Sympathien, Zeitdruck, Halbwissen oder vorausgewählte Alternativen werden in unterschiedlichen Situationen in der Finanzberatung dazu benutzt, Anleger zu unvorteilhaften Entscheidungen zu drängen. Wir zeigen Ihnen miese Tricks in der Finanzberatung und wie Sie diese durchschauen.
Zehn typische Manipulationen in der Finanzbranche
Der nachfolgende Text enthält zehn typische Manipulationen (Tricks), die Privatanleger erkennen sollten. Der Beitrag beruht auf einen wahren Fall (*). Unsere Beispielfigur Sarah* ist den Tricks der Finanzdienstleister gehörig auf den Leim gegangen.
Die Story von Sarah, Lars und den Finanzen
Sarah (32) ist glücklich. Seit sieben Jahren ist sie mit Lars* (38) zusammen. Vor drei Jahren haben sie geheiratet, und Sarah ist zu Lars auf den Betrieb gezogen. Sie hält Haus und Garten in Schuss und hilft abends und am Wochenende beim Melken. Die Arbeit mit den Tieren ist ihr Ausgleich zu ihrem Vollzeitjob in einer Werbeagentur.
Lars und Sarah führen eine gute Beziehung. Sie arbeiten gern zusammen und nehmen sich Zeit für ihr gemeinsames Hobby, den Radsport. Beim Thema Geldanlage und Vorsorge trennen sich ihre Wege allerdings. Das Paar verständigte sich schon früh darauf, dass jeder für sich vorgeht. Zu unterschiedlich sind ihre Werte, Vorstellungen und Risikoempfindungen. Während Lars sich ausgesprochen gerne mit Gelddingen beschäftigt und in seiner Freizeit Anlegernachrichten und aktuelle Tipps aus dem Internet verfolgt, interessiert seine Frau sich nur mäßig für Finanzen. Sie vertraut bei Geldentscheidungen lieber jemandem, der sich mit so etwas auskennt, als sich selbst mit diesem abstrakten Thema auseinanderzusetzen.
Trick 1: Die Sympathiefalle
Sarah ist eine typische Beratungskundin. In Gelddingen hält sie sich an ihre Bekannte aus dem Sportverein, Annika*. Die 35-Jährige ist Privatkundenberaterin bei einer Bank und viele Jahre im Geschäft, wodurch sie Insiderkenntnisse erworben hat (Sympathiefalle).
Trick 2: Plausibilität und gefährliches Halbwissen
Hin und wieder fragt Sarah Annika um Rat. Sarah weiß, dass ihre Bekannte ihr Tipps für ihre Geldanlage und Altersvorsorge gibt. So muss sie sich nicht selbst ins letzte Detail hineindenken. Beim Geldanlegen erläutert die Finanzexpertin ihr die Chancen und Risiken der bestehenden Anlagealternativen in wenigen Sätzen, sodass Sarah schnell versteht, worum es geht (Plausibilität und gefährliches Halbwissen).
Trick 3: Künstlich verengter Alternativenraum/Kontrasteffekt
Die Beraterin bietet meist drei Alternativen an. Mit ihrer Hilfe sucht Sarah sich das Produkt aus, welches ihrer Meinung nach optimal zu ihr passt. Dass Annika die drei Produkte so vorausgewählt hat, dass eines davon durch den Vergleich mit den bewusst hinzugefügten schlechteren Alternativen besonders attraktiv erscheint, weiß Sarah nicht. Sie glaubt, sich in eine faire Vorauswahl für das objektiv beste Produkt entschieden zu haben (künstlich verengter Alternativenraum/Kontrasteffekt).
Trick 4: Nur an vorhandenen Informationen und Zahlen orientieren (Ankereffekt)
Vor Kurzem stellte Annika für Sarah einen Vorschlag aus drei aktiven Investmentfonds zusammen, aus denen Sarah dann einen für ihren Fondssparplan wählte (nur an vorhandenen Informationen und Zahlen orientieren (Ankereffekt)). Dieser ist zwar ein wenig teurer, bietet dafür nach Empfehlung der Privatkundenberaterin aber auch maximale Qualität.
