Hier geht es im Kern um die Frage: Wollte Ihre Schwägerin mit der Erbeinsetzung der Nichten und Neffen bezüglich der Grundstücke diese auch bezüglich des Geldbetrages einsetzen?
Denn nicht der Wortlaut des Testamentes allein ist entscheidend. § 2087 BGB bestimmt, dass wenn der Erblasser sein Vermögen oder einen Bruchteil davon dem Bedachten zugewendet hat, dies als Erbeinsetzung anzusehen ist, auch wenn der Bedachte nicht als Erbe bezeichnet wurde. Sind dem Bedachten hingegen nur einzelne Gegenstände zugewendet, so ist im Zweifel nicht anzunehmen, dass er Erbe sein soll, auch wenn er als Erbe bezeichnet ist.
Das deutsche Erbrecht unterscheidet die Erbeinsetzung und das Vermächtnis. Eine Erbeinsetzung liegt vor, wenn der Erbe der Gesamtrechtsnachfolger sein soll, also Rechte und Pflichten erben soll. Ein Vermächtnis hingegen bedeutet die Zuwendung einzelner Gegenstände, ohne dass damit weitere rechtliche Pflichten verbunden wären.
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Testamentsauslegung ist der Zeitpunkt der Testamentserrichtung, nicht des Erbfalls (Todesfalls). Hat also im Zeitpunkt der Testamentserrichtung der Erblasser sein gesamtes, zu diesem Zeitpunkt vorhandenes Vermögen auf bestimmte Personen aufgeteilt, so sind diese als Erben anzusehen, auch wenn sie nicht so bezeichnet wurden. Hat es nach dem Zeitpunkt der Testamentserrichtung noch einen Vermögenszuwachs gegeben, dann erben die bedachten Personen auch dieses Vermögen.
Hier geht es um ein notarielles Testament. Ihre Schwägerin hatte einen Notar aufgesucht, der sie bei der Testamentserrichtung unterstützt hat. In einem solchen Fall ist der Wortlaut von höherem Gewicht als bei der Auslegung eines Testaments, das ein juristischer Laie errichtet hat. Es wäre zu fragen, ob die Nichten und Neffen als „Erben“ bezeichnet wurden. Ist dies der Fall, so haben sie auch das weitere Vermögen geerbt.
Ist das nicht der Fall, wäre zu prüfen, ob das größere Vermögen bereits zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung der Schwägerin bekannt war. Ist das nicht der Fall, spricht viel dafür, dass die Nichten und Neffen als Erben eingesetzt werden sollten, obwohl sie nicht so bezeichnet wurden.
Wenn Sie Streit in der Familie vermeiden möchten, dann sollten sich die Nichten und Neffen und die gesetzlichen Erben auf einen Auslegungsvertrag verständigen.