Überall sollen neue Windkraftanlagen aus dem Boden sprießen. Häuser benötigen andere Wärmequellen. Hinzu kommt das Ziel der Bundesregierung, 400 000 neue Wohnungen zu bauen. Doch wer soll das alles stemmen? Laut einer Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertages Ende 2021 klagen zwei Drittel aller Unternehmen am Bau schon jetzt über einen Fachkräftemangel.
Fast jeder hat mittlerweile die Erfahrung gemacht, dass Umbauten an Haus, Hof oder Stall nicht nur wegen Materialknappheit geschoben werden. Es fehlen die fähigen Hände. Und die Situation spitzt sich weiter zu: Ab jetzt gehen die „Babyboomer“, die Jahrgänge 1955 bis 1970, in Rente. Es wird einsam auf den Baustellen. Denn die Belegschaft in der Branche ist überdurchschnittlich alt.
Abi gleich Uni
Doch warum zog es in den vergangenen Jahrzehnten weniger junge Menschen ins Handwerk? Ein Grund ist der Erfolg unseres Bildungssystems. Seit den 1970er-Jahren gingen immer mehr Kinder aufs Gymnasium. Zurzeit macht die Hälfte eines Jahrgangs Abi, in 20 Jahren steigt dies Zahl vielleicht sogar auf zwei Drittel.
Nicht nur in Akademikerkreisen, sondern bis tief in die Dörfer und Bauerschaften verfestigte sich die Denke: Abi gleich Uni. Eine Ausbildung im Handwerk empfanden viele als Abstieg. Die Arbeit auf dem Bau galt als dreckig und anstrengend. Manche Schüler hatten während ihrer Schulzeit keinen Kontakt zum Handwerk. Einige Eltern schirmten sie davor ab. Neigungen und Interessen konnte sich nicht entwickeln.
Deshalb müssen Lehrer und Eltern die Ausbildung im Handwerk als mögliche Alternative zum Studium wieder stärker anerkennen. Mancher Gymnasiast ist womöglich zufriedener mit einer Ausbildung und entdeckt neue Talente. Beispiele in unserem Ausbildungsschwerpunkt, den Sie in dieser Ausgabe lesen, zeigen das.
Frauen auf den Bau
Das gleiche gilt auch für junge Frauen. Zwar gibt es immer wieder Pionierinnen auf dem Bau, doch die Berufsschulklassen sind immer noch männlich geprägt. Dabei haben viele das Zeug für eine erfolgreiche Lehre. Die Körperkraft spielt längst nicht mehr die entscheidende Rolle.
Außerdem kann die Ausbildung im Handwerk ein Grundstein für die weitere Karriere sein. Fortbildungsmöglichkeiten gibt es viele, längst nicht mehr nur den Meister.
Doch viele Betriebe suchen gerade auch Gesellen, frei nach dem Motto: Wir brauchen Indianer und nicht nur Häuptlinge. Und mancher Geselle auf dem Bau verdient mehr als mancher „Studierter“.
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