Wochenblatt-Leserin Marie F. in K. fragt: Das alte Wohnhaus auf meiner Hofstelle war 50 Jahre unbewohnt. Eine Umnutzung ist nicht erfolgt. Jetzt habe ich das Haus umfassend renoviert und vermiete es. Ich soll bei der Baubehörde einen neuen Bauantrag mit Lageplan vorlegen. Gibt es eine gesetzliche Grundlage, wonach die genehmigte Wohnnutzung nach längerem Leerstand wegfällt?
Jan-Henrik Schulze-Steinen, Rechtsanwalt, Hamm, kann informieren: Bestandschutz prüfen: Die Rechtsprechung hat ein sogenanntes Zeitmodell entwickelt, um die Fortdauer des Bestandsschutzes prüfen zu können. Danach ist im ersten Jahr der aufgegebenen Nutzung stets mit einer Wiederaufnahme der alten Nutzung zu rechnen. Im zweiten Jahr besteht immerhin noch eine Regelvermutung und im dritten Jahr kehrt sich diese Vermutung um. Nach diesem sogenannten Zeitmodell hat der Bauherr dann besondere Gründe darzulegen, dass der Leerstand des Gebäudes noch keinen als endgültig erscheinenden Zustand herbeigeführt hat.
Verfall oder „nicht bewohnt“?
Dieses Zeitmodell kann aber nach neuerer Rechtsprechung allenfalls eine Orientierungshilfe sein. So führt die bloße Nichtbenutzung eines über viele Jahre hinweg leer stehenden Wohngebäudes als solches nicht schon regelmäßig zum Erlöschen des durch die erteilte Baugenehmigung (also vor langer Zeit) vermittelten Bestandsschutzes, wenn nicht beispielsweise zugleich auch der Verfall des Gebäudes nach außen hin deutlich in Erscheinung tritt.
Entscheidend muss sein, ob in der Nutzungsaufgabe bzw. den damit einhergehenden Umständen (zum Beispiel Verfall des Gebäudes, anderweitige Nutzung, Lagerfläche) ein Verzicht auf die Ausübung der genehmigten bestimmungsgemäßen Nutzung gesehen werden kann. Ein entsprechender dauerhafter und endgültiger Verzichtswille muss unmissverständlich und unzweifelhaft zum Ausdruck kommen.
50 Jahre nicht genutzt
Aufgrund des in Ihrem Fall sehr langen Zeitraums, immerhin 50 Jahre, wird man wohl davon ausgehen müssen, dass ein Verzicht auf die Ausübung der genehmigten bestimmungsgemäßen Nutzung angenommen werden muss. Dies unterstellen wir insofern, da „eine umfassende Renovierung“, letztlich wohl die Neuschaffung der gesamten Infrastruktur (Wasseranschluss, Abwasser/Kläranlage, Strom usw.) Voraussetzung für eine Vermietung zu Wohnzwecken notwendig war.
Die gesetzliche Grundlage
Die Rechtsprechung bezieht sich auf § 35 Abs. 4 Satz 1 Nummer 3 Baugesetzbuch, nämlich die denkbare alsbaldige Neuerrichtung eines zulässigerweise errichteten Gebäudes, das durch Brand, Naturereignisse oder andere außergewöhnliche Ereignisse zerstört wurde. Die Auffassung der Baubehörde wird nach erster Einschätzung insofern nicht zu beanstanden sein. Zum heutigen Zeitpunkt ist die Baugenehmigungsbehörde immerhin bereit, in dem alten Wohn- und Wirtschaftsgebäude zumindest die Errichtung einer Wohnung zu genehmigen.
Bis zu fünf Wohnungen
In dem Zusammenhang sollten Sie sich zunächst nochmals beraten lassen, in rechtlicher wie auch betriebswirtschaftlicher Hinsicht. Sie könnten in dem Gebäude statt nur einer Wohnung gemäß § 35 Abs. 4 Ziffer 1 lit. f Baugesetzbuch weitere vier Wohnungen, insgesamt fünf nicht privilegierte Wohnungen, errichten.
Denkmalschutz
Auch sollten Sie prüfen, ob das 200 Jahre alte Haus denkmalwürdig ist. So könnten Sie das Gebäude unter Denkmalschutz stellen lassen, sodann erhöhte Abschreibungen für Investitionen gemäß § 7 i Einkommenssteuergesetz geltend machen und zudem eventuell vergünstigte Darlehenskonditionen über die KFW (Kreditanstalt für Wiederaufbau) in Anspruch nehmen.
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(Folge 1-2023)