Kreis Recklinghausen: Petra Bauernfeind-Beckmann
Jahrgang: 1966
Beruf: gelernte Industriekauffrau, seit 15 Jahren als persönliche Assistentin bei einem großen Energieerzeuger in Essen
Vorsitzende der Kreisjägerschaft: seit 30. April 2016
Ämter zuvor: von 2013 bis 2017 Schriftführerin beim Hegering Waltrop, von 2011 bis 2015 Obfrau der Jägerinnen und von 2012 bis 2016 Schriftführerin der KJS Recklinghausen.
Wochenblatt: Was hat Sie motiviert, das Amt der Vorsitzenden zu übernehmen?
Bauernfeind-Beckmann: Ich war überrascht, aber auch erfreut, als mein Vorgänger und sein Stellvertreter mir das Amt angetragen und mir den Vorsitz zugetraut haben. Die Möglichkeit, im lokalen Umfeld das Jagdgeschehen aktiv mitzugestalten, hat mich dann doch sehr gereizt. Jedoch hatte ich Bedenken, ob ich zeitlich in der Lage wäre, das Amt ausüben zu können, weil ich Vollzeit berufstätig bin. Als ich Vorsitzende wurde, war ich 49 Jahre alt. Bis dahin gehörte ich zu den „Jüngeren“ im erweiterten Vorstand. Für eine positive Außenwirkung der Jagdverbände finde ich es wichtig, wenn die Öffentlichkeit wahrnimmt, dass Jagd eben nicht nur ältere Herren im Lodenmantel sind.
Wie sehen Sie das Verhältnis zwischen Landwirtschaft und Jägerschaft?
Bauernfeind-Beckmann: Die gemeinsame Schnittmenge bei Landwirten und Jägern ist groß und beide haben ein Imageproblem: die Landwirte sind aktuell der „Buhmann“ der Nation (Stichwort: Massentierhaltung, intensive Landwirtschaft, Fleisch essen ist nicht mehr beliebt), die Jäger haben das Problem, die Jagd rechtfertigen zu müssen in einer modernen, sich rasend schnell entwickelnden Umwelt, in der ein Großteil der Bevölkerung nur in Plastik verpacktes Fleisch kennt und keinen Gedanken daran verschwendet, dass zum Beispiel für die Bratwurst auch ein Tier gestorben ist. Beide Seiten erfahren nicht genügend oder kaum Wertschätzung, obwohl sie einen wichtigen Auftrag erfüllen: die Versorgung der Bevölkerung mit regionalen und hochwertigen Lebensmitteln, die Landwirte natürlich im großen Stil, die passionierten Jäger im kleinen.
Die gesamtgesellschaftlichen Aufgaben Umwelt-, Arten-, Naturschutz und Biodiversität sind derzeit in aller Munde. Es wäre wünschenswert, wenn hier Jäger und Landwirte noch aktiver als bisher würden. Durch sinnvolle Projekte können beide Seiten positiv auf sich aufmerksam machen. Es bieten sich vielfältige Möglichkeiten, den Lebensraum für wild lebende Tiere zu verbessern, zum Beispiel durch Blüh-, Schutz- und Schonstreifen, alternative Energiepflanzen, doppelter Saatreihenabstand, vielfältige Kulturen im Ackerbau, Brachstreifen an Äckern und Gewässern. In den vergangenen drei Jahren konnten mit Unterstützung der Landwirtschaftskammer NRW die Vertragsnaturschutzflächen auf Äckern verdoppelt werden. Diese Projekte müssen unbedingt weitergeführt und ausgeweitet werden! Es muss aber nicht unbedingt Vertragsnaturschutz sein. Es gibt vielfältige Möglichkeiten für Jäger und Landwirte, verantwortungsvoll zusammenzuarbeiten. Es gilt zu überlegen, welche Maßnahmen wo Sinn machen. Für sie erhält der Landwirt finanzielle Förderung, dem Verlust von natürlichen und naturnahen Lebensräumen kann entgegengewirkt werden und wild lebende Tiere erhalten ihre dringend benötigten Lebensräume zurück.
Mehr Lebensraum für Niederwild und Bodenbrüter geht jedoch alternativlos mit konsequenter Raubwildbejagung einher, ansonsten wäre das neu geschaffene Refugium ein reich gedeckter Tisch für alle Beutegreifer. Nicht zuletzt kann sich die Allgemeinheit an der bunten Artenvielfalt erfreuen. Wer einmal Blühstreifen in bunter Pracht erlebt hat, voll mit Schmetterlingen, Insekten und dem Summen der Wildbienen, der weiß, was ich meine. Beide Seiten müssen bereit sein, noch mehr Verantwortung für Umwelt-, Natur- und Artenschutz zu übernehmen, und zwar gemeinsam.
Jagen Männer anders als Frauen?
Bauernfeind-Beckmann: Ich bin der Meinung, dass die Antwort auf diese Frage vielmehr in der Persönlichkeit einer Jägerin/eines Jägers liegt. Ich würde eher unterscheiden, ob und wie viel Erfahrung/Routine jemand hat. Wer im eigenen Revier jagen kann oder eine regelmäßige Jagdmöglichkeit hat, hat natürlich viel mehr Möglichkeiten, Erfahrungen zu sammeln. Praxiserfahrung ist das eine, ein entsprechender Beutetrieb das andere. Ich kenne Männer und Frauen, denen es nicht so wichtig ist, auf einer Treib- oder Ansitzjagd zum Schuss zu kommen. Es geht vielmehr um die Freude, einen Jagdtag mit netten, gleichgesinnten Menschen zu verbringen. Kurz gesagt: Am Ende des Tages möchte ich sagen können, dass meine Jagdfreunde und ich waidgerecht gejagt haben, nicht typisch männlich oder weiblich.