Das von Ihnen am Hochsitz fotografierte Insekt gehörte zur Familie der Echten Schlupfwespen (Hymenoptera: Ichneumonidae), der artenreichsten Familie der Hautflügler. Weltweit sind über 60.000 Arten beschrieben und allein in Mitteleuropa ist die Familie noch mit 4000 Arten vertreten, wobei die Artbestimmung häufig nur von Spezialisten sicher durchgeführt werden kann.
Die von Ihnen beobachtete Schlupfwespe ist allein aufgrund ihrer Größe und Färbung jedoch eindeutig zu bestimmen: Es handelt sich um die Holzschlupfwespe Rhyssa persuasoria, die bei uns in Mitteleuropa zu den größten Schlupfwespenarten gehört. Die zumeist etwas kleineren Männchen erreichen eine Körperlänge von etwa 2 cm, die Weibchen können noch etwas größer werden. Der Eindruck der Größe wird durch die beinahe körperlangen Fühler und bei den Weibchen zusätzlich durch den über körperlangen, von Ihnen als „Rüssel“ bezeichneten, Legestachel noch verstärkt. Die Tiere sind dunkel gefärbt und durch helle Flecken auf den einzelnen Körpergliedern ausgezeichnet, die Beine sind rötlich bis braun.
Diese Rhyssa-Art kommt vorzugsweise in Nadelwäldern vor und erscheint zumeist in den Sommermonaten. Die Weibchen fliegen Bäume und Hölzer an, die von Holzwespen- oder Käferlarven befallen sind, wobei sie in der Lage sind, mit ihrem Geruchssinn wahrzunehmen, ob sich im Innern des Holzes eine Larve befindet. Dann bohren sie mit ihrem langen Legebohrer ein Loch durchs Holz bis zu dieser Larve. Hierbei werden die beiden Hälften des Legebohrers sehr schnell auf und ab aneinander vorbeibewegt. Dann wird ein Ei an die Wirtslarve abgelegt. Die daraus schlüpfende Rhyssa-Larve vertilgt dann äußerlich fressend den Wirt nach und nach.
Die adulten Schlupfwespen ernähren sich demgegenüber deutlich friedlicher, sie nehmen nur Nektar, Honigtau oder Ähnliches auf. Da Schlupfwespen insgesamt häufig auch solche Schadinsekten parasitieren, die in Land- und Forstwirtschaft die Kulturpflanzen bedrohen, sind sie gern gesehene Nützlinge.
Für den Naturliebhaber, sei er nun Jäger oder nicht, ist es sicherlich immer wieder eine Freude, solche Wunderwerke der Schöpfung beobachten zu können.