Fresseraufzüchter haben es drauf. Das müssen sie auch. Denn die Marge ist knapp. Gewinne zu fahren ist nicht einfach. Zum Erfolg gehört eine Vielzahl von Faktoren, wissen die Berater Christopher Kneip von der Landwirtschaftskammer NRW und Matthias Lambers vom Beratungsring Osnabrück aus Erfahrung. Das zeigen auch die aktuellen Berechnungen aus den Betriebszweigauswertungen. Die Zahlen stellen den Landwirten ein gutes Zeugnis aus: Im Schnitt liegen die täglichen Zunahmen bei mehr als 1050 g, die Verluste sind gering (Übersicht 2). Doch es gibt trotzdem Unterschiede zwischen den besseren und schwächeren Betrieben, genauso wie zwischen den verschiedenen Rassen.
Viele kleine Stellschrauben
Einige denken, dass Ein- und Verkauf der Kälber die Hauptstellschrauben sind für ein positives Ergebnis. Das ist falsch: Entscheidender als Anschaffung und Vermarktung ist das Betriebsmanagement, erklärt Kneip. Essenziell für den wirtschaftlichen Erfolg eines Betriebes sind die täglichen Zunahmen und geringe Verluste, berichtet Lambers. Außerdem beobachtet er, dass Topbetriebe Kälber mit einem geringeren Einstallgewicht einkaufen. „Die Wertschöpfung können Landwirte besser selber auf das Tier mästen“, sagt der Berater.
Zudem kommt es auf die Marktbeobachtung im Futtermittelbereich an. Hier sind gute Kontrakte wichtig, besonders bei Eiweißfuttermitteln, fügt Kneip hinzu. Denn fast alle Betriebe arbeiten mit Einzelkomponenten. Lambers rät Aufzüchtern zudem, ihre Totale Mischration analysieren zu lassen. „Vor allem die Ration auf Keimzahlen, Hefen, Schimmel oder Pilzen zu untersuchen, macht Sinn. Denn wenn das Futter belastet ist, nehmen die Tiere viel weniger Futter auf, werden unruhig und es kommt zu gesundheitlichen Schwierigkeiten.“
Kneip beobachtet, dass das Problem in der Fresseraufzucht die 10 % schwächeren Tiere im Stall sind: „Bei diesen Kälbern ist das Potenzial für gute Zunahmen nicht da.“ Bei vielen Betrieben kommen sie in eine Art „Intensivstation“, berichtet er. Hier kontrollieren die Landwirte die Futteraufnahme pro Einzeltier.
Zeitraum entscheidend
In der Fresseraufzucht gibt es immer mehr Betriebe mit Vertragspartnern. Doch wurden in diesem Jahr die freien Tiere teurer gehandelt als die mit fester Marge, berichtet Kneip. Allerdings besteht das Risiko für die freien Aufzüchter im Sommer. „Für kleinere Betriebe lohnt es sich unter Umständen, zwischen Juni und August den Stall leer zu lassen. In diesem Zeitraum sind die Kälber extrem teuer und die Direktkostenfreie Leistung (DkfL) ist dann viel zu niedrig“, erklärt Lambers.
Rassen im Vergleich
Im aktuellen Wirtschaftsjahr haben die Berater das erste Mal die Rassen einzeln ausgewertet. Auffällig ist: In Niedersachsen ist ein bunter Strauß in den Betrieben zu finden. In NRW hingegen steht meist nur Fleckvieh (FV) im Stall.
Vergleicht man die Einkaufspreise der Kälber, kosten Weißblaue-Belgier (WBB)-Kreuzungen mittlerweile fast genauso viel wie FV-Kälber (Übersicht 1). Für FV bekommt der Aufzüchter beim Verkauf rund 50 € je Tier mehr als für den Kreuzungsfresser. Allerdings bleibt unterm Strich bei den Betrieben mit WBB-Kreuzungen mehr über. „Das meiste Geld verdienen allerdings Betriebe mit Braunvieh“, erklärt Lambers (Übersicht 2). Jedoch gibt es bei Braunvieh inzwischen Absatzprobleme, da in den höheren Haltungsformen Fleischrassen oder Kreuzungen gefragt sind. „Die Rasse könnte verdrängt werden. Das betrifft vor allem kleine Betriebe mit kleinen Partien“, sorgt sich der Berater. Seine Wirtschaftlichkeitszahlen sind vorläufig und bis Sommer 2022 erhoben, somit rechnet er mit weiteren Preissteigerungen, die sich negativ auf die Wirtschaftlichkeit auswirken.
Fakten aus der Mast
Die Zahlen aus der Bullenmast ergeben: Der Einkaufspreis für Kreuzungstiere muss runter. „Wenn die Kreuzungen rund 125 € je Tier weniger kosten, rechnen sie sich“, berichtet Kneip (Übersicht 3).
Dabei ist davon auszugehen, dass es sich bei den meisten Kreuzungstieren um WBB-Kreuzungen handelt. Die Futterkosten bei diesen sind zwar mit 2,21 €/je Tier und Masttag etwas geringer als beim FV (2,27 €/Tier und Tag), doch das Mastendgewicht ist ebenfalls geringer. Momentan läuft es allerdings meist so, dass Bullenmäster Kreuzungsfresser für einen ähnlichen Preis einkaufen müssen wie FV. „Dann schneiden die Tiere wirtschaftlich schlechter ab und man tut ihnen unrecht“, findet Kneip. „Logisch wäre, wenn der Preis für WBB-Kreuzungen zwischen FV und Holstein-Friesian (HF)-Bullen liegt.“
Kreuzungen sind attraktiv
Beim Fleckvieh schätzen viele Landwirte die einheitlichen Partien. „Kreuzungen wachsen häufig zu sehr auseinander“, hört man immer wieder aus der Praxis. Dennoch die Problematik besteht: Der Transport aus Bayern gerät zunehmend in die Kritik. Zudem kommen künftig schätzungsweise weniger FV-Kälber aus dem Süden. Da auch dort der Strukturwandel in den Milchviehbetrieben zuschlägt. Eine Lösung wäre: Kreuzungstiere aus den regionalen Milchviehbetrieben im Fresser- und später Bullenstall wieder zu finden, beispielsweise Tiere mit einer HF-Mutter und WBB-Vater.
Dann müssten es aber Tiere aus der Region sein. Momentan stammen viele Kreuzungstiere aus Bayern oder den östlichen Bundesländern, berichtet Kneip. Denn die Kälber aus den Milchviehbetrieben vor Ort passen bislang nicht ins System der Fresseraufzüchter. Ab 2023 müssen Kälber 28 Tage auf den Betrieben bleiben. Vielleicht eine Idee: Kann es sich für den Milchviehbetrieb lohnen, Kreuzungskälber sechs Wochen aufzuziehen, damit die Tiere für den Fresseraufzüchter interessanter werden?
Zahlen der Rinder-Union West besagen, dass etwas mehr als 20 % der Erstbesamungen mit Sperma von Fleischrassebullen stattfinden. Davon liegt der größte Anteil bei Weißblauen Belgiern, gefolgt von INRA 95, Limousins und Angus. Insgesamt scheint noch einiges passieren zu müssen, um Kreuzungskälber für die Bullenmast attraktiver zu machen.
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