Wochenblatt-Leser Christian G. in H. fragt: An unserer 100-jährigen Eiche sind am Wurzelanlauf schwarze Flecken entstanden, die nässen. Die Eiche erscheint vital und zeigt keine Trockenheitssymptome. Die schwarzen Stellen werden gerne von Hornissen angeflogen, die die austretende Flüssigkeit aufnehmen.
Dr. Ralf Petercord, Forstwissenschaftler, informiert: Die Flecken und die austretende Flüssigkeit sind auf Rindenrisse zurückzuführen, die auf den Befall der Wurzel mit einem bodenbürtigen Pilz hinweisen.
Rissbildung
Die Risse entstehen durch einen Pilzbefall, der letztlich zu einer Wurzelfäule und irgendwann auch zum Absterben des Baumes führt. Ursächlich für den Pilzbefall könnte eine Übererdung des Wurzelanlaufs sein, zumindest lässt sich eine solche auf dem Bild erahnen.
Durch eine nachträgliche Übererdung des Wurzelanlaufs, zum Beispiel in Folge einer Straßenbaumaßnahme oder Ähnlichem, wird die Wurzelatmung des betroffenen Baumes gestört. Der Baum wird sozusagen nachträglich zu tief gepflanzt. Die gestörte Wurzelatmung macht die Wurzel anfälliger für einen Pilzbefall, der in diesem Fall bereits eingetreten ist. Die Übererdung kann ebenso wie der Pilzbefall bereits einige Jahre zurückliegen und wird in seiner Schädlichkeit nun erst durch die Fleckenbildung offensichtlich.
Übererdung vermeiden
Eine Übererdung des Wurzelanlaufs ist für die meisten Baumarten ausgesprochen schädlich und sollte daher unbedingt vermieden werden. Dünnrindige Bäume sind dabei in der Regel anfälliger als dickrindige Baumarten und zeigen daher schneller Schadensmerkmale. Ist die Übererdung erst kürzlich erfolgt, kann durch den Abtrag des überschüssigen Bodens, also durch die Wiederfreilegung des Wurzelanlaufs, ein Schaden meist vermieden werden. In diesem Fall ist dies leider nicht mehr möglich. Da der Baum in unmittelbarer Nähe eines Verkehrsweges steht, sollte seine Standsicherheit regelmäßig überprüft werden, um der Verkehrssicherungspflicht zu genügen.
Phloemsaft
Die austretende Flüssigkeit ist Phloemsaft, also der zuckerreiche Saft, der mit den Photosyntheseprodukten von den Blättern in die Wurzeln transportiert wird. Die Leitungsbahnen, in denen dieser Saft transportiert wird, verlaufen in der Rinde im sogenannten Leitungsbast, der sich in unmittelbarer Nähe zur Wachstumsschicht (Kambium) zwischen Holz und Rinde befindet. Durch die Rissbildung sind diese Leitungsbahnen zerstört und der Phloemsaft fließt aus, wie bei einem Wasserrohrbruch – letztlich auch aus der Rinde.
Auf der Rindenoberfläche wird er durch die Verdunstung des Wassers dickflüssiger, verfärbt sich durch die Besiedlung von Pilzen und Bakterien braunschwarz und beginnt zu gären. Dieser Effekt kann zu einer Schaumbildung führen.
Insektennahrung
Diese austretende Flüssigkeit ist für zahlreiche Insekten eine wichtige Nahrungsquelle. Die Arbeiterinnen der Hornissen sind auf entsprechende Leckstellen zwingend angewiesen, die austretende Flüssigkeit dient ihnen als alleinige Nahrung. Finden sich in der Nähe von Hornissennestern keine natürlichen Quellen, schälen die Arbeiterinnen dünnrindige Bäume, wie Esche, Ahorn, Birke u. a. meist im Kronenbereich, um entsprechende Leckstellen, an denen Phloemsaft austritt, zu initiieren. Im Fall der geschädigten Eiche haben die Hornissen aber nichts mit der Schadursache zu tun, sondern profitieren nur von ihr.
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(Folge 29-22)