Es sind ambitionierte Ziele: Auf Bundesebene soll der Ökolandbau bis 2030 etwa ein Drittel der landwirtschaftlichen Fläche ausmachen. Aktuell sind es etwa 10 %. Auch die EU fordert den Ausbau, und die neue Landesregierung in Düsseldorf will die Rahmenbedingungen für ökologisch wirtschaftende Betriebe verbessern. Die Ampel steht auf Grün für die ökologische Landwirtschaft. Auf Haus Riswick haben wir mit fünf jungen Landwirten darüber gesprochen. Dort in Kleve gibt es eine Fachschule für Agrarwirtschaft und eine für Ökologischen Landbau, die einzige dieser Art in NRW.
Der Innovative
Blick auf die eigene Lage:
Clemens Terporten besucht die Öko-Fachschule, stammt aber von einem konventionellen Milchviehbetrieb mit 200 Kühen in Nettetal im Kreis Viersen. Den übernimmt sein älterer Bruder. Der 22-Jährige ordnet sich selbst zwischen ökologischer und konventioneller Landwirtschaft ein – daher auch sein Schritt an die Ökoschule. Er will seinen Horizont erweitern und neue Ideen sammeln.
Auf Dauer möchte Clemens die Schweinehaltung seines Onkels weiterführen. Dort hat er nicht nur während des Gesellenjahres gearbeitet, sondern kümmert sich auch nach dem Unterricht um die Tiere. Sein Onkel mästet über 2000 Schweine im Außenklimastall auf Stroh. Der Betrieb vermarktet alles komplett regional – aber nicht als Biofleisch. „Nur im Umkreis von maximal 200 km – das ist uns wichtig. Unser Fleisch ist aber ein Nischenprodukt. Wir versuchen, konventionelle, ökologische und eigene Aspekte zu verbinden. So unterscheiden wir uns von allen anderen“, erzählt Clemens. So haben sie zum Beispiel eigene Transporter für den Weg der Tiere zum Metzger. „Preislich liegen wir zwischen konventionellem und Biofleisch. Wir kommunizieren unsere Haltung klar über unsere Marke.“
Doch warum stellen sie nicht auf Bio um? „Bei Bio ist es schwierig, auf einen Schlag an viele Ferkel zu kommen. Und Bioferkel aus Dänemark zu importieren, ist für mich nicht bio.“ Daher setzen er und sein Onkel auf ihre eigene Form der Haltung. Dazu beziehen sie Ferkel von zwei Erzeugerbetrieben in der Umgebung.
Wenn Clemens sich in Zukunft sowohl um die Produktion als auch die Vermarktung kümmert, könnte der 22-Jährige sich vorstellen, den Betrieb noch mal komplett umzukrempeln. „Der Plan, einen Stall zu bauen und ihn dann 20 Jahre unverändert zu betreiben, funktioniert nicht mehr“, ist er sich sicher. Sein Motto lautet: „Mein Betrieb soll immer zehn Jahre vor den anderen sein.“
Wie wird sich die Biobranche entwickeln?
„30 % Ökolandbau bis 2030 wird schwierig. Es werden nicht genug Betriebe umstellen“, meint Clemens. „Wenn es zu viele Biobetriebe gibt, beginnt das Drücken der Preise. Das sieht man jetzt schon bei der Biomilch“, sagt der junge Landwirt und ergänzt: „Wenn 30 % der Fläche erreicht werden sollen, dann stellen auch große konventionelle Betriebe um. Vor allem für die Ur-Biobetriebe, die aus Überzeugung ökologisch produzieren, wird es dann schwierig“, vermutet er und prognostiziert Preisverfall und Verdrängung.
Was kann man von der konventionellen Landwirtschaft lernen?