Sarah wundert sich zwar über die hohen Kosten bei Abschluss des Vertrages, doch Annika sagte ihr, dass sie für ihre Gebühren auch einen adäquaten Gegenwert erhält und sich qualifizierte Fondsmanager darum kümmern, dass ihr Geld nur in die besten und vor allem aussichtsreichsten Anlagen investiert wird.
Trick 5: „Kann - muss aber nicht“ (Konjunktivitisfalle)
Zudem versicherte sie Sarah, dass sie mit dem aktiven Fonds einen über der Marktentwicklung liegenden Gesamtertrag erzielen könne („Kann - muss aber nicht“ (Konjunktivitisfalle)). Langfristig trage diese Qualität auch Früchte, auch wenn sich die empfohlenen Fonds bisher noch eher unterdurchschnittlich entwickelt haben.
Trick 6: Absichtlich geschaffene versunkene Kosten
Sarah müsse Geduld haben, in solchen Situationen seien ein wenig Treue und Loyalität angesagt. Ein voreiliger Wechsel verbiete sich, weil die Ausgabeaufschläge von 4,5 bzw. 5,5 % ohnehin schon bezahlt sind (absichtlich geschaffene versunkene Kosten).
Und falls die Fondsmanager doch in ihrer Anstrengung nachlassen würden, was man dann an langfristig schlechterer Kursentwicklung erkennen könne, würde die Beraterin ihr zu einer Umschichtung in einen besseren Fonds raten, sodass Sarahs Geld stets optimal investiert bliebe.
Trick 7: Überschätzung von Experten
Sarah sieht den Erfolg ihrer Anlage in zweifacher Hinsicht abgesichert: Durch die Expertise der Fondsmanager und durch den Sachverstand der Bankberaterin, die quasi die „Performance“ der Fonds überwacht (Überschätzung von Experten). Da kann doch kaum noch etwas schiefgehen, freut sich Sarah.
Trick 8: Verknappung und Zeitdruck
Zumal Annika sehr überzeugend erklärte, dass es wichtig ist, dass sich jetzt jemand um ihr Geld kümmert, wenn in dieser Zeit ein Crash oder eine Krisensituation eintritt (Verknappung und Zeitdruck).
Trick 9: Triggern (positiv und negativ)
Sie betont noch einmal, dass Sarah sich richtig entschieden hat (Triggern). Dabei greift die Beraterin tief in die Trickkiste. Sarah hatte sie auf ETFs (börsennotierte Indexfonds) angesprochen, aber auch gesagt, dass sei ihr zu kompliziert. Annika weiß, dass ETFs gegenüber aktiv gemanagten Fonds risikoarm, breit diversifiziert und transparent sind und es sich um kostengünstige Produkte handelt.
Einigen Finanzprodukteverkäufern sind sie ein Dorn im Auge, weil sie mit ETFs kein Geld verdienen, sondern der Anleger tatsächlich eine interessante Rendite erzielen kann. Annika verschweigt Sarah das und bestärkt sie bewusst in ihrem Vorbehalt: „Nicht auszudenken, was passieren würde, wenn du dein Geld in einem börsennotierten ETF investiert hättest, wo im Krisenfalle kein Fondsmanager die Reißleine ziehen und somit Verluste begrenzen könnte. Du würdest völlig ungesichert mit der Marktentwicklung in die Tiefe rauschen.“ – Das überzeugte Sarah. Also kein ETF-Sparplan …
Trick 10: „Heute das Kleine ist besser als morgen das Große“ (Steuerverlagerung)
Stattdessen schloss Sarah für ihre Altersvorsorge über die Privatkundenberaterin einen Vertrag über eine Riester-Rente ab. Annika argumentiert mit einem Steuervorteil, den sich Sarah nicht entgehen lassen sollte, da sie die Beiträge aus ihrem Einkommen vor Steuern bezahlt. Dass es sich lediglich um eine Steuerverlagerung (Trick 10) handelt, da die Rentenzahlungen steuerpflichtig sind, hinterfragt Sarah nicht und Nachrichten über die finanzielle Schieflage privater Rentenversicherer und schwindender Garantiezinsen ignoriert sie. Schade, schließlich ist es ihr Geld.
Miese Trick erkennen
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Anlagepsychologie Teil 1: Zwischen Angst und Gier - Zehn typische Anlagefehler (25. November 2020)
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