Die Geschichte der Landtechnik ist mehr als „nur“ die Geschichte von Eisen, Dampf und Diesel, mehr als nur die Abfolge von Motoren und Traktoren. Denn Landtechnik – das sind letztlich alle Geräte und Maschinen, die Menschen eingesetzt haben, um Ackerbau und Viehhaltung zu betreiben. So gesehen beginnt die Geschichte der Landtechnik mit dem ersten hölzernen Haken, mit dem die Ureinwohner Westfalens vor Jahrtausenden den Ackerboden – nein, nicht gepflügt und gewendet, sondern eher gekratzt und bestenfalls aufgebrochen haben.
Diese Haken haben sich nicht erhalten. Denn sie waren aus Holz und entsprechend kurzlebig. Dass es sie gegeben haben muss, zeigen aber die Spuren, die sie hinterlassen haben und die mancherorts bis heute zu finden sind: Unter Wallanlagen oder Grabhügeln der Steinzeit zwischen Brezno in Tschechien und South Street Barrow in der südenglischen Grafschaft Wiltshire haben Archäologen tatsächlich steinzeitliche Rode- und Pflugspuren entdeckt.
Der lange Weg der Sichel
Die Hakenpflüge wurden von Ochsen und vermutlich auch von Kühen gezogen, wie aus Abbildungen etwa aus einem Steingrab im nordhessischen Züschen geschlossen werden kann. Die Arbeitsleistung hing von der Schwere des Bodens, von den Zugtieren und nicht zuletzt von der Güte des Pflughakens ab. Zwischen 500 und 5000 m2 pro Tag könnten damit beackert worden sein – das jedenfalls sind die maximalen Schätzwerte, die in der Archäologie genannt worden sind. Meist wird die Leistung auf Mittelwerte zwischen 1000 und 2000 m2 pro Tag geschätzt.
Angebaut wurden hauptsächlich Dinkel, Einkorn und Emmer. Das reife Getreide wurde mit Sicheln geerntet. Sie allerdings waren in der Steinzeit und auch in der folgenden Bronzezeit (noch) nicht aus Metall, sondern bestanden aus scharfkantigem Feuerstein. Solche steinernen Ernteklingen sind in zahlreichen Funden in Mitteleuropa nachweisbar. In Westfalen wurden sie zum Beispiel 2001 bei einer Grabung in Rheine-Altenrheine entdeckt. Die dortigen Funde waren aber keineswegs aus heimischer Fertigung, sondern aus Kreidefeuerstein, wie er im baltischen Raum vorkommt. Nachweisbar ist dieses Material auch in Sichel-Werkstätten in Dänemark, Schleswig-Holstein und auf Rügen. Von dort scheinen sie im Tausch nach Westfalen gekommen zu sein – importierte Landtechnik, wenn man so will.
Diese früheste Form der Landwirtschaft kannte noch weitere Gerätschaften:
- Flache, brettähnliche Sparren wurden zum Dreschen verwendet.
- Steinerne Mörser dienten der Verarbeitung des Getreides. In ihnen konnten Dinkel, Einkorn und Emmer entspelzt oder grob gemahlen werden.
- Einfachste Wagen und Karren verwendeten die Menschen des Neolithikums auch bereits, um das Erntegut zu transportieren. Weil die Wagen und Karren vollständig aus Holz gefertigt waren, finden sich Überreste aus dieser Jahrtausende Jahre zurückliegenden Zeit nicht mehr, wohl aber ihre Fahrspuren. Sie wurden unter anderem in Flintbek, Schleswig-Holstein, entdeckt und lassen den Schluss zu, dass dort zwei- oder sogar vierrädrige Wagen eingesetzt worden sind.
Im Jahrhundert vor Christi Geburt und den folgenden Jahrhunderten wandelte sich in kleinen, kaum merklichen Schritten die Ackertechnik. Die wohl größte Revolution löste der Wendepflug aus, der im Jahr 100 v. Chr. in Mitteleuropa auftaucht. Der Haken, kräftiger und stabiler gebaut, erhielt eiserne, gekrümmte Schare, die die Scholle tatsächlich wendeten.
