Wochenblatt-Leser Justus M. in T. fragt: Ich habe meine Acker- und Grünlandflächen verpachtet. Als ich kürzlich mit unserem angeleinten Hund über eine der Wiesen ging, sprach mich der Jagdpächter an und meinte, ich könne dort nicht spazieren gehen. Wie ist die Rechtslage?
Jürgen Thies, Rechtsanwalt, LJV NRW, antwortet: Ein Recht für jedermann, die freie Landschaft zu Erholungszwecken zu betreten, ergibt sich aus dem Zusammenspiel zivilrechtlicher und öffentlich-rechtlicher Gesetze. Das allgemeine Prinzip enthält § 59 I Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG). Danach ist das Betreten der freien Landschaft auf Straßen und Wegen sowie auf ungenutzten Grundflächen zum Zweck der Erholung allen gestattet. Die in diesem Grundsatz vorgesehene Beschränkung der allgemeinen Betretungserlaubnis auf ungenutzte Grundflächen wird in § 57 I Landesnaturschutzgesetz NRW wiederholt: „In der freien Landschaft ist das Betreten der privaten Wege und Pfade, der Wirtschaftswege sowie der Feldraine, Böschungen, Öd- und Brachflächen (gemäß § 11 II LNatSchG NW Flächen, deren landwirtschaftliche Bewirtschaftung aufgegeben ist oder die länger als drei Jahre nicht genutzt sind) und anderer landwirtschaftlich nicht genutzter Flächen zum Zwecke der Erholung (…) gestattet, soweit sich nicht (…) aus anderen Rechtsvorschriften Abweichungen ergeben.“ Das gilt auch für mitgeführte Hunde. Auch sie dürfen – angeleint oder unangeleint – nur auf den genannten und nicht auf landwirtschaftlich genutzten Flächen laufen.
Kein Betretungsrecht für die Allgemeinheit
Ersichtlich gibt es weder nach Bundes- noch nach Landesrecht ein Betretungsrecht der Allgemeinheit auf landwirtschaftlich genutzten Flächen, namentlich auf Grünland- und Ackerflächen. Wer diese Bereiche mit oder ohne Hund aufsuchen möchte, bedarf der Erlaubnis des/der Nutzungsberechtigten, somit des Grundeigentümers, soweit dieser selbst und ausschließlich die Fläche nutzt, sonst des – wohl meist – landwirtschaftlichen Pächters und zusätzlich auch des Jagdpächters.
Wenn ihn das Betreten in seinen spezifischen Rechten verletzt, kann jeder Grundstücksberechtigte die Einhaltung des Betretungsverbotes auch von den übrigen Grundstücksberechtigten verlangen. Denn das dem Eigentümer in § 903 S. 1 BGB gegebene Recht, mit seinem Grundstück nach Belieben zu verfahren und andere von jeder Einwirkung auszuschließen, existiert nicht schrankenlos, wie unter anderem die der Allgemeinheit eingeräumten Betretungsrechte zeigen, sondern nur, soweit nicht Rechte Dritter und Gesetze entgegenstehen.
Auch nicht für Verpächter
Deshalb kann sich der landwirtschaftliche Pächter sogar gegen den Grundstückseigentümer wehren, der etwa vor der Mahd auf seinem Spaziergang über die Wiese das Gras platt tritt, sodass es vom Mähwerk schlechter erfasst wird. Zudem verderben Hunde, die sich im Gras lösen, das Viehfutter.
Auch der Jagdpächter kann vom Grundstückseigentümer verlangen, dass dieser zumindest in Setz- und Brutzeiten sowie in winterlicher Notzeit das Ruhebedürfnis wild lebender Tiere berücksichtigt und deren Rückzugsflächen meidet.
Auch und gerade auf landwirtschaftlichen Nutzflächen greifen selbstverständlich die Verbote des § 19 a Bundesjagdgesetzes: „Verboten ist, Wild … unbefugt an seinen Zufluchten, Nist-, Brut- oder Wohnstätten durch Aufsuchen (...) zu stören“, wobei der vorsätzliche Verstoß Ordnungswidrigkeit ist und des § 39 I Nr. 1 BNatSchG: „Verboten ist, wild lebende Tiere mutwillig zu beunruhigen (…)“. Der wissentliche Verstoß ist ebenfalls Ordnungswidrigkeit. Bei Zuwiderhandlung hat der Jagdausübungsberechtigte – auch gegen den Grundeigentümer – einen in die Zukunft wirkenden Unterlassungsanspruch aus § 1004 I S. 2 BGB sowie einen Ersatzanspruch aus § 823 I BGB für entstandene materielle Schäden.
Ein einvernehmliches Miteinander der Nutzungsberechtigten ist nicht immer leicht zu erzielen – eine intakte Natur wird allen Beteiligten das Bemühen darum jedoch danken.
Lesen Sie mehr:
(Folge 32-2022)