Vorab eine Klarstellung: Sie sprechen von „hoher Verzinsung“: Und exakt das ist die Botschaft der Finanzpresse sowie der Geldnehmer bzw. Schuldner. In Wahrheit erhalten Sie von diesen Finanzpartnern in der Nullzinswelt keine positive Verzinsung. Sondern lediglich eine Bonitätsprämie – also eine Art Versicherungsgebühr, die Sie für das Risiko des Zahlungsausfalls Ihrer Geldempfänger entschädigen soll. Und meiner Meinung nach sind die angebotenen Risikopräminen/Bonitätsprämien aktuell viel zu niedrig, da viele Anleger in der aktuellen Nullzinswelt nach jeder Rendite Ausschau halten und dabei das Risiko ausblenden bzw. unterschätzen.
Meine neutrale Außensicht auf diese Angebote ist daher erheblich kritischer. Aktuell werden beispielsweise Anleihen schlechter Bonität schon ab 2 % als „Hochzinsanleihen“ angepriesen. Und die Anleger in der Eurozone suchen verzweifelt nach positiven Zinsen und greifen selbst bei 2 % schon zu.
Hier finden Sie Analysen, Einschätzungen und Tipps wie Sie Ihre Finanzen auch in Zeiten von Null- und Negativzinsen fest im Griff behalten.
Wählen wir als Beispiel ein nachrangiges Darlehen oder einen Genossenschaftsanteil oder eine Hochzinsanleihe mit 4 % Verzinsung p. a.: Erst wenn diese Anlage für 25 Jahre ihre Zinsen ungeschmälert bezahlt und dann auch noch die volle Rückzahlung geleistet wird, ist die Rechnung aufgegangen. Sollte hingegen irgendwann während der Laufzeit ein Zahlungsausfall (also eine Insolvenz) Ihres Partners eintreten, müssen Sie einen Verlust von bis zu 100 % verkraften und die Zinszahlungen nach dem Zahlungsausfall fließen natürlich auch nicht mehr. Ganz vereinfacht gerechnete: Die 100 % Ausfall gegen Ihren Ertrag von 4 % pro Jahr ergibt 25 Jahre, die Sie vor Steuern und ohne Inflationsausgleich benötigen, um Ihr Geld wiederzusehen.
Ich unterstelle, dass Sie nicht all Ihre Ersparnisse auf eine solche Anlage setzen – das wäre russisches Roulette bei der Geldanlage. Sondern dass Sie streuen und eine Risikoverteilung über viele dieser „Hochzinsprodukte“ vornehmen. Damit vermeiden Sie einen Großschaden, ändern jedoch nichts an den fragwürdigen Erfolgschancen von bonitätsschwachen „Hochzinsanlagen“, wie meine nachfolgende, umgekehrte Darstellung des obigen Beispiels zeigt: Wenn Sie 26 dieser Anlagen mit 4 % Rendite tätigen und nur eine der 26 einen Totalausfall erleidet, haben Sie nichts gewonnen. Denn die 25 anderen würden mit je 4 % nur den Ausfall von 100 % erstatten. Wieder ohne Steuern und Inflation einzurechnen.
Im Ergebnis ist Ihre Anlageidee „Höherverzinsliche Anlage mit höherem Risiko“ ein typisches Beispiel einer „schiefen Wette“. Vielen Fällen mit kleiner Mehrrendite stehen nur wenige Verlustfälle gegenüber. Die wenigen Verlustfälle verursachen aber vergleichsweise große Schäden, und die kleinen Mehrrenditen lediglich vergleichsweise kleine Zugewinne. Und so können Sie durchaus bei 20 guten Investments und nur einem Totalausfall im Minus landen.
(Folge 42-2020)