbinden und pressen dünne Zweiglein ans alte Holz. Wer hierbei ans Transplantieren denkt, liegt richtig.

Ein frisch nachveredelter Obstbaum wirkt wie ein Patient. Tatsächlich ist eine Veredelung eine Operation. Hier wurden Zweige einer Apfelsorte auf einen Baum anderer Sorte verpflanzt. (Bildquelle: B. Lütke Hockenbeck)

Gutes vereinen

Die Obstbäume im Familiengarten sind nachveredelt worden. Veredeln ist eine Technik, mit der Gärtner junge Triebe von einer Pflanze auf eine andere übertragen. Das Ziel dabei: die Eigenschaften von zwei Pflanzenarten vereinigen. Genau diese Option reizt Johannes Holtkötter aus Oelde-Stromberg. Der 68-jährige Nebenerwerbslandwirt bewirtschaftet Streuobstwiesen mit rund 300 Hochstämmen von Obstarten wie Apfel, Birne, Kirsche, Pflaume und Quitte. Die Sortenvielfalt ist dank mehrfach veredelter Bäume deutlich größer.

Johannes Holtkötter aus Stromberg besitzt eine vielfältige Streuobstwiese und veredelt seine Bäume selbst. (Bildquelle: B. Lütke Hockenbeck)

Beim Obst- und Gartenbauverein Oelde ist Johannes Holtkötter ein beliebter Referent. Der Verein betreibt den Familiengarten als Schauanlage mit Gemüse- und Blumenbeeten sowie Obstbäumen. Hier stehen von Johannes Holtkötter nachveredelten Bäume.

Nach der Wundheilung: Die fremden Reiser wachsen am gekappten Ast wie eigene Zweige weiter. (Bildquelle: B. Lütke Hockenbeck)

Ein Baum – mehrer Sorten

Holtkötter nutzt verschiedene Veredelungsmethoden. Im Frühling funktioniert das Rindenpfropfen besonders gut. Es ist für Laien vergleichsweise leicht zu erlernen und eignet sich zum Nachveredeln von Kernobst. „Mit der Methode kann ich eine oder mehrere neue Sorten auf einen vorhandenen Baum bringen“, erklärt der Referent. So ein Mehrsortenbaum erhöht die geschmackliche Vielfalt, fördert die Befruchtung der Blüten und verlängert den Zeitraum der Ernte, wenn beispielsweise eine früh reifende Apfelsorte auf einen Baum mit einer spät reifenden Sorte veredelt wird. Ein Baum, der nachveredelt werden soll, darf schon einige Jahre stehen. Er muss aber vital sein, was am gesunden Wachstum zu erkennen ist. Der richtige Zeitpunkt zum Nachveredeln ist im Frühjahr gekommen, wenn der Pflanzensaft aus den Wurzeln in die Äste zurückfließt. Dann löst sich die Rinde leicht vom Holz. Die Zweige zum Veredeln besorgt man sich bei Nachbarn, im Familien- oder Bekanntenkreis. Es sollten einjährige, etwa bleistiftdicke Zweige von Obstsorten mit guten Eigenschaften sein. Apfelreiser überträgt man auf Apfelbäume, Birnenreiser auf Birnbäume. Quittenreise lassen sich auf Birnbäume veredeln.

Nachveredeln als Anleitung Schritt für Schritt

Veredeln: Hilfsmittel, Infos, Kurse

  • Gut für Einsteiger ist ein Set mit Veredelungsmesser, Schleifstein, Baumwachs, Bindematerialien und Info-Broschüre von Schacht.
  • Im Kreislehrgarten Steinfurt finden regelmäßig Kurse zur Obstbaumveredelung statt. Auch manche Obstbaumschulen, Naturschutz- und Biostationen bieten Veredelungskurse an oder können kompetente Ansprechpartner nennen.
  • Buchtipp: Pflanzen veredeln: Pfropfen und Okulieren – von Heiner Schmid. Ulmer Verlag, ISBN 978-3818607135, 128 Seiten, mit Fotos und Zeichnungen, 9,95 €.

Lesen Sie mehr:

Baumpflege

Streuobst: Jungbäume pflegen

von Brigitte Laarmann

Mit Hacke, Schere und Seil geht’s im Sommer auf die Streuobstwiese. Behutsame Eingriffe bringen besonders die jungen Gehölze weiter.

Obstbäume pflegen

Juniriss: Baumkrone zügig auslichten

von Brigitte Laarmann

Der Juniriss gehört zu den sommerlichen Pflegemaßnahmen an Obstbäumen. Mit dieser Methode sorgen Gärtner für Übersicht in den Obstbaumkronen. Das gelingt auch Laien.

Apfel, Birne, Zwetsche, Kirsche: Die Vielfalt macht Streuobstwiesen wertvoll und interessant. Fachleute geben Tipps zum Sortencheck.


Mehr zu dem Thema