Vorab ein Hinweis zur Pflanzen-Ausbeute aus dem Saatgut der aus biologischer Sicht sehr jungen Nordmanntannen: In diesen Situationen enthalten die Zapfen meist recht hohe Anteile hohler Samen. Es ist also sinnvoll, durch Aufschneiden einer Stichprobe den Anteil voller, gesunder Samen abzuschätzen, bevor man an deren weitere Behandlung und Anzucht geht.
Erntezeit: Die Erntezeit für die Nordmanntanne liegt abhängig vom Witterungsverlauf Anfang September. Dann sollten die zu dieser Zeit noch geschlossenen Zapfen gepflückt werden. Anschließend lässt man die Zapfen rund sechs Wochen in eher kühler, überdachter Umgebung nachreifen. Die Zapfen sollten luftig liegen, Schimmelbildung muss vermieden werden. Nach dem natürlichen Zerfall der Zapfen sollten die Samen von Zapfenschuppen und Verunreinigungen, etwa durch Sieben auf Drahtgittern entsprechender Größe, getrennt werden. Eine Entflügelung der Samen ist bei dieser geringen Samenmenge des noch jungen Baumes und der geplanten Anzucht im Hause nicht unbedingt erforderlich. Das Saatgut sollte bis zur Aussaat (entweder sofort im Herbst oder im darauf folgenden Frühjahr) kühl und geschützt vor Feuchtigkeitsverlust (zum Beispiel im Kühlschrank) aufbewahrt werden.
Aussaat: Nach der Aussaat sollten die Samenkörner nur dünn (ungefähr so stark wie die Dicke der Samenkörner) überdeckt werden. Sehr einfach ist dies mit feinem Sand machbar. Das Saatbeet muss anschließend feucht (aber nicht nass) gehalten werden. Eine Aussaat solch relativ kleiner Samenmengen kann zum besseren Schutz der Samen und ihrer Beobachtung auch in Aussaatkästen erfolgen.
Wie gesagt, man kann im Herbst oder Frühjahr säen. Eine Aussaat im Herbst ahmt die Bedingungen für das Saatgut in der Natur nach. Allerdings gehört dazu auch ein tendenziell größeres Verlustrisiko durch biotische Einflüsse. Alternativ kann man auch im Frühjahr, etwa Anfang Mai, aussäen. In diesem Fall muss die nach der Lagerung noch vorhandene natürliche Keimruhe des Saatgutes abgebaut werden, bevor die Samen keimen können. Das geht bei der Nordmanntanne aber relativ einfach durch eine sogenannte Kalt-Nass- oder Warm-Nass-Voraussaat-Behandlung.
Vorbehandlung: Für die Anzucht mit „Hausmitteln“ kommt meist nur die Warm-Nass-Behandlung infrage. Hierfür wird das Saatgut rund 24 Stunden in sauerstoffreiches Wasser gelegt und so auf volle Wassersättigung gebracht. Danach wird das Wasser abgegossen und das Saatgut unter Erhalt der vollen Wassersättigung, aber mit Luftzutritt, weiter behandelt. Entweder mischt man es mit rund gleichem Mengenanteil sauberen, feinen Sandes oder packt es als reines Saatgut in Baumwollbeutel und bewahrt es so in einem geeigneten Gefäß auf. Wichtig ist für den weiteren Verlauf der Erhalt der Wassersättigung. Dazu bedarfsweise durchmischen und Wasserverluste ausgleichen. So bei Zimmertemperatur um die 20 °C behandelt, beginnen die Samen erfahrungsgemäß nach rund zwei bis vier Wochen zu keimen. Zeigen rund 10 % der Samen eine rund 5 mm lange Keimwurzel, sollte man aussäen.
Saatbeet: Das Aussaatbeet sollte zur Vermeidung von Pilzinfektionen gut belüftet sein. Bei der weiteren Anzucht der Tannensämlinge ist deren intensive Wurzeldynamik zu beachten, insbesondere die Tendenz der Hauptwurzel, schnell in die Tiefe zu wachsen. Daher kann ein frühzeitiges Pikieren der jungen Sämlinge in rund 25 cm tiefe Töpfe sinnvoll sein. Bei der Anzucht im Topf sollte man allerdings darauf achten, dass die Hauptwurzel, sobald sie den Boden eines (fast) geschlossenen Topfes erreicht, zu „drehen“ beginnt. Das ist für die langfristige Stabilität der Pflanze nach Auspflanzen an ihren späteren Standort meist abträglich. Es ist also empfehlenswert, die selbst gezogenen Nordmanntannen möglichst frühzeitig an ihren endgültigen Standort zu pflanzen. Wegen der relativ verhaltenen Entwicklung ihres Sprosses sind die Tannen dann zwar noch recht klein und müssen meist noch während ihrer weiteren Entwicklung gepflegt werden, was aber unter den geschilderten Bedingungen vermutlich möglich sein dürfte.
(Folge 35-2021)