In an sich wildsicher umschlossenen Tiergehegen gehaltenes Wild gehört gemäß § 960 I Satz 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) dem Inhaber des Geheges. In Freiheit befindliches Wild ist dagegen gemäß § 960 I Satz 1 BGB „herrenlos“, das heißt, es gehört niemandem.
Allerdings erwirbt gemäß § 958 I BGB Eigentum an einer herrenlosen beweglichen Sache – und Tiere werden zivilrechtlich wie Sachen behandelt –, wer sie in Besitz nimmt, folglich die tatsächliche Herrschaft über sie begründet. Man könnte daher denken, dass der Damhirsch, als er in das Gatter eingedrungen ist, in das Eigentum desjenigen übergegangen ist, dem das Gatter gehört.
Allerdings geht nach § 958 II BGB mit Erlangen des Besitzes an einer herrenlosen, beweglichen Sache dann kein Eigentumserwerb einher, wenn schon die Besitzergreifung das Aneignungsrecht eines anderen verletzt.
Dies ist hier der Fall, weil an dem Hirsch, der in das Gatter eingedrungen ist, ein Aneignungsrecht des Jagdausübungsberechtigten des Revieres besteht, in dem sich das Gatter befindet. Auch innerhalb des Gatters bleibt folglich der „Eindringling“ herrenlos und der Jagdausübungsberechtigte des Reviers kann vom Inhaber des Gatters die Herausgabe des Hirsches verlangen. Auch um dem Vorwurf der Wilderei zu entgehen, sollte der Damhirsch umgehend in die Freiheit entlassen werden.
(Folge 1-2019)