Ruhig und geduldig sitzt Claudia Greshake im Stroh und wartet. Als eines ihrer Kaninchen angehoppelt kommt, belohnt sie es mit einer Streicheleinheit. „Bei Tierbegegnungen gilt immer das Gebot der Freiwilligkeit“, macht die Biologin deutlich. Auf dem Erlebnisbauernhof und Milchviehbetrieb in Velbert, Kreis Mettmann, leben zahlreiche Bauernhoftiere.
Achtung, Feind von oben!
Seit 18 Jahren finden auf Gut Hixholz Erlebnis-Begegnungen zwischen Mensch und Tier statt. Unter den Besuchern sind nicht nur Kinder. Auch Jugendliche und Erwachsene kommen im Rahmen von Aus- und Fortbildungen auf den Hof von Familie Greshake. Alle müssen sich dabei an die gleichen Regeln halten. „Bei uns im Stall dürfen die Kaninchen nicht hoch genommen werden“, erklärt Claudia Greshake. „Für mich hat Packen etwas von Beherrschen.“
Um Kindern deutlich zu machen, wie sie auf die kleinen Tiere wirken, arbeitet die 57-Jährige oftmals mit Gedankenexperimenten. Sie stellt den Besuchern einfache Fragen: Wie würdest du dich fühlen, wenn du so klein wärst und ein großes Wesen dich hoch heben würde? Wäre dieses Wesen dein Freund oder dein Feind? „Den Kindern wird dann meist recht schnell klar, dass ein zurückhaltendes Verhalten für die Kaninchen schöner wäre“, erzählt Claudia Greshake. In Situationen, in denen die Kaninchen sich bedroht fühlen, bleiben ihnen nur zwei Optionen: weglaufen oder beißen. Da Ersteres zu Hause häufig nicht geht, weichen die Langohren im Notfall auf Beißen aus. „Fernab von Verletzungen ist das Gefühl, dass ein Tier freiwillig Nähe sucht, viel schöner, als ein aufgezwungenes Kuscheln“, sagt Claudia Greshake bestimmt.
Zwischen Freude und Frust
„Natürlich heißt das, dass die Besucher auch mal mit Frust umgehen müssen.“ Kommt dieses Gefühl oder gar Angst auf, passiert es schon mal, dass einzelne Gäste sich unangemessen gegenüber den Tieren verhalten. Sie stürmen zum Beispiel auf die Tiere zu oder schreien laut. „Meistens muss ich dann überhaupt nicht meckern“, lächelt Claudia Greshake, „Die Tiere spiegeln das Verhalten ihrer Besucher zurück. Ärgert der Mensch, geht das Tier.“ In diesem Fall versucht die geübte Erlebnisbäuerin, die Kinder erneut mit einfachen Fragen dazu zu bringen, ihr Fehlverhalten zu verstehen: „Was glaubst du, warum das Kaninchen weggelaufen ist?“
Ein Stock als Grenze
Im Kaninchenstall des Erlebnisbauernhofs ist viel Platz. Einen Großteil dürfen Besucher nicht betreten. Eine Linie aus Stöcken markiert die Grenze. „Heute Morgen waren Kinder hier, die die Grenze noch weiter zugunsten der Kaninchen verschoben“, strahlt Claudia Greshake, „Den Kindern fiel auf, dass vier Baby-Kaninchen in einem Unterschlupf hocken. Sie kamen auf die Idee, dass diese besonderen Schutz brauchen.“
„Kaninchen bieten die Möglichkeit für empathische Begegnungen“, ist Claudia Greshake überzeugt und weiß: „Menschen lernen schnell, sich in die Situation von Schwächeren hineinzudenken. Sie brauchen oft nur einen kleinen Anstoß.“
Der kleine Kaninchen-Knigge
- Im Stall oder im Auslauf brauchen Kaninchen einen Ort, an dem sie sich zu jeder Zeit zurückziehen können. Ohne Versteck und Fluchtmöglichkeit auf einer Wiese zu sitzen, ist für Kaninchen unnatürlich.
- Ein Tier muss freiwillig kommen, nicht nur, weil es Hunger hat. Futter muss immer auch unabhängig von Annäherungsversuchen der Menschen zur Verfügung stehen.
- Kaninchen sollte man nicht ohne Grund hochnehmen.
- Erst beobachten, dann berühren.
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