Wochenblatt-Leser Rudolf H. aus V. ist Schweinemäster. Das Finanzamt hat ihm einen Haftungsbescheid über Umsatzsteuerbeträge in Höhe von 200 000 € zugestellt – ohne Vorankündigung – und wirft ihm Steuerhinterziehung vor. Dabei geht es um Steuerschulden eines anderen Unternehmens, für die er haften soll. Wie soll er sich verhalten?
Gerwin Schlegel, Steuerberater, RGJ, Düsseldorf, nimmt Stellung: 1. Die Finanzverwaltung hat in einer Vielzahl von Fällen Haftungsbescheide an Mastbetriebe erlassen, ohne diese einzeln vorzuwarnen. Ursache: Das Finanzamt befürchtet, dass die Ansprüche andernfalls verjähren könnten.
Verdacht auf Steuerhinterziehung erforderlich
2. Der Vorwurf der Steuerhinterziehung ist eine gesetzliche Bedingung für die Haftung (§ 71 AO). Um Sie in Haftung nehmen zu können, „musste“ das Finanzamt Ihnen pauschal Steuerhinterziehung vorwerfen. Doch muss das Finanzamt Ihnen die Steuerhinterziehung konkret nachweisen – nicht Sie müssen Ihre Unschuld beweisen. Wehren Sie sich daher gegen den pauschalen und zuweilen abenteuerlichen Vorwurf.
Keine Zahlungsaufforderung
3. Sie müssen noch keine Beträge an das Finanzamt entrichten, weil der Haftungsbescheid keine Zahlungsaufforderung enthält (§ 219 AO). Diesbezüglich haben Sie derzeit nichts zu befürchten und müssen nichts veranlassen.
Einspruch einlegen
4. Legen Sie auf jeden Fall Einspruch gegen den Haftungsbescheid ein. Die Einspruchsfrist endet einen Monat nach Bekanntgabe des Bescheides. Sofern dieser in einem gelben Umschlag zugestellt wurde, beginnt die Monatsfrist mit dem genauen Datum der Zustellung. Beantragen Sie, dass der Einspruch ruhend gestellt wird, bis über das Klageverfahren hinsichtlich der Erstschuld rechtskräftig entschieden ist (Umsatzsteuer des anderen Unternehmens).
Verfahren im Blick behalten
5. Nachdem Sie Einspruch eingelegt haben, können Sie zunächst den Ausgang des Klageverfahrens abwarten. Dies kann unter Umständen noch Jahre dauern. Sollte sich die Umsatzsteuer durch die Klage des anderen Unternehmens erledigen, wäre auch Ihr Haftungsbescheid aufzuheben. Sollte die Umsatzsteuer allerdings bestehen bleiben, müssen Sie persönlich den Einspruch fortführen.
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(Folge 15-2023)