Die ältesten Funde stammen aus Ostermoor in Holstein, Hammstede in den Niederlanden und der Dorfsiedlung Feddersen Wierde bei Cuxhaven. Es fällt auf, dass die revolutionäre Neuerung erstmals auf den schweren Böden entlang der Nordseeküsten auftaucht. In anderen Teilen Europas ist der Wendepflug erst Jahrhunderte später, im frühen Mittelalter, nachzuweisen.
Pflug aus Warendorf
Von der Küste scheint die Neuerung recht rasch ins Landesinnere vorgedrungen zu sein. Denn auch Westfalen zählt zu den frühen Fundorten. Aus dem ersten Jahrhundert n. Chr. stammen entsprechende Funde aus Warendorf und aus Unterlübbe. Dort wurde ein Pflug aus dem ersten Jahrhundert entdeckt, dessen Konstruktion verrät, dass er von zwei Rindern gezogen worden sein muss.
Aus den ersten drei Jahrhunderten nach Christi Geburt stammen auch sichere Nachweise der Egge. Mit ihr wurde der Boden zerkleinert, wurden das Saatbett bereitet sowie Unkraut und Halme entfernt. Auch die Egge dürfte von Rindern gezogen worden sein. Der Einsatz von Pferden für die Feldarbeit setzte hierzulande erst Jahrhunderte später im Mittelalter ein.
Die Ernte geschah mit geschmiedeten Sicheln. Sie tauchten in der Zeit zwischen dem 1. und 6. Jahrhundert auf. Ihre längliche metallene Schnittfläche war mit einem Holzschaft versehen.
Butterfass und Flachshechel
Zu den Werkzeugen und Geräten der frühen Hofwirtschaft zählen auch Siebgefäße aus Ton, mit denen Käse und Quark hergestellt wurde. Auf die Anfänge der Milchwirtschaft weisen die Deckel der Butterfässer hin, die vielerorts in Mitteleuropa gefunden wurden. Erkennbar sind sie an ihrer markanten Lochung: An zwei seitlichen Löchern konnte der Deckel auf dem Fass befestigt, durch die große Öffnung in der Deckelmitte konnte der hölzerne Butterstampfer geführt werden.
Bislang einzigartig in Mitteleuropa ist ein Fund aus einer sächsischen Siedlung bei Warendorf aus dem 6./7. Jahrhundert. Dort fand sich ein hölzernes Brett mit zwei Reihen von jeweils neun Eisenstiften. Es diente offenkundig als Flachshechel, also als eine Art Kamm, durch den die frisch geernteten Flachsfasern mehrfach gezogen wurden, um sie dann weiterverarbeiten zu können.
Mörser und Drehmühlen
Um das geerntete Getreide zu entspelzen und zu mahlen, wurden Mörser und einfache Steine verwendet. Im ersten Jahrhundert n. Chr. setzte auch hier ein Wandel ein: Drehmühlen, häufig aus leichten und riebfesten Basaltlavasteinen, kamen zum Einsatz.
Neben diesen Gerätschaften dürfte eine Vielzahl kleinerer hölzerner Werkzeuge wie Haken, Spaten, Harken und Dreschlatten und -flegel eingesetzt worden sein. Sie sind nur selten im Original erhalten.
Sämtliche hier aufgezählten frühen landwirtschaftlichen Geräte bestimmten über viele Jahrhunderte den Arbeitsalltag in der Landwirtschaft. Sie unterschieden sich im Anteil an metallenen Teilen, in Form und Größe, wandelten sich aber letztlich für Jahrhunderte nicht. Maschinenähnliche Gerätschaften wurden bis ins Mittelalter nicht entwickelt – mit einer Ausnahme, die wir uns in Kürze näher ansehen werden: dem gallischen Mähwagen.
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