Gartenkultur

Alte Bäume in Not

Majestätische Bäume prägen die historischen Parks in Westfalen-Lippe. Doch ihr Alter, Pflegefehler und besonders der Klimawandel setzen ihnen zu.

Seit sieben Generationen ist der Kurpark in Bad Driburg im Besitz der gräflichen Familie von Oeynhausen-Sierstorpff. Die ältesten Bäume sind rund 250 Jahre alt. Sie machen den Charme der Anlage aus. Auch alte, angeschlagene Bäume altern hier in Würde. Dennoch sind schmerzliche Verluste nicht zu vermeiden, wie der Chefgärtner Heinz-Josef Bickmann berichtet. Mehrmals im Jahr ist das Gärtnerteam des Gräflichen Parks mit einem 25 m hoch reichenden Hubsteiger im Park unterwegs, um vor allem den historischen Baumbestand zu pflegen.

Alte Äste stützen

Zu den „Schätzen“ zählt eine rund 200 Jahre alte Knorreiche. Ihre Krone wird von Jahr zu Jahr lichter. Dennoch wirken die eigenartig verdrehten Äste malerisch. Einige Stützen sollen verhindern, dass zu den vorhandenen Bruchschäden noch mehr Wunden kommen. „Ich habe diesen Baum schon als Patienten mit einer Pilzinfektion übernommen. Wir arbeiten ständig daran, sein Gerüst in Balance zu halten“, erklärt der Gärtner, der seit 39 Jahren in Diensten der gräflichen Familie steht. Welche Last kann der Baum auch bei Sturm tragen? Wie weit dürfen einzelne Äste aus der Krone ragen? Ist die Standfestigkeit noch gegeben? Das muss der Gärtner abwägen. Beraten wird er dabei von ­einem externen Baumpfleger und von Experten, die die Parkbesitzer regelmäßig hinzuziehen.

tliche Parkbäume sind mehr als 200 Jahre alt unAlte Bäume entwickeln bizarre Formen. Mit Stützen und behutsamen Auslichtungsschnitten werden sie erhalten. (Bildquelle: Laarmann)

Während man alten oder kranken Bäumen früher Stahlseile in die Kronen schraubte und stabilisierende Eisenstangen ins Holz rammte, sind solche brachialen Eingriffe heute verpönt. Behutsames Auslichten, Kürzen und Stützen bekommt den alten Bäumen nach Heinz-Josef Bickmanns Erfahrungen besser.

Baumpflege früher: Hohlräume wurden mit Eisenstangen stabilisiert. Solche Eingriffe lehnen die Driburger Baumpfleger heute ab. (Bildquelle: Laarmann)

Reife Gärten

Stößt ein Baum Äste ab, ist das oftmals schlicht dem Alter geschuldet. Nicht nur in Bad Driburg ist das so, berichtet Marcus Weiß vom Landschaftsverband Westfalen-Lippe. Er berät die Besitzer von Gartenanlagen, die unter Denkmalschutz stehen, bei Fragen zur Pflege und Umgestaltung. „In vielen historischen Parks und Gärten ist der Baumbestand überaltert“, berichtet der Experte. So sei eine Parkbuche mit 150 Jahren sehr alt. Bäume dieser Altersklasse gibt es reichlich in den rund 300 kulturell bedeutsamen Gärten und Parks der Region. „Wir sprechen von reifen Gärten. Dort lässt die Vitalität der Bäume nach“, erklärt der Experte. Die schwächer werdenden Bäume reagieren empfindlich auf Krankheiten, Schädlinge, Stürme und Klimaveränderungen.

Auch falsche oder fehlende Pflege macht den älter werdenden Parkbäumen zu schaffen. Ein typisches Beispiel im Bad Driburger Kurpark sind Bäume mit so genannten Zwieseln. Sie konnten zwei Stämme entwickeln, ohne dass dies korrigiert wurde. Die Gabelungen solcher Zwiesel sind klassische Eintrittspforten für Fäulniserreger. „Das fällt uns dann nach 50 Jahren oder später auf die Füße“, konstatiert Gärtner Bickmann.

