Wochenblatt-Leserin Jessica A. in O. will wissen: Eine Einstellerin hat seit Kurzem zwei Pferde bei mir stehen. Ich habe den Vertrag aufgesetzt: „Vertragsgegenstand – Für die Einstellung folgender zwei Pferde (jeweils Name, Geburtstag, Lebensnummer) werden zwei Boxen vermietet. Pensionskosten – Die Pferdeboxmiete (Pensionspreis) beträgt monatlich 300 €." Nun zahlte die Einstellerin mir für beide Boxen nur 300 €. Kann ich sie außerordentlich kündigen, weil sie nicht die gesamte Miete von 600 € zahlt?
Rechtsanwalt Stefan Schomakers, WLV: kann informieren: Formulierung mit Spielraum: Die enthaltenen Formulierungen im Pferdeboxenmietvertrag sind in der Tat nicht ganz glücklich gewählt, sondern lassen Spielraum und können deshalb von den Parteien unterschiedlich gedeutet werden. Die enthaltenen Formulierungen können einerseits aus dem Kontext so gedeutet werden, dass die Boxenmiete sich auf 300 € (pro Box), also auf insgesamt 600 € beziehen soll und andererseits so, dass insgesamt für den gesamten vereinbarten Vertragsgegenstand (zwei Boxen) 300 € zu zahlen sind.
Versteckter Einigungsmangel
Willenserklärungen sind jedoch gemäß §§ 133, 157 BGB nicht subjektiv, sondern nach dem objektiven Empfängerhorizont auszulegen. Wie würde also ein unbeteiligter Dritter nach objektiven Maßstäben den Vertragsinhalt deuten? Sofern sich auch nach diesen Maßstäben die Willenserklärungen nicht final deuten ließen, läge ein versteckter Einigungsmangel vor. Die Folge ist, dass ein Mietvertrag überhaupt nicht zustande gekommen wäre, zumal dann über einen unbedingt zu regelnden, konstituierenden Punkt „Mietpreis“ (wesentlicher Vertragsinhalt) keine Einigung erzielt worden wäre.
Unwirksamkeit und Räumung
Eine Heilung gemäß § 155 BGB käme diesbezüglich auch nicht in Betracht. Aufgrund der „Unwirksamkeit“ des Vertrages hätte die Mieterin – sofern keine anderweitige Einigung erzielt werden kann – die Boxen unverzüglich zu räumen und Sie hätten ggf. einen Anspruch auf „entgangene Miete“ über die Vorschriften der ungerechtfertigten Bereicherung nach § 812ff. BGB.
Mißverständlicher Vertragstext
In diesem Fall: Wir meinen aber, dass der Vertragsinhalt – entgegen Ihrer Auffassung – objektiv eher so zu deuten sein dürfte, dass sich der Mietpreis in Höhe von 300 € auf den gesamten Vertragsgegenstand gemäß § 1 (hier zwei Pferdeboxen) beziehen sollte. Denn die Formulierungen unter § 5 lassen darauf schließen. Dort wird pauschal von „Pensionspreis“ in Höhe von 300 € monatlich gesprochen.Tipp zur Formulierung: Es sollte dort zukünftig eindeutig formuliert werden, dass die Boxenmiete („Pensionspreis“) sich auf eine Box (bzw. einen Pensionsplatz) bezieht. Zudem sollte – um wirklich jegliche andere Deutungsmöglichkeit auszuräumen – der insgesamt zu zahlende monatliche Pensionspreis als Summe angegeben werden (sofern mehrere Boxen angemietet werden).
Inhaltsirrtum erklären
Nach unserer Auffassung, wonach der Vertrag wirksam ist, können Sie jedoch Ihre auf den Vertragsschluss gerichtete Willenserklärung aufgrund eines Inhaltsirrtums (§ 119 Abs. 1 Alt. 1 BGB) anfechten. Sie müssen die Anfechtung jedoch unverzüglich schriftlich gegenüber der Mieterin erklären (§§ 121 Abs. 1, 143 BGB). Die Folge der Anfechtung wäre, dass der Vertrag als von Anfang an nichtig anzusehen wäre. Auch in diesem Fall könnten Sie dann über die Vorschriften der ungerechtfertigten Bereicherung „Wertersatz“ für die bereits erbrachten Leistungen verlangen.Sie sollten kurzfristig mit Ihrer Vertragspartnerin sprechen und ggf. den Vertrag anpassen, sollte die Mieterin auch zu einem Preis von 300 € pro Box (oder einem anderen ausgehandelten Preis) mieten wollen.
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(Folge 17-2022)