Clemens nennt die Effizienz der konventionellen Landwirtschaft als Vorbild. „Durch die Extensivierung im Ökolandbau werden manchmal wertvolle Ressourcen verschwendet. So braucht man zum Beispiel mehr Futter fürs Tier.“
Die Herdenmanagerin
Blick auf die eigene Situation:
Theresa Lamers aus Bedburg-Hau im Kreis Kleve stammt von einem Sauenbetrieb, den ihr älterer Bruder übernimmt. Ihre Leidenschaft gehört aber den Kühen. Nach dem Abschluss der konventionellen Klasse wird sie auf einem Milchviehbetrieb als Herdenmanagerin arbeiten. Im Gesellenjahr war sie beim Betriebshilfsdienst. „Als angestellte Arbeitskraft bekomme ich ein festes Einkommen und habe halbwegs geregelte Arbeitszeiten“, nennt sie die Vorteile ihres Weges.
Wie wird sich die Biobranche entwickeln?
Fast ein Drittel Ökolandbau hält Theresa für kritisch. Der Fleischkonsum sinkt, für mehr vegetarische Ernährung müssen die Äcker aber intensiver genutzt werden. „Ökologisch hat man nicht so einen hohen Ertrag. Konventionell lassen sich Krankheiten auf dem Acker besser behandeln und auch gezielter düngen“, beschreibt sie.
Was kann man konkret vom Ökologischen Landbau lernen?
„Alternative Heilmethoden können den Medikamenteneinsatz reduzieren“, sagt Theresa. „Falls diese nicht wirken, kann man auf bewährte Mittel zurückgreifen.“Patrick Otte
Der Existenzgründer
Blick auf die eigene Situation:
Für Lucas Brüne kam nur die Öko-Fachschule infrage. Der 27-Jährige stammt ursprünglich aus Velbert im Kreis Mettmann und wuchs dort in einer ökologischen Betriebsgemeinschaft auf. Er selbst hat auf verschiedenen Biobetrieben in ganz Deutschland seine Ausbildung gemacht und im Anschluss gearbeitet.
Da Lucas sich selbstständig machen möchte, hat er sich für den Weg zum Agrarbetriebswirt entschieden. Sein Traum ist ein eigener Betrieb mit 50 Biosauen in autarken Mobilen plus Marktfruchtanbau – vermutlich irgendwo in Süddeutschland. „Die Nachfrage nach solchen Ferkeln ist groß. Um die Erlöse mache ich mir keine Sorgen“, zeigt er sich selbstbewusst. Auch für die Suche nach einem eigenen Betrieb ist er optimistisch. „In der Biobranche gibt es Genossenschaften wie die GLS-Bank oder die Kulturland-Genossenschaft. Sie fördern Existenzgründungen“, erzählt er. Mit einem guten Businessplan sei es möglich, einen Hof samt Land über sie zu pachten. Diese Genossenschaften kaufen gezielt Flächen, damit sie ökologisch bewirtschaftet werden.
Wie wird sich die Biobranche entwickeln?
Ob die 30 % Ökolandbau erreicht werden, spielt für Lucas eine untergeordnete Rolle. „Ich finde wichtig, wozu man umstellt“, sagt er und verweist auf große Unterschiede bei den Richtlinien, zum Beispiel zwischen EU-Bio und Bioland. Für ihn muss in der Landwirtschaft generell ein Umdenken stattfinden: weg vom ständigen Wachsen der Bestände und einer Exportorientierung. „Wir sollten die Produkte, die wir hier in Deutschland herstellen, auch hier vermarkten.“ Lucas hofft, dass Schweinefleisch auf dem Markt weniger wird, nicht nur um die Preise zu verbessern. „Schweine sind Eiweißvernichtungsmaschinen. Du steckst viel rein und bekommst wenig raus“, fasst er zusammen.
Was kann man von der konventionellen Landwirtschaft lernen?
„Egal ob konventionell oder biologisch wirtschaftend: Wir alle können voneinander lernen“, sagt Lucas. „Gerade vom Fortschritt der Technik, wie beispielsweise der Robotertechnik im Stall, kann auch die Biolandwirtschaft profitieren.“
Die Einzige in NRW
Ob als Betriebsleiter, als Fachkraft bei Verbänden oder Kontrollstellen des Ökologischen Landbaus, für den Zugang zur Fachhochschule oder für eine Laufbahn des mittleren landwirtschaftlichen technischen Dienstes: Die Fachschule für Ökologischen Landbau NRW (Ökoschule)in Kleve vermittelt das nötige Know-how. Die Schule darf jeder besuchen, der einen Hauptschulabschluss, eine abgeschlossene Berufsausbildung in der Agrarwirtschaft, zum Beispiel Landwirt oder Gärtner, hat oder fünf Jahre landwirtschaftliche Praxiserfahrung mitbringt. Nach zwei Jahren Vollzeitunterricht endet die Schulzeit mit dem Abschluss „staatlich geprüfter Agrarbetriebswirt Schwerpunkt Ökologischer Landbau“. Infos und Kontakt: Fachschule für Agrarwirtschaft, Schwerpunkt Ökologischer
www.oekolandbau.nrw.de
Der Angestellte
Blick auf die eigene Situation:
Tim Riedling aus Nettetal, Kreis Viersen, hat gerade seinen Agrarbetriebswirt an der konventionellen Fachschule gemacht. Für den 22-Jährigen, dessen Eltern keinen Hof haben, stand schon in der achten Klasse fest, dass er Landwirt werden möchte.
Er ist auf einem Betrieb mit 300 Milchkühen plus Futterbau, Rüben und Getreide angestellt. Sein Chef setzt seit zwei Jahren wieder verstärkt auf eigene Maschinen und weniger auf Lohnunternehmer. „So ist er einfach flexibler“, sagt Tim. Flexibel ist auch Tim. Er ist nicht nur auf dem Acker im Einsatz, sondern auch im Stall und kümmert sich um den Auszubildenden. Einen eigenen Betrieb strebt Tim nicht an.
Wie wird sich die Biobranche entwickeln?
„Wir müssen den Verbrauchern zeigen, dass es zwischen rein konventioneller und rein ökologischer Produktion auch noch andere Betriebe gibt. Die Spannbreite dazwischen muss aber auch honoriert werden“, meint Tim. Er meint, dass der Ökolandbau vom Ertrag an seine Grenzen stößt. So lassen sich zum Beispiel kriegsbedingte Ausfälle beim Getreide aktuell nicht kompensieren, aber auch auf Dauer eine wachsende Weltbevölkerung nicht ernähren. Ihm ist aber wichtig, dass beide Seiten voneinander lernen.
Was kann man konkret vom Ökologischen Landbau lernen?
„Ganz klar die mechanische Unkrautbekämpfung mit Hacke und Striegel“, ist Tim überzeugt.
Der Betriebsnachfolger
Blick auf die eigene Situation:
Die Eltern von Dominik Smits aus Wachtendonk im Kreis Kleve haben eine Ferkelaufzucht und Schweinemast. Der 22-Jährige hat gerade die konventionelle Klasse abgeschlossen und wird im Sommer zu Hause einsteigen. Die Familie hält ihre Schweine mit Auslauf auf Stroh. „Wir sind für die Zukunft gut aufgestellt. Noch sind wir Nische, in Zukunft wird das auch in der konventionellen Haltung Standard sein“, ist er überzeugt.
Der Betrieb bekommt die Ferkel mit knapp 6 kg und verkauft sie als Mastferkel mit 30 kg. Das Umstellen auf Bio ist aber keine Option. „Wir sind noch relativ abhängig von der konventionellen Haltung, zum Beispiel, um Medikamente bei Bedarf einsetzen zu können. Auch beim Futter ist es schwierig, komplett auf Bio umzustellen“, meint der Betriebsnachfolger.
Wie wird sich die Biobranche entwickeln?
Dominik geht davon aus, dass die Gesamtmenge an Fleisch weniger wird, da die Nachfrage schrumpft. „Die Kunden fordern immer mehr Tierwohl und eine nachhaltige Tierhaltung“, sagt er und betont: „Das muss auch mit einem höheren Preisniveau entlohnt werden.“ Für ihn wird sich die konventionelle Haltung ändern und in Zukunft sollte man die Vorteile aus beiden Produktionswegen nutzen.
Was kann man konkret vom Ökologischen Landbau lernen?
„Die mechanische Unkrautbekämpfung wird in den nächsten zehn Jahren im konventionellen Ackerbau noch stärker eingesetzt werden. Die Technik funktioniert gut und ist effizient“, sagt Dominik Smits.
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