Unabhängig davon, ob die Fichten zu den stark wachsenden oder zu den übrigen Bäumen im Sinne des Nachbarrechts zu zählen sind, ist seinerzeit bei deren Pflanzung jedenfalls nicht der gesetzliche Mindestabstand eingehalten worden. Dieser beträgt mindestens 2 m und bei stark wachsenden Bäumen sogar 4 m von der gemeinsamen Grundstücksgrenze. Der Grenzabstand soll u. a. dazu dienen, Schädigungen auf dem Nachbargrundstück, etwa durch Wurzelwachstum, auszuschließen bzw. zu minimieren. Trotz Unterschreitung der Abstandsflächen haben Sie mittlerweile aber keine Handhabe mehr, von Ihrem Nachbarn aus diesem Grund die Beseitigung der Bäume zu verlangen. Ein entsprechender Anspruch verjährt innerhalb von sechs Jahren nach der Pflanzung. Vielleicht ist der geringe Abstand damals sogar stillschweigend geduldet worden. Immerhin haben die Fichten trotz ihres geringen Grenzabstandes bis jetzt zum Glück keine erkennbaren Schäden an der Grenzmauer verursacht.
Neben dieser möglichen Gefährdung durch Wurzelwachstum ist eine Gefährdung durch Sturmwurf denkbar. Allein aufgrund ihrer Höhe werden die Fichten im Falle von Entwurzelung oder Stammbruch ohne Weiteres Ihr Wohngebäude erreichen. Damit sich eine solche Gefahr konkretisieren kann, müssen allerdings verschiedene Faktoren zusammenkommen. Der Standort der Bäume mit geringem Abstand zur Nachbarfläche allein reicht nach unserer Einschätzung hierfür nicht aus. So wäre eine besonders windexponierte Lage erforderlich, um das Gefahrenpotenzial zu erhöhen. Zudem müssten besondere Umstände vorliegen, die auf eine geminderte Standfestigkeit hindeuteten. Das wären beispielsweise besonders feuchte Standortverhältnisse oder sonstige Einwirkungen auf die Stabilität der Wurzeln, wie etwa Abgrabungen oder sonstige Bodenabtragungen in der Nähe. Das Gefahrenpotenzial wäre außerdem durch äußerlich erkennbare Schäden an den Fichten, etwa durch Borkenkäferbefall, erhöht. Auf all das deuten Ihre Schilderungen jedoch nicht hin.
Sollte es tatsächlich zu einem Wurf oder Abbruch von Fichten kommen und hierdurch auf Ihrer Fläche ein Schaden entstehen, können Sie Ihren Nachbarn nur dann schadensersatzpflichtig machen, wenn der Schadenseintritt für ihn vorhersehbar und von ihm zu vertreten wäre. Bereits die Vorhersehbarkeit dürfte schwer darzulegen und zu beweisen sein, wenn keinerlei Anzeichen oder Schadsymptome im Vorfeld festgestellt werden konnten.
Das Mittel der Wahl wäre vielmehr eine vollständige Entnahme der Fichten im Grenzbereich. Hierdurch wäre jegliches Gefahrenpotenzial in der Zukunft ausgeschlossen. Hierzu ist der Nachbar aber nicht verpflichtet.
(Folge 3-2021)