Ausbildung auf der Kläranlage

Fabian Haking kümmert sich mit seinen Kollegen um das Abwasser der Stadt Hörstel. Als Fachkraft für Abwassertechnik braucht er Kraft und Köpfchen.

Durch das Mikroskop entdeckt Fabian Haking seine kleinsten Kollegen: winzige Bakterien. Er kontrolliert ihre Art und Anzahl. Im Belebungsbecken der Kläranlage helfen sie ihm, dass Abwasser der Stadt Hörstel im Kreis Steinfurt zu reinigen. Dieser biologischen Reinigung vorweg ­gehen einige mechanische Schritte.

Den reibungslosen Ablauf der einzelnen Klärschritte steuern der 25-Jährige und seine Kollegen aus Fleisch und Blut. Dazu prüft Fabian einmal die Woche im Labor Proben aus den verschiedenen Becken der Anlage. Wichtig ist dabei, dass nach der Klärung die fest­geschriebenen Grenzwerte eingehalten werden, damit pro Tag etwa 3000 m3 geklärtes Wasser in die Hörsteler Aa fließen.

Fortschritt statt Rückschritt

Fabian ist seit mehr als drei Jahren Teil des sechsköpfigen Teams der Kläranlage. Vor wenigen Wochen hat er seine Lehre zur Fachkraft für Abwassertechnik erfolgreich beendet. Die Aufgaben im Labor kannte der junge Mann schon.

Denn Fabian ist auch ausgebildeter Umwelttechnischer Assistent (UTA). Bei dieser rein schulischen Ausbildung dreht sich vieles um die Analytik im Labor. Danach begann er an der Fachhochschule Münster „Energie- und Gebäudetechnik“ zu studieren. Das Studium schmiss er aber nach drei Semestern. „Es war mir zu theoretisch“, gesteht er. ­Zunächst jobbte er als Chemie­laborant, stieß dann aber auf die Ausschreibung der Stadt.

Auch wenn Bekannte meinten, es sei ein Rückschritt, bereut der Münsterländer den Entschluss nicht: Denn die Arbeit auf der Kläranlage ist vielseitig – ganz anders als die eintönige Laborarbeit in ­seinem vorherigen Job. „Eine Kläranlage ist wie ein großer Haushalt. Hier fällt immer Arbeit an“, vergleicht er.

Fabian Haking sichtet am Mikroskop Bakterien aus dem Belebungsbecken. (Bildquelle: Otte)

Pumpen unter der Lupe

Auf einer mittelgroßen Kläranlage wie in Hörstel kommt jeder Mitarbeiter in allen Bereich zum Einsatz. Und der Azubi ist gleich mittendrin – auch im Außendienst. Auf der sogenannten „Pumpentour“ kontrollieren Fabian und seine Kollegen die 30 Pumpwerke der Stadt, die das Abwasser zur Kläranlage befördern. Außerdem wartet und reinigt das Team der Kläranlage die etwa 600 Kleinpumpwerke im Außenbereich. Hinzu kommt die Kanalisation der Kommune. Sie checken regelmäßig die Rohre und ordern bei Bedarf einen Spülwagen zum Reinigen.

Fabian schraubt gerade an einer ausgebauten Pumpe des Sand­fanges der Kläranlage. In diesem Becken setzen sich Sand und Steinchen ab. Der Pumpenmotor braucht eine neue Kupferspule. „Vor der Ausbildung hatte ich zwei linke Hände. Jetzt nur noch anderthalb“, lacht Fabian. Die Steuerungen der Pumpen sind meist elektronisch. Daher beherrscht Fabian nun auch Spannungsprüfer und Seitenschneider.

Mittlerweile gehen ihm diese Arbeiten schnell von der Hand. Das muss es auch. Denn als ausgebildete Fachkraft hat er im Wechsel Rufbereitschaft. Das bedeutet, dass er bei Störungen auch am Wochenende oder nachts rausfährt. „Die Fehlersuche ist immer anders. Es gibt zwar einen Leitfaden, doch oft muss ich improvisieren“, sagt er. Diese Detektivarbeit reizt ihn an dem Job.

Fachkraft für Abwassertechnik

Voraussetzung: Empfohlen wird die Fachoberschulreife.

Dauer: Meist drei Jahre. Mit guten Noten lässt sich die Ausbildung auf zwei Jahre verkürzen.

Entlohnung: Im ersten Ausbildungsjahr gibt es im öffentlichen Dienst bis zu 1070 € brutto im Monat. Im zweiten liegt der Lohn bei bis zu 1130 € brutto und im dritten bei bis zu 1190 € brutto.

Einstiegsgehalt: Nach ihrer Ausbildung steigen die Fachkräfte im öffentlichen Dienst mit etwa 2600 € brutto im Monat ein.
Tätigkeit: Fachkräfte für Abwassertechnik reinigen Abwässer und ­warten Abwasserrohrsysteme. Dazu überwachen und steuern sie die Betriebs­abläufe in kommunalen Kläranlagen oder bei großen Unternehmen.

Berufsschule: Die angehenden Fachkräfte in NRW werden im Blockunterricht am Hans-Schwier-Berufskolleg in Gelsenkirchen unterrichtet. Dort stehen Elektrotechnik, Chemie, Mathe sowie Umwelttechnik auf dem Lehrplan.

Fortbildung: Fortbildungen sind Abwassermeister oder Techniker. Wer Fachabi hat, kann Chemietechnik oder Biotechnologie studieren.

Nichts für feine Nasen

Die Fachkraft für Abwassertechnik kümmert sich auch um den Klärschlamm. Das ist mehr oder weniger der feste Rest der Klärung. ­Fabian entwässert das Gemisch mit Eisen und Kalkmilch. Der getrocknete Schlamm landet später zum Teil als Dünger auf den Äckern und riecht kaum noch.

Dass der Geruch auf einer Kläranlage dazugehört, ist kein Geheimnis. „Ich habe mich daran aber schnell gewöhnt“, sagt Fabian. Nur am Rechen – der ersten Stufe der mechanischen Reinigung, wo die groben Reste aus Toilette und Abfluss landen – stinkt es. Ein zu feines Näschen sollten Abwassertechniker daher nicht haben. Auch sollten sie mit Schmutz kein Pro­blem haben.

Manche hält das Image vom angeblichen Drecksjob von der Aus­bildung ab. „Sie sehen nicht die Abwechslung und den Gehirnschmalz, den wir hier reinstecken“, sagt Frank Buddemeier. Er leitet die Kläranlage. An sich hätten sie immer einen Azubi. In diesem Jahr haben sie keinen gefunden. Zum nächsten Lehrjahr stellen sie wieder einen ein.

„Eine solche Kläranlage ist ideal für die Ausbildung. Der Lehrling lernt die Breite des Berufes kennen“, sagt der Abwassermeister. Außerdem hat man in wenigen Berufen so unmittelbar Anteil an einer sauberen Umwelt. „Unsere Arbeit ist praktischer Umwelt­schutz“, ist Fabian von ­seiner Aufgabe überzeugt. Gerne möchte er sich zum Abwassermeister weiterbilden. Denn er mag diesen Mix aus Mechaniker, Laborant und Elektroniker.

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