Bleiben Zwiesel bestehen, kann sich in der Verzweigung eine Faulstelle bilden. Auch steigt die Gefahr, dass einer der beiden Äste irgendwann bricht. (Bildquelle: Laarmann)

Eichen und Buchen vertrockneten

Der Klimawandel konnte dem Kurpark bisher nur wenig anhaben, weil zahlreiche Quellen den Boden in Bad Driburg, Kreis Höxter, stets feucht halten.Dramatischer sieht es beispielsweise im Westmünsterland auf leichten Böden aus, die wenig Wasser halten. „In den vergangenen drei Jahren ging ein großer Teil an Eichen und Buchen verloren“, bedauert Angela Christians, verantwortlich für die Öffentlichkeitsarbeit bei der Wasserburg Anholt in Isselburg, Kreis Borken. Der Landschaftspark im Besitz der Fürstenfamilie zu Salm-Salm birgt eine Vielzahl geschichtsträchtiger Bäume. Viele lassen sich bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts zurückverfolgen, einige sind sogar noch älter. Um jede dieser „Baumpersönlichkeiten“ werde gekämpft, berichtet Angela Christians. Sie ergänzt: „Teilweise erscheinen die Bäume dann anders, wenn Kronen ausgeschnitten werden müssen.

Verluste darf man sehen: Der Baumstumpf im Park der Wasserburg Anholt erinnert an eine Blutbuche, die im Sturm fiel. (Bildquelle: Wasserburg Anholt)

Keine Ulmen, keine Eschen

Die größte Herausforderung in der Baumpflege ist es, das „Gesicht“ einer historischen Anlage im Sinne der einstigen Planer zu erhalten. Gleichzeitig sollen die Parks für kommende Generationen attraktiv bleiben. Im gräflichen Kurpark Bad Driburg lässt die Familie von Oeynhausen-Sierstorpff jährlich 50 bis 150 Bäume in dem 64 ha großen Landschaftspark neu pflanzen. Wo hochbetagte, markante Parkbäume stehen, plant der Chefgärtner in der passenden Sichtachse frühzeitig Nachfolger derselben Art oder Sorte. Auch setzt er verschiedene Baumarten als kleine Gruppen wie es früher im Park üblich war.

„Manchmal ist es aus gärtnerischer Sicht nicht sinnvoll, dieselbe Art nachzupflanzen“, sagt der Fachmann. So war eine historische Ulmenallee nicht zu halten. Sie wurde durch Eichen ersetzt. Die meisten Eschen fielen dem Triebsterben, einer Pilzkrankheit, zum Opfer. Wo es konzeptionell passt und der Gartenhistorie nicht schadet, werden auch Arten gepflanzt, die ursprünglich nicht zum Pflanzenbestand gehörten. Neu sind zum Beispiel rotblühende Kastanien, weil sie widerstandsfähiger gegenüber schädlichen Miniermotten sind als die weißblühenden. Auch kommen Baumarten aus Nord- und Mittelamerika in den Park, von denen man heute schon weiß, dass sie den künftigen Klimaanforderungen besser gewachsen sind als beispielsweise Buchen. Dazu gehören Amberbaum, Robinie und Sumpfeichen.

Robuste Bäume

„Aufgrund der Sammelleidenschaft vieler Gartenkünstler können wir in historischen Gärten gut ablesen, welche Arten und Sorten von Bäumen auf unseren Standorten langfristig gut wachsen und welche auch im Alter gut mit Trockenheit, Hitze oder Sturmereignissen zurechtkommen“, sagt Jens Spanjer, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Gartenkunst und Landschaftskultur. Wissenschaftliche Untersuchungen zu den Zukunftsbäumen laufen. So pflanzte Dr. Manfred Forstreuter im Botanischen Garten der Freien Universität Berlin im Jahr 2002 rund 250 Rotbuchen auf, um besonders robuste Exemplare zu finden.

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