Wochenblatt-Leser Markus F. fragt: Ich überlege, mein Grünland zukünftig ohne Pflanzenschutz und mit geringfügiger Düngung zu bewirtschaften. Ist mit gravierenden Nachteilen im Grünland, etwa hinsichtlich Aufwuchs, Qualität usw., zu rechnen?
Hubert Kivelitz, Referent für Grünland, Futterbau und Zwischenfrüchte, Landwirtschaftskammer NRW, antwortet: Die GAP 2023 bietet im Rahmen der Ökoregelungen (ÖR) freiwillige Maßnahmen zur Förderung von Biodiversität und Ressourcenschutz an.
Es stehen sieben ÖR-Maßnahmen zur Auswahl. In der ÖR 4 geht es um das Extensivieren der gesamten Dauergrünlandfläche eines Betriebes. Folgende Regeln sind bei ÖR 4 verpflichtend:
- Es werden mindestens 0,3 und maximal 1,4 RGV/ha Dauergrünland vom 1. Januar bis 30. September des Antragsjahres gehalten.
- 0,3 RGV/ha können an bis zu 40 Tagen in dem Zeitraum unterschritten werden.
- Organische, mineralische Düngung erfolgen entsprechend Dunganfall von höchstens 1,4 RGV/ha Dauergrünland.
- Die Gesamt-N-Menge aus organischer und/oder mineralischer Düngung sowie Beweidung ist auf 140 kg/ha auf Dauergrünland begrenzt.
- Da die 140-kg-Obergrenze betriebsbezogen gilt, lassen sich intensiv genutzte Flächen durch extensiv bewirtschaftete ausgleichen.
- Die Ackerflächen des Betriebes sind bei dieser Betrachtung außen vor.
- Der Einsatz von Pflanzenschutzmittel ist untersagt.
- Es besteht ein Pflugverbot im Antragsjahr.
Für die Umsetzung erhält der Betrieb 2023 115 €/ha. Die Prämie sinkt bis 2026 auf 100 €/ha. Der Verpflichtungszeitraum gilt immer nur ein Jahr und muss bei Weiterführung jährlich neu beantragt werden.
Bei einem anzustrebenden durchschnittlichen Grünlandertrag von 80 dt/ha Trockenmasse und einem RP-Gehalt von 15 % in der TM ergibt sich ein rechnerischer N-Bedarf von rund 190 kg/ha. Wenn die Grünlandflächen ausschließlich mit maximal 140 kg/ha Gesamt-N über Gülle gedüngt werden, so sind bei der Nährstoffbedarfsermittlung nach Düngeverordnung im Jahr der Anwendung mindestens 50 % des Gülle-N anzurechnen. Hinzu kommen noch die N-Nachlieferung aus der Gülle des Vorjahres (10 %), des Bodens (10 kg/ha auf Mineralstandorten) sowie der N-Input von Klee (soweit vorhanden). Deshalb sind während Güllelagerung und -ausbringung verfahrenstechnische Maßnahmen zu optimieren, um gasförmige N-Verluste so gering wie möglich zu halten.
Vier bis fünf Schnitte pro Jahr
Wenn weiterhin hohe Grundfutterqualitäten als Grundlage für hohe Grundfutterleistungen realisiert werden sollen (Zielwerte mindestens 6,4 MJ NEL, 15 % RP), dann muss die Nutzungsintensität möglichst hochgehalten werden. Für die ausschließliche Schnittnutzung bedeutet das vier bis fünf Schnitte pro Jahr. Bei geringerer Nutzungshäufigkeit steigen die zeitlichen Intervalle der Nutzungszeitpunkte. Die Jahreserträge können dann zwar möglicherweise steigen, allerdings sinken bei Gräsern mit zunehmender physiologischer Reife die Energie- und Nährstoffkonzentrationen, während der Rohfasergehalt steigt.
Mit der Grünlandextensivierung nach den ÖR 4 müssen nicht zwangsläufig negative Veränderungen beim Grünland-Pflanzenbestand sowie bei den Erträgen und Futterqualitäten einhergehen. Bei N-limitierten Nutzungssystemen, wie sie auch der Ökologische Landbau im Grunde praktiziert, lässt sich eine deutliche Ertragsminderung mittel- bis langfristig nur über die Integration nennenswerter Ertragsanteile (15 bis 30 %) von „N-produzierenden“ Futterleguminosen wie Weißklee und/oder Rotklee in Grenzen halten. Pro Ertragsanteil Klee kann ein N-Input von 3 bis 5 kg/ha in Ansatz gebracht werden. Das Potenzial von Kleearten kann über Nachsaaten dauerhaft aber nur gelingen, wenn deren Ansprüche im Hinblick auf Standort, Nährstoffverhältnisse, pH-Wert, N-Management, Nachsaatverfahren und Nutzung beachtet werden. Die N-Limitierung, wie sie in der ÖR 4 zugrunde gelegt ist, bietet grundsätzlich gute Voraussetzungen, die Entwicklung des Klees zu fördern. Ein größerer floristischer Artenreichtum geht mit der Extensivierung aber nicht grundsätzlich einher.
Verunkrautung reduzieren
Da im Rahmen der ÖR 4 keine Herbizide eingesetzt werden dürfen, ist die Umsetzung der Maßnahme über einen mehrjährigen Zeitraum nur dann empfehlenswert, wenn die Grünlandbestände keinen hohen Unkrautdruck, insbesondere mit Stumpfblättrigem Ampfer, aufweisen. Andernfalls sollte mit der Extensivierung besser ein Jahr gewartet werden, um zuvor die Verunkrautung beispielsweise über einen Herbizideinsatz sowie über Nachsaaten deutlich zu reduzieren.
Grundsätzlich ist zu überlegen, ob auf einzelnen betrieblichen Grünlandflächen wegen ungünstiger Standortverhältnisse eine konsequente Extensivierung im Hinblick auf N-Düngung und Nutzung sinnvoll ist. Die Maßnahme der ÖR 4 ermöglicht betriebsintern eine sinnvoll abgestufte Nutzungsintensität.
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(Folge 16-2023)