Dr. Roda Verheyen, Rechtsanwältin und Richterin am Hamburger Verfassungsgericht, ist Spezialistin für Umwelt-, Planungs- und Öffentliches Baurecht. Sie gibt Tipps für den Rechtsbeistand im Fall von gerichtlichen Auseinandersetzungen.
Mitglieder der Bürgerinitiativen gegen den Bau der B 64n aus den Kreisen Warendorf und Gütersloh haben sich Ihren Rechtsbeistand für den Fall gerichtlicher Auseinandersetzungen gesichert. Haben sie dazu einen Vertrag mit Ihnen geschlossen?
Wir vertreten als Kanzlei seit Jahrzehnten Betroffene von Straßenbauvorhaben. An der Betroffenengemeinschaft kann sich (auch jetzt noch) jeder beteiligen durch einen Auftrag und eine Vollmacht. So haben wir ein formelles Mandat. Als Rechtsanwältin habe ich dann den Auftrag, die Personen im Planfeststellungsverfahren zu vertreten. Alle eint ein Ziel: Die Straße soll möglichst nicht gebaut werden.
Wann kommen Sie als Rechtsanwältin im Fall der B 64n zum Einsatz – wenn ein Planfeststellungsbeschluss vorliegt? Oder bereits früher?
Wir sind schon seit Langem in der Beratung tätig. Das geht zurück auf die Stellungnahmen im Verfahren zum Bundesverkehrswegeplan im Jahr 2016. Wir prüfen aktuell gerade die neuen Verkehrsuntersuchungen, die für die Planfeststellung erstellt wurden. Der erste formelle Schritt wird jetzt wohl in Herzebrock-Clarholz gegangen: Dort sind Einwendungen zu schreiben, wenn die öffentliche Auslegung der Unterlagen stattgefunden hat, das sollte eigentlich noch in diesem Jahr geschehen.
Lässt sich eine Straße planungsrechtlich verhindern? Oder schauen Sie eher nach Umweltbelangen?
Der Neubau von Straßen ist aus meiner Sicht im Jahr 2022 kaum mehr zu rechtfertigen. Wir haben in Deutschland eines der dichtesten Straßennetze der Welt und sind gleichzeitig von unseren Klimazielen im Verkehrssektor weit entfernt. Die Verkehre der Zukunft (sowohl private Mobilität als auch Güterverkehre) müssen sich aus Klimaschutzsicht und auch zum Zweck der Flächenschonung verändern – das sage nicht ich, sondern auch das Bundesverfassungsgericht. Ich werde für meine Mandantinnen und Mandanten alle rechtlichen Gesichtspunkte vortragen, die sich anbieten. Formale Fehler genauso wie inhaltliche Fehler beim Prüfen von Klimaschutz- oder Naturschutzbelangen oder bei der Verkehrsprognose.
Sollten Betroffene mit Einwänden gegen den Neubau einer Straße warten, bis der Klageweg offen steht oder sollten sie schon früher aktiv werden?
Bürgerinnen und Bürger sollten in jeder Phase der Planung ihre Bedenken vorbringen. Das Gericht kann immer noch entscheiden. Aber für die technischen Feinheiten, die man im Verfahren durchaus erreichen kann, ist es dann vielleicht zu spät. Es ist wichtig, auch an den Feinheiten zu arbeiten und sich zu beteiligen. Denn wenn eine Straße kommt, sollten die lokalen Anforderungen erfüllt sein, also Zufahrten, landwirtschaftliche Wege, Querungen für Fußgänger und Radfahrer und besserer Lärmschutz.
Was der Rechtsschutz leistet
Ist ein Rechtsstreit gegen den Planfeststellungsbeschluss einer Straße im Leistungsumfang der Rechtschutzversicherung enthalten? Das sollten Betroffene mit ihrem Versicherer klären. Nach unseren Recherchen unterliegen diese Streitigkeiten bei vielen Anbietern dem Risikoausschluss. Es gibt aber Ausnahmen. So teilte uns beispielsweise die LVM Versicherung mit, dass ihre Landwirtschafts-Kombi-Rechtsschutzversicherung mit den Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung (ARB) seit 2012 oder aktueller bei einem Rechtsstreit um einen Planfeststellungsbeschluss greift.
Das Versicherungsunternehmen konkretisierte: „Die ARB 21 sehen einen Versicherungsschutz mit einem Sublimit von 50 000 € vor. Es kommt darauf an, wie der Landwirt konkret betroffen ist. Das Planfeststellungsverfahren kann im schlechtesten Fall zu einem Enteignungsverfahren führen. Auch kann eine Streitigkeit über die Reichweite und den Umfang der aus der Planfeststellung folgenden Baugenehmigung folgen. Letzteres wäre dann ,schrankenlos’ versichert.“ Versicherungsfall ist der Zeitpunkt der Auslegung des Plans. Zu diesem Zeitpunkt muss die Rechtsschutzversicherung abgeschlossen sein